Neu auf Vinyl


Country (Johnny Cash), Rockabilly (Carl Perkins) und Rock'n'Roll (Elvis Presley) erweisen sich in diesen Anfangstagen als sehr enge Verwandte, die Unterschiede zwischen diesen archaischen Spielarten sind nur sehr fein. Hier dominiert der rohe, übersteuerte "Sun Sound".

Es ist weißgott schon viel geschrieben worden über Sun Records und das zugehörige Studio in Memphis, Tennessee, dessen Besuch noch heute, nach mehr als einem halben Jahrhundert, zum Pflichtprogramm eines jeden anständigen Musikpilgers in den USA gehört. Sun Records wurde 1952 von Sam Phillips (1923-2003) gegründet und war nicht weniger als die Wiege des Rock’n’Roll. Phillips entdeckte Musiker wie Elvis Presley, Johnny Cash, Jerry Lee Lewis, Carl Perkins und Roy Orbison für sein Label, das jetzt Dank The Sun Records Story (Sun Records/Cargo) wiederentdeckt werden darf. Auf drei Doppel-LPs mit den Untertiteln Roots, Good Rockin‘ Daddies und Hits & Then Some! in einem formschönen Schuber erzählt die Box die Geschichte des Labels nach. Schön zu hören, wie auf den beiden Roots-LPs in den Boogie-Woogie-, Blues-, und Rhythm’n’Blues-Songs (Howlin‘ Wolf, Rufus Thomas, Charlie Feathers) im Nachhinein der Rock’n’Roll-Anteil ins Ohr springt, wie auf Good Rockin‘ Daddies aus Blues, Bluegrass und Country der Rockabilly entsteht, der dann, auf Hits & Then Some! dokumentiert, zum Rock’n’Roll wird. Country (Johnny Cash), Rockabilly (Carl Perkins) und Rock’n’Roll (Elvis Presley) erweisen sich in diesen Anfangstagen als sehr enge Verwandte, die Unterschiede zwischen diesen archaischen Spielarten sind nur sehr fein. Hier dominiert der rohe, übersteuerte „Sun Sound“. Die Box bietet 94 Songs auf zwölf LP-Seiten, 180-Gramm-Vinyl, ausführliche Linernotes.

1969 erregte die englische Schauspielerin Jane Birkin mit dem Duo-Album Je t’aime … moi non plus den Ärger der öffentlichen Rundfunkanstalten. Der gleichnamige Song, ein Duett mit Birkins späteren Ehemann Serge Gainsbourg, war ein von koitalem Stöhnen begleiteter Schleicher, der in einem simulierten Orgasmus endete. So sexuell befreit war man Ende der Sechziger dann doch nicht, um dieses harmlose Liedchen nicht aus den Radioplaylisten zu verbannen. Erst vier Jahre später veröffentlichte Birkin, damals 26 Jahre alt, heute eher als Mutter von Charlotte Gainsbourg bekannt, ihr erstes Soloalbum. Di Doo Dah (Light In The Attic/Cargo) entstand wieder mit Hilfe Gainsbourgs, der den Großteil der Songs schrieb, die von Jean-Claude Vannier arrangiert und von seinem Orchester eingespielt wurden. Die zwölf Lieder, waren nicht mehr ganz Chanson, und noch nicht ganz Rockmusik, sondern eher einem zwischenmusikweltlichem Zeitgeist verpflichtet. Birkins dünne Stimme ist natürlich eine Sensation. 180-Gramm-Vinyl, Klappcover, Liner Notes mit einem aktuellen Interview der Sängerin und Schauspielerin.

Ein Kapitel im großartigen Buch „Die geile Mucke der Elenden“ (Zitat: Heinrich Dubel) darf endlich fortgeschrieben werden. Gary Wilson (57), musikalischer Experimentator aus New York mit prominenten Fans (Beck, Questlove, Matt Groening) hat nach You Think You Really Know Me (1977) und Mary Had Brown Hair (2004) sein drittes Album veröffentlicht – macht durchschnittlich alle elf Jahre eine neue Platte, daran sollte sich Omar Rodriguez Lopez mal ein Beispiel nehmen. Electric Endicott (Western Vinyl/Cargo) hat wieder diese komische Mischung aus gebremsten Electro-Funk, jazzigen Ausflügen und Musique-Concrète-Elementen.

Wahrscheinlich hat sich James Murphy sein Exemplar schon bei „Other Music“ unten in der 4th Street geholt: Niagara (MIG/Intergroove), das afro-beatige Debütalbum aus dem Jahr 1971 des Percussionensembles Niagara um Klaus Weiss gibt es jetzt wieder auf Vinyl im Klappcover. Die Neuauflage dieses Albums, einem der wenigen mit Beteiligung Udo Lindenbergs, das man ohne rot zu werden ins Regal stellen darf, wird demnächst wahrscheinlich genauso rar sein wie die lange gestrichene Erstpressung. Die Bedeutung des Begriffs Sexismus (siehe Coverfoto) scheint anno 1971 indes noch weitgehend unbekannt gewesen zu sein.

Weitere Neuerscheinungen:

ABBA – The Vinyl Collection (9 LPs)

anbb – Mimikry

The Black Box Revelation – High On A Wire (12″)

Black Strobe – Me & Madonna (12″)

Cake – Showroom Of Compassion

Cake – Sick Of You (12″)

Diverse – Ostgut Fünf (7 LPs)

DJ Krush – Zen (2 LPs)

Duffy – Well Well Well (7″)

The Coral – Butterfly House

The Hundred In The Hands – Commotion (12″)

Sophie Hunger – Monday’s Ghost (2 LPs)

Lightspeed Champion – Bye Bye (12″)

Lukid – Chord (3 LPs)

Motörhead – The World Is Yours

Mott The Hoople – Live In Sweden 1971

Niagara – Niagara

Bruce Springsteen – The Promise (3 LPs)

Magda – From The Fallen Page

Uffie – Difficult (12″)