Nico & The Blue Orchids – Hof, Alter Bahnhof


Im Grunde genommen war Nico bereits fertig, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Als wir den Laden gegen 2 0 Uhr betraten, hatte Christa Paffgen aus Köln (so ihr richtiger Name) reichlich Mühe, auf dem Barhocker das Gleichgewicht zu halten. Wie der Tour-Manager, der sie im Alkoholnebel ins Hotelzimmer verfrachtete, Nico wieder auf die Beine brachte, bleibt sein Geheimnis und soll hier nicht erörtert werden. Tatsache ist, daß Nico zwei Stunden später, äußerlich völlig renoviert, mit den Blue Orchids auf der Bühne stand.

Die Vier-Mann-Band aus Manchester ging gleich richtig zur Sache und legte einen Soundteppich hin, der jedem der Anwesenden den Kopf aufkratzte: rauh, ungeschliffen, dissonant trotzdem mit Charme. Die Musik schlug Brücken weit in die Vergangenheit und mischte Rock, Rhythm ’n‘ Blues und Neugewelltes mit spielerischem Unvermögen.

Die ideale Unterlage also für Nico’s Un-Stimme, die ihren Sprechgesang düster und magisch zelebriert. Mit deutschen Zwischenansagen über ihr Zusammenspiel mit Velvet Underground {„Konnten sich damals einfach nicht daran gewöhnen, daß ich als Frau eine dominierende Rolle in der Band spielen wollte“), über Leonard Cohen (,Der wollte mich vom Fleck weg heiraten „} und Bob Dylan LDer sollte nach meiner Berechnung schon längst Präsident der USA sein“) bringt sie für die vielen jüngeren Zuhörer Ansätze eines 60er-Flairs rüber. Interpretationender Hymnen „Heroes“ von Bowie oder Nico’s Widmung an Lou Reed „Walk On The Wild Side“ trieben manchem angegrauten Hippie-Revoluzzer Tränen der Nostalgie in die Augen.

Eine faszinierende Magie geht von dieser Frau aus, die ganz in Schwarz und mit geschlossenen Augen ihre Songs zelebriert und dabei Glaubwürdigkeit und Überzeugung vermittelt. Sie strahlt eine fast klerikale Atmosphäre aus, jammert zu dem antiquierten Instrument, als beklage sie einen Toten.

Mucksmäuschenstill ist es bei diesem Part im Saal geworden, Gänsehäute kriechen hoch und niemand kann sich der mystischen Magie dieser merkwürdigen Frau entziehen. Ein dumpfer Paradiesvogel mit lange gebrochenen Flügeln, ein lebendiges Relikt einer Zeit, die an diesem Abend zwischen den Tausenden von Blättern der Rock-Lexika hervorkroch und sich noch einmal aufbäumte.