Neue Singles


Die nachweihnachtliche Saure-Gurken-Zeit macht sich besonders aui dem Single-Sektor bemerkbar: die Importe gingen in der Weihnachtspost unter, die deutschen Firmen verschnaufen erst einmal, die Ausbeute bleibt mager. Keine Sensationen, doch eine Reihe guter Singles. Ganz vorne „Lie Dieam Of A Casino Soul“, die neue Single von The Fall. Mächtiger Beat, dazu Mark E. Smiths typisches Organ. Die Band zeigt beständige Qualität, unsere Wartezeit auf ihr fünftes Album verkürzt sich ein wenig (Kamera). Die ebenfalls langlebigen und beständigen Cabaret Voltaire verpacken eine kleine und eine große Single zusammen: zwei lange Stücke, hart und düster, und zwei konträre, kurze und verspielte Songs, von denen das fröhliche „Jazz The Glass“ besonders gefällt. Gesamteindruck: sehr gut (Rough Trade). Vic Godard und seine Band Subway Sect sind auch schon Veteranen der britischen Underground-Szene. „Stamp Of A Vamp“ präsentiert Godard als charmanten Schlagersänger zur Barmusik im Stile der fünfziger lahre. Ungewöhnlich, doch sympathisch (Club Left). Dasselbe gilt auch für den Engländer Mark Beer, der im letzten Jahr mit „Pretty“ einen mächtigen Hit landete. Nachfolger ist nun „Love Dances Warm“ wo Beer seine warme Folk-Stimme lediglich zur phantasievollen Percussion-Begleitung einsetzt. Verträumt und geschmackvoll, ein Ohrwurm mit Zeitzünder (Double Dose/Rough Trade). Folk-Einflüsse finden sich auch bei der ebenfalls aus England stammenden Band Eyeless in Gaza, deren letztes Album CAUGHT IN FLUX zu den Höhepunkten des vergangenen Jahres zählt. „Others“ schließt qualitativ nahtlos an und stellt die eigentliche musikalische Mischung des Duos, das sich irgendwo zwischen Folk, Soul, Punk und ureigenen Vorstellungen bewegt, auf dem Single-Markt vor. Originell und überzeugend (Cherry Red/Intervord).

Überraschendes Debüt der bislang unbekannten Band The Distributors aufihrer3-Track-Maxi-Single. „Get Rid of These Things“ ist ein rasender Funk mit leichtem Jazz-Einschlag und einigen Free-Effekten, ungeheuer mitreißend und lebendig, dazu zwei sehr gute Sänger, die sich fetzige Duette liefern: ,LogicaI Things … Spiritual Things … Get Rid o/ these Things … Volltreffer! (Red Rhino).

Wie man sieht, haben in diesem Monat die unbekannteren Underground-Bands klar die Nase vorn. Das Establishment befindet sich scheinbar in einer Formkrise: Blue Rondo ä la Turk zum Beispiel, heiß gehandelter Tip der englischen Mode-Szene, klingt auf der 12″ „Me & Mr. Sanchez“ wie James Last nach einer Uberdosis Koffein. Humba Humba Tätärää für junge Leute von Heute (Virgin). Schon besser kommen ABC mit „Teare Are Not Enough“ (ebenfalls auf 12″). Guter Rhythmus, nervös-stickernde Funk-Gitarre, wühlender Bass. Sänger Martin Fry steigert sich im Laufe der acht Minuten mächtig in den Song hinein, übertreibt auf der B-Seite jedoch etwas mit dem Sendungsbewußtsein (Phonogram). Noch ein Newcomer mit einer 12″, diesmal Tears For Fears mit „Suff er The Children“. Das Duo versucht offensichtlich, auf der Soft-Cell-Maschine zu reiten, erinnert musikalisch aber eher an die Langeweile der Orchestral Manceuvres. DurchschnittlicherSynthi-Pop, verwechselbar (Phonogram).

Der Titel sagt alles: „Modern Love Is Automatic“ (DBS). Dasselbe gilt für „Slave To Fashion“, einerl2″der Gruppe Victims of Pleasure: wiederum sehr modern, tausendfach gehört, aber schon ein wenig ansprechender (Rialto). Sieger in diesem unsäglichen Feld der Moderne bleibt bezeichnenderweise der totgeglaubte Elektronikveteran und Sportflieger Gary Numan, der sich für „Love Needs No Disguise“ mit seiner ehemaligen Begleitband wieder vereinigte. Numans Stimme klingt hier sehr angenehm, die Band klingt knackig und doch geschmackvoll-sanft, besonders die Geige von Chris Payne gefallt (WEA/Beggare Banquet).

Nach soviel zeitgenössischem Bewußtsein kommen erst einmal The Exploited auf den PhttenteEer und spülen die Ohren heilsam durch: die Top-Band der Punks von heute bringt mit „Dead Cities“ stilgerechte Attacke und erhärtet ihren Anspruch auf den Thron der Cockney Rejects (Secret/Intercord), Vor den Cockney Rejects saßen die UK-Subs auf dem Thron der Punks, und nach fünf LPs und diversen Umsetzungen kommen die Jungs (Jungs? Alte Männer!) um Charlie Harper nun mit neuer Single auf neuem Label. „Countdown“ hat mit Punk nichts mehr zu tun, höchstens Harpers Stimme erinnert noch an vergangenen Ruhm. Auf der B-Seite dieses langsamen, an frühe Black Sabbath erinnernden Songs, gibt’s dann noch etwas Pogo-Hard-Rock (NEMS/Intercord).

Zwei enigmaüsche englische Rockstars mit neuen Singles: Kevin Rowland und seine Dexys Midnight Runners mit „Liars A To E“einer gelungenen Soul-Interpretation mit unauffälligen, aber effektvollem Geigen-Arrangement, besser als das letzte Single-Werk der Band. (Phonogram). Und Julian Cope hat mit The Teardrop Explodes schon wieder eine neue 12“ auf dem Markt, wiederum mit ausgefallener und gelungener B-Seite; „Colours Fly Away“ (Phonogram).

Zum Schluß die deutschen Produktionen. Die Berliner Frauen-Band Malaria,mittlerweile auch international bekannt, kommt auf dem belgischen Crepuscule-Label mit der neuen Single „How Do You Like My New Dog?“. Was hier anfangs etwas eintönig wirkt, entwickelt sich mit der Zeit zu einem recht eindrucksvollen Stück Musik mit prima Chor. Siluetes 61 bringen mit „Fahrt im DAF“ die erwartete DAF-Kopie/Persiflage (Tausend Augen). Auch zum Tanzen, aber weniger DAF-orientiert kommen die Family Five mit Peter Hein und Xao Seffcheque. „Bring deinen Körper auf die Party“ klingt wie vieles aus der englischen Funk Ecke, mit Schwung und Percussion. Text sollte man allerdings überhören (Schall).