Nicolas Jaar: „Ich spiele den ganzen Tag lang mit kleinen Tieren“
Sein Debütalbum SPACE IS ONLY NOISE aus dem Jahr 2011 hat zusammen mit dem ersten Album von James Blake nicht weniger als die elektronische Musik des laufenden Jahrzehnts definiert. Mehr Raum, mehr Stille, mehr Abstraktionen, mehr Experimente für den gemäßigten Mainstream.
Einmal in diesem Video erzähle ich meinem Vater eine Geschichte und sage ihm „aber die Statue ist nicht gelaufen“. Das ist ein sehr interessanter und bizarrer Satz aus dem Mund eines Kindes, er impliziert, dass Statuen tatsächlich laufen könnten. Eine Sache, die mich in den vergangenen drei, vier Jahren nach Darkside sehr interessiert hat, ist die Fluidität von Gegenständen, der Gedanke, dass Statuen tatsächlich laufen können – der Zement schmilzt und wird flüssig. Ich möchte die Welt nicht schwarz und weiß darstellen, eher so grau wie flüssiger Zement. Ich bin besessen von dieser Idee. Ich versuche, die Dinge verwischen zu lassen. Davon handeln „Nymphs“, POMEGRANATES und SIRENS. Vielleicht liegt das daran, dass ich in meiner Denkweise differenzierter geworden bin.
An einer anderen Stelle in dem Video sagt mein Vater: „Geh zur Mauer, geh zur Mauer.“ Du erinnerst dich an das Coverfoto meines ersten Albums? Das hat mein Vater gemacht. Das Baby in dem Kinderwagen bin ich, und der Kinderwagen steht auf der Grenze zwischen Ost- und Westberlin, dort, wo früher die Mauer gestanden hat. Aber jetzt reden wir von einer ganz anderen Mauer, die zwischen den USA und Mexiko, die Donald Trump ins Gespräch gebracht hat. Ich glaube, dass diese ganzen Geschichten mit meinem Album zu tun haben. Ich habe mit dem Album auf einem bestimmten Level mehr über mich selbst erfahren.
Darkside haben unter dem Namen Daftside das Daft-Punk-Album RANDOM ACCESS MEMORIES remixt. Was war die Motivation dafür?
Es war lediglich als Witz gedacht. Es war reine Comedy für mich. Wir haben für den Remix eine Woche gebraucht. Daft Punk waren drei Jahre oder so im Studio, um das Album aufzunehmen, und wir haben es in einer Woche remixt. (lacht)
Es gibt Leute, die sind der Meinung, euer Remix-Album wäre besser als das Original von Daft Punk.
Das ist schön zu hören, aber ich glaube, ich habe mir das Original nie angehört. Ich war damals irritiert von dieser Riesenmarketingaktion, die Daft Punk betrieben haben, die Werbetafeln, die Zeitungsanzeigen und das ganze Zeugs. Wir wollten mit dem Remix nur lustig sein. Und dann haben die Leute unseren Remix ernst genommen. Ich werde nie für einen lustigen Menschen gehalten, aus welchen Gründen auch immer. Ich kann aber ziemlich lustig sein. Schau, ich habe hier lauter kleine Tiere (hält zwei Plastik-Dinosaurier in die Kamera – Anm. d. Red). Ich spiele den ganzen Tag lang mit kleinen Tieren. Die Leute glauben, ich wäre zu ernst, das ist überhaupt nicht so.
Dieses Interview ist in der aktuellen Dezember-Ausgabe des Musikexpress erschienen. Alle Themen aus dem Heft im Überblick: