New Order: 5 Fragen an: Bernard Sumner
Der Gitarrist und Sänger über seine neue Band Bad Lieutenant, "keine Ahnung" beim Popgeschichteschreiben mit Joy Division und New Order sowie das schlechte Verhältnis zum Ex-Kollegen Peter Hook.
1. Bad Lieutenant gibt es schon ein paar Jahre, jetzt erscheint das erste Album. Kannst du Idee und Antrieb hinter dieser neuen Band erklären?
„Es begann bei (Blur-Bassist) Alex James daheim. Wir kamen von einer Silvesterparty, mit einem Kumpel, einem Drummer, und jammten rum, betrunken wie wir waren. Das heißt: Alex war nicht betrunken, er trinkt ja nicht mehr. Aber ich war’s. Und weil’s so in der Luft lag, sagte ich: „Warum machen wir hier nicht was draus und nehmen was auf miteinander?“ Kaum war der Satz draußen, dachte ich: Meine Güte, was hast du da gesagt?! Zu der Zeit wollte ich nämlich eigentlich mal etwas Pause machen mit der Musik. Aber Alex ist ein alter Freund, und wir wollten was machen, primär zum Spaß. Es gab dann drei Sessions in Alex‘ Studio, aber danach packte ich das Ganze weg und sagte mir: „Wenn du das machst, dann musst du es ernsthaft angehen.“ Wenn ich Musik mache, muss ich mich total darin versenken. Die Bad-Lieutenant-Platte habe ich vor allem gemacht, weil ich musste. Weil ich irgendwie nicht aufhören kann, Musik zu machen. Ich bin ein kreativer Mensch, immer gewesen. Und das kann man nicht einfach abschalten. Dieser ganze Prozess der Kreativität – mit nichts anzufangen und dann nach ein paar Tagen, Wochen, etwas zu haben, worauf man stolz ist – macht sehr süchtig.“
2. Stimmt es, dass du deinen Bad-Lieutenant-Mitsänger und -gitarristen Jake Evans kennengelernt hast, als seine Band vor Jahren Support für New Order spielte?
„Ich habe Jake auf der Geburtstagsparty eines Freundes kennengelernt. Wir saßen alle in einem Thai-Restaurant, und da war so ein Typ mit Akustikgitarre, der für die Leute sang, und der war … na ja, ziemlich scheiße. Darüber haben wir uns ein wenig beömmelt, und irgendjemand rief: „Hey, Jake, geh du da rauf, du kannst das besser!“ Jake stand tatsächlich auf und spielte „Heart Of Gold“ von Neil Young. Ich dachte mir, verdammt, der traut sich was! Und es klang auch noch gut. Sehr, sehr gut sogar. Ein Grund, warum ich Jake bei Bad Lieutenant haben wollte, war, seiner Band Rambo And Leroy etwas Aufmerksamkeit zu verschaffen. Aber der Hauptgrund ist, dass ich ihn einfach für einen verdammt großartigen Musiker halte.
3. Deine früheren Bands – Joy Division, New Order – werden oft zu den wegweisendsten und einflussreichsten Bands aller Zeiten gezählt. Wie stehst du dazu?
„Nun … Ich will mich jetzt hier nicht selbst beweihräuchern, aber ich denke schon, dass unsere Bands eine Menge anderer Bands beeinflusst haben. Und das fühlt sich gut an, aber das war damals natürlich nicht unser Plan. Ich möchte meinen, wir haben damals aus einer sehr naiven Perspektive heraus gearbeitet. Bei Joy Division hatte ich gerade erst angefangen, Gitarre zu spielen, kurz vor unserem ersten Konzert. Ich wurde absolut ins kalte Wasser geworfen. Und ja, mit Joy Division und später den elektronischen Sachen mit New Order haben wir unseren Teil zur Neuerfindung der Popmusik beigetragen – aber so was noch mal hinzukriegen, ist echt viel verlangt. Es war immer mein Ding, vorwärts zu streben, nach vorn zu schauen,den nächsten neuen Sound zu finden. Aber das ist verdammt schwierig.“
4. Ist für dich mit Bad Lieutenant das Lebenskapitel New Order abgeschlossen?
„Hm … ich denke ja. Ich will die Gründe, warum es New Order nicht mehr gibt, nicht zu sehr vertiefen, aber grundsätzlich ist es so, dass Hooky (Peter Hook, Bassist bei Joy Division und New Order) und ich nicht miteinander auskommen. Wir kommen einfach nicht miteinander aus. Und er hat genug davon, und ich habe genug davon. Ich bin zu alt, um mir so was noch ständig anzutun. Darum arbeite ich jetzt mit Leuten, mit denen ich auskomme. Recht viel einfacher und elementarer kann ich es nicht ausdrücken.“
5. Die Veröffentlichung von Unknown Pleasures, der ersten Platte von Joy Division, ist drei Jahrzehnte her. Hättest du damals gedacht, dass du 30 Jahre später immer noch Musik machen würdest?
„Ha! Niemals! Und ich hätte auch nie gedacht, dass Unknown Pleasures so eine Wirkung haben würde. Ian (Curtis, Joy Divison-Sänger) schon. Er sagte bereits damals, das Album sei ein Klassiker, an den sich die Leute immer erinnern werden. Und wir nur so: „Was redest du denn da! Das ist grade mal unsere erste Platte!“ Nein, ich hatte absolut keine Ahnung. Als ich später „Blue Monday“ schrieb, hatte ich auch keinen Schimmer, was dieses Stück für einen tiefgreifenden Effekt haben würde. Nein, wir haben immer aus dem Unterbewussten heraus geschrieben. Wir wussten nicht, was wir da taten. Wir hockten einfach auf unseren eigenen kleinen Inseln rum, ich mit der Gitarre, Hooky mit dem Bass und Steve an den Drums, ignorierten uns gegenseitig und machten unser eigenes Ding – und am Ende kam alles zusammen. Der Plan war: kein Plan. Und ich schätze mal, das ist genau der Grund, warum ich heute noch hier bin und das immer noch mache.“