Nena


Voller Schadenfreude ziehen sie derzeit über unser Goldkind her, die schreibenden Nihilisten der Branche, und das dritte Album der Nenas, Feuer Und Flamme, erlischt bereits in den mittleren Rängen der Charts. Die Single-Auskopplungen motten sich ganz unten ein und die groß angelegte Tournee gedieh bisher zur mittleren Katastrophe. „Wegen miserabler Plakatierung“, so die offizielle Version, mußten die Nenas, in kleinere Hallen umbuchen und in Skandinavien fast alle Gigs platzen lassen. Ein böser Onkel vom „Spiegel“ titulierte Nena gar schon als „Absteiger des Jahres“.

Vorschnell, denn wer sich trotz allem hämischen Grinsens in eines ihrer Konzerte wagt, kann feststellen, daß die Nenas immer noch zu den besseren Kapellen in diesem Lande zu zählen sind. Und zur Überraschung, aber ganz im Sinne der Band, scheint sich das Nena-Publikum bereits wieder zu verändern. Strömten bei ihrer letzten Tournee vor allem Fünf- bis Zehnjährige gleich im Klassensatz in die Hallen, um der Tochter der Nation zu huldigen, so kamen diesmal auch Ältere, brave Bäckerstöchter ebenso wie schicke Punks und überraschend viele aus der großen Musikerfamilie und

das nicht nur aus Pflichtbewußtsein, wie Heino, der Wahre, versicherte. Einige kamen wohl auch wegen Karo, einer neuen Berliner Band, die in Morgenrot-Tradition mit Hard-Rock die Wartezeit verkürzte.

Kurz vor neun springt endlich unsere Orchidee auf die Bühne, leger mit schwarzer Lederhose und weißem Flohmarkthemd bekleidet, gibt einigen in der ersten Reihe freundlich die Hand und fängt an zu singen. Zu hören ist nicht viel von ihr- und so flucht sie mit dünner Stimme in ihr Mikrofon. Voluminös, trotz intensiven Gesangsunterrichts, wird ihre Stimme auch morgen nicht sein, aber diesmal lag’s wirklich an der Technik.

Doch der Schaden ist schnell behoben – und so trällert sie bald wie eh und je, verstärkt von den Profis Brenda White und Norma Jean, die man auch schon bei Mick Jagger und Stevie Wonder hören konnte. Uwe Fahrenkrog-Petersen, in buntschillerndes Seidentuch gehüllt, verschanzt sich hinter seine mit Spiegelglas verzierten Giganto-Synthis, während sein Bruder, der Lutz, sich sichtbar freut, in trautem Kreise die zweite Gitarre, Kongas und ein Schlagzeug zu bedienen. Carlos Karges, der sich immer noch so benimmt, als wäre er im Übungsraum, hüpft mit Rolf Brendel auf die Boxentürme; er ist ja auch ein wenig klein.

Die Nenas sind rockiger geworden und erweitern ihre auf dem Album harmlos-nett produzierten Melodien live um recht fetzige Varianten. Nena, stimmlich reifer oder gebremster, wie man will, joggt unaufhörlich über die Bühne, gönnt sich nur einmal eine kleine Rast, um sich ganz allein ans Piano zu wagen und sich bei einem wunderschönen Liedchen selbst zu begleiten. Wenn auch sonst niemand so richtig ins Schwitzen kam, da wurde allen warm ums Herz.

Daß dieser Abend doch noch zu einem Ereignis wurde, lag an diesem grandiosen Saxofonisten Luis Cortelezzi, der einst Mink DeVille untermalte, und an der von Jürgen Dorbert kreierten Light-Show, die wirklich einmalig ist. Versenkbare Lichtorgeln tauchen die Bühne in feurige Flammen und kalte Neonströme, hunderte von Punktstrahlern jagen durch die Halle. Ein visuelles Meisterwerk.

Die Zuschauer danken eifrig und der kleine graue Herr dort links in den etwas lichten Reihen kann wieder gelassen sein Pfeifchen schmauchen, als seine Zöglinge eine weitere Zugabe geben müssen.