Nick Cave and The Bad Seeds
Was machen die Bad Seeds ohne Blixa Bargeld im Flugzeughangar? Doch nicht etwa den alten Zeiten nachhängen? Uh-oh ...
Wenn, was eigentlich als familiäres Open Air vor der klassischen Kulisse der Berliner Museumsinsel angekündigt war, stattdessen in eine Halle verlegt wird, in der man auch mühelos eine Boeing 747 verstecken könnte, dann sind das ganz schlechte Vorzeichen für ein Konzert von Nick Cave. Und dass Blixa Bargeld nicht mehr bei den Bad Seeds Gitarre spielt, stimmt auch nicht hoffnungsfroh.
Im schwarzen Anzug kommt der Meister auf die Bühne geschwebt, die Arme ausgebreitet zur patentierten „Wahrlich, ich sage euch!“-Geste. Gelassen tupft er „Wonderful Life“ aufs Piano, während sich hinter ihm allmählich die Band gruppiert – allen voran Violonist Warren Ellis, der im Laufe des Konzertes musikalisch den Platz in der Bandmitte einnehmen wird: Wo einst Bargelds klirrende Riffs regierten, herrscht nun sämiger oder gezupfter Streicherklang. Zwar kann man das mögen, nur hemmt es ohrenscheinlich die Dynamik der Bad Seeds. Schon beim dritten Stück werden die „Halleluja, Halleluja“-Gesänge durch vereinzelte Rufe nach „Blixa! Blixa!“ gestört. Was umso berechtigter erscheint, als Cave nicht sein jüngstes Album Nocturama oder etwa The Boatman’s Call zum Mittelpunkt der Darbietung erkoren, sondern auf die ersten Seiten seines Werkverzeichnisses geblättert hat – und die „alten Sachen“ brauchen Bargeld wie Cave das Alte Testament. Im Laufe des Abends aber gewöhnt man sich an manches, an den eher müden Klang der Gruppe, an den nuscheligen Gesang, an die sparsame Lichtshow, an Ellis‘ spastische Darbietung. Es braucht seine Zeit, bis die Truppe auf Touren kommt und unmittelbar vor der Bühne begrenzte Tumulte auslösen kann – nur, um dann wieder Gas wegzunehmen und in getragenere Balladen einzubiegen. Vielleicht liegt’s am Alter: Mit wenigen Effekten weite Melodiebögen über vergiftete Liebeslieder zu spannen, das kann Cave am besten. Schwer tut er sich dafür an diesem Abend, die Glut der alten Wut wieder anzublasen – die Eighties-Underground-Hymne „The Mercy Seat“, sonst ein wilder Ritt auf dem elektrischen Stuhl, wird hier zu einem Mittagsschläfchen im Sessel verschleppt. Trotz zweier Schlagzeuger, trotz kräftiger Ruderbewegungen des Künstlers mag da kein Funke überspringen. Was am erwähnten kalten Ambiente der gigantischen Halle liegen mag, in der sich die Gäste schier verlieren. Erst ganz am Ende der Show, zur zweiten Zugabe, vermögen Cave und Bad Seeds wirklich zu elektrisieren – ausgerechnet mit einem neuen Stück, das frappierend an die alten Zeiten erinnert: Das 40-strophige „Babe I’m On Fire“, schwitzend und turbulent dahinreitend, ist gleichzeitig rauschende Reminiszenz des Alten und flammende Feier des Neuen, zehn Minuten quer durch Raum und Zeit. Ein versöhnliches Ende zwar, aber dann eben doch auch schon das Ende. Schade.
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