Nick Cave: „Die selbstgerechte Woke-Culture stößt mich ab“
„Ich fühle mich in Gegenwart jeglicher Ideologien unwohl, die von sich selbst behaupten, sie seien ‚die Wahrheit‘ oder ‚der eine Weg‘“, so Cave auf die Frage, ob er sich selbst als „woke“ bezeichnen würde.
Nachdem Nick Cave sich in der Vergangenheit auf seiner Website „The Red Hand Files“ bereits zu zahlreichen intimen Fan-Fragen geäußert hat, ist es nun die sogenannte Woke-Culture, die dem Musiker als Basis für seine neueste virtuelle Abhandlung diente.
Auf die Frage eines Fans, ob sich Cave selbst als „woke“ bezeichnen würde, setzte dieser zu einer weitschweifigen Antwort an, in deren Verlauf er sich entschieden von der aktuellen Jugendbewegung, die den Begriff synonym mit politischem Bewusstsein oder Wachsamkeit verwendet, abgrenzte.
„In einem Zustand der Recherche, Neutralität und Unsicherheit zu leben, fern jeglicher Dogmen und großer Überzeugungen, ist gut für das Songwriting-Business und mein Leben generell. Deshalb fühle ich mich in Gegenwart jeglicher Ideologien unwohl, die von sich selbst behaupten, sie seien ‚die Wahrheit‘ oder ‚der eine Weg‘.“
Damit beziehe sich der Australier sowohl auf einen Großteil der bekannten Religionen als auch Atheismus, „radikale, politische Zweiparteiensysteme und sämtliche Strukturen, die Woke-Culture eingeschlossen, die ihre Energie aus einem selbstgerechten Glauben und der Unterdrückung gegensätzlicher Systeme ziehen.“
Dieser „Mangel an Bescheidenheit und die paternalistische und dogmatische Überzeugtheit vom eigenen Denken“ stoße Cave ab und mache all jene wohlwollenden Absichten zunichte, die vielen dieser Bewegungen zugrunde lägen. Tatsächliche habe der Musiker gegen starke Meinungen an sich ebenso wenig einzuwenden, wie gegen die Wut, die viele Menschen aktuell im Angesicht des Zustands unserer Welt fühlten.
„Überzeugung und Wut können der mächtigste Ausdruck universeller Liebe sein“, so der Musiker auf seiner Website. Statt sich dogmatisch auf eine Seite zu schlagen, solle man sich jedoch lieber dem offenen Diskurs zuwenden und empfänglich für andere Meinungen und Empfindungen sein.
Bei Caves neuestem Kommentar handelt es sich um keine Ausnahme. So befindet sich der Sänger gerade auf seiner großen „Conversations“-Tour, die nicht nur zahlreiche musikalische Einlagen zu bieten hat, sondern außerdem in Form individueller Q&A-Diskussionen als eine Art „Konnektivitäts-Übung“ dienen soll. Dabei hat er sich bereits zu zahlreichen Themen wie seinem „Gladiator 2“-Skript, seinen Hunden und dem Tod seines Sohnes geäußert.
Auch sonst hat der Sänger seit Veröffentlichung seines 2016 erschienenen Albums SKELETON TREE nur wenige traditionelle Interviews gegeben und sich stattdessen vor allem den „The Red Hand Files“ gewidmet. So äußerte er sich dort erstaunlich offen zu zahlreichen sensiblen Themen wie der MeToo-Bewegung, Moral in der Rockszene sowie dem Israel-Boykott.
Caves aktuelles Album GHOSTEEN erschien im Oktober 2019 und erhielt von uns sechs von sechs Sternen und die Auszeichnung „Album der Woche“.