Neu und gut: Whitney
Mit ihrer Band Whitney und einer musikalischen Zeitreise in die frühen 70er arbeiten zwei Ex-Smith-Westerns höchst gelungen Trennungen auf.
Die Geschichte dieser wunderbar retromanischen Band beginnt, wie sich das für einen ordentlichen Gründungsmythos gehört, in den dunkelsten Monaten des Jahres, in einer Phase der Unsicherheit und der gebrochenen Herzen. Chicago, Winter 2014, Julien Ehrlich und Max Kakacek leben frisch getrennt von ihrer Band (den Smith Westerns), von ihren Freundinnen und ihren alten Wohnungen in einem Apartment, das sie angemietet haben, um die Zukunft neu auszuloten. Wie Ehrlich am Telefon erzählt, ist es der fieseste, der längste Winter seit einer halben Ewigkeit, „a winter that kept us in the house“. Und klar, was läge da als Therapie näher, als zusammenzurücken und diese ungute Gemengelage – vor allem natürlich den Herzschmerz – in Musik zu gießen. In Stücke, die sich in die Ferne wünschen, dahin, wo sich
der Schmerz anders anfühlt, besser. „I left drinking on the city train, to spend some time on the road, then one morning I woke up in L.A., caught my breath on the coast“, singt Ehrlich in „No Woman“, einem Song, so bittersüß und zeitlos schön in seiner analog produzierten Seventies-Klangpatina und mit Ehrlichs schmeichelndem Falsett, dass man ihn getrost schon jetzt zu den Höhepunkten des Popjahres 2016 zählen darf.
Doch zurück in den harschen Winter, dem Kakacek und Ehrlich erst mit frühmorgendlichen Sessions begegnen, in denen sie sich Gitarre und Notizblock hin und her reichen, um sich dann, angefixt von den Ergebnissen, für Monate ins Songschreiben zu werfen. Richtig gut habe ihnen das getan, den Fokus auf diese neue Musik zu setzen, völlig in der Arbeit daran aufzugehen, sagt Ehrlich. Ein Jahr lang geht das so. Whitney nennen sie dabei nicht nur ihr Projekt, es ist der Name ihres Mitstreiters im Geiste, einer erdachten Figur, die ihnen dabei hilft, besser ins Songwriting zu kommen und Motive und Musik aus einer anderen, einer dritten, gemeinsamen Perspektive zu betrachten. „Was würde Whitney jetzt machen?“, hätten sie sich stets gefragt, wenn sie mal wieder feststeckten.
Für die Aufnahmen geht es schließlich, dem Fernweh folgend, nach L.A., wo die beiden im Hinterhof von Jonathan „Foxygen“ Rado ihre Zelte aufschlagen. Rado, ein guter Bekannter, hilft als Co-Produzent bei den Details, den Rest besorgen vier alte Schulfreunde an Keyboard, Gitarre, Bass und Trompete. Drei Wochen haben sie Zeit, das Material auf einen 16-Spur-Rekorder zu bannen – für Ehrlich genau die richtige Konstellation: „Nachdem wir uns ein Jahr lang mit dem Ausarbeiten der Songs beschäftigt hatten, kam es uns sehr recht, die Stücke in kurzer Zeit aufzunehmen. Es arbeitet sich besser, wenn man etwas unter Druck steht.“
Herzschmerzüberwindung im Winter, Fernweh, Zelten im Hinterhof, analoge Aufnahmen unter Zeit- und Budgetdruck: Man möchte ja nicht immer zu viel in Musik hineingeheimnissen. Und doch spiegeln sich in diesem großartigen musikalischen Neuanfang, den die beiden gleichfalls sehr poetisch mit LIGHT UPON THE LAKE überschrieben haben, nicht eben wenige Elemente dieser Entstehungsgeschichte wider. „Es stecken eine Menge Erfahrungen und ehrliche Gefühle in diesen Songs“, sagt Julien Ehrlich. „Wir wollten, dass sie einen Teil unseres Lebens, unserer Persönlichkeit abbilden. Und wir wollten, dass sie eine Menge Soul haben.“ Keine Frage, den haben sie.
Klingt wie: Townes Van Zandt, The Band, Jim Ford, Bobby Charles