Kylie ist an allem schuld. Daran, daß Nick Cave den ersten Top-5-H’rt seiner Laufbahn verbuchen konnte. Daran, daß zum ersten Mal in seiner mehr als 15jährigen Karriere ein Cave-Album in die Top 10 eingestiegen ist (mit satten 100.000 verkauften Einheiten). Hätte Kylie Minogue nicht zusammen mit Nick Cave die Single ‚Where The Wild Roses Grow‘ aufgenommen und hätten die Medien aus diesem Grunde nicht beschlossen, Nick Cave mal eben zum Superstar zu küren, wäre der 39jährige Australier auch heute noch einer der Musiker, die vom Untergrund verdammt werden, weil sie zu mainstream sind und vom Mainstream nicht wahrgenommen werden, weil sie zu Underground sind. Kein Wunder, daß Nick Cave Superstar 1996 mehr Zeit mit Promo-Aktivitäten verbrachte als mit Musizieren. Und so reduzierte sich sein Live-Engagement in Deutschland denn auch auf einen einzigen Auftritt. Der aber hatte es in sich. Im August beim ‚Bizarre‘-Festival in Köln zeigten Nick Cave & The Bad Seeds, daß es egal ist, ob sie 100 oder 100.000 Platten verkaufen. Auf der Bühne ist deren Vortrag anno 1996 mindestens genauso intensiv wie er 1986 war. Wenn Cave als Entertainer im roten Hemd über die Bühne wirbelt und die Bad Seeds mal brachial, mal bluesig, mal trashig, mal verspielt lyrisch, und vor allem kitschigtheatralisch den Boden bereiten für seine immer noch morbide Weltsicht, so hat das Klasse. Natürlich war der Höhepunkt jeden Cave-Konzerts – egal ob in London oder New York – im vergangenen Jahr die Interpretation von ‚Where The Wild Roses Grow‘ und die damit verbundene Frage, die den interessierten Jugendlichen des )ahres 1996 am meisten beschäftigt hat: „Wird Kylie mit auf die Bühne kommen?“ Auch in Köln sollte sie kommen, sie kam aber nicht. Statt dessen mußte Herr Cave mit einem ungewöhnlichen Duettpartner vorlieb nehmen: Bad Seed Blixa Bargeld nahm die Opferrolle an und den geschmackvollen, breitkrempigen Hut ab. Und weil Blixa der Worte nicht mächtig war, mußte er den Text vom CD-Booklet absingen. Ein Skandal. Das wäre Kylie nicht passiert.
