Neil Young und Jim Jarmusch über die gemeinsame Arbeit an ‚Dead Man‘


Neil, was hat dich am Film ‚Dead Man‘ am meisten fasziniert?

Neil Young: Der Dialog. Er ist sehr, sehr poetisch, fast wie ein Songtext. Und natürlich die Geschichte insgesamt. Der Indianer, der Dichter, der das Ende einer Liebesgeschichte erlebt, die Flucht — das alles hat für mich zusammengepaßt wie ein einziger großer Song, und der Text war schon fertig — für den Score brauchte ich einen neuen Song gar nicht erst zu schreiben.

Jim, warum wolltest du, daß ausgerechnet Neil Young die Musik für den Film schreibt?

Jim Jarmusch: Neils Gitarrensound und der Sound von Crazy Horse haben mir schon immer gefallen. Neils Musik reißt mich mit, sie löst Visionen bei mir aus. Sie hat eine magische Qualität, die mich an einen anderen Ort entführt. Und das hat einfach gut zu ‚Dead Man‘ gepaßt.

Wie entstand die Musik zu ‚Dead Man‘?

Neil Young: Ich habe eine Rohfassung des Films gesehen und war begeistert davon. Ich wollte unbedingt ein Teil des Films sein. Irgendwann saß ich dann in einem Studio mit jeder Menge Fernsehgeräten voll mit flackernden Bildern. Aus riesigen Lautsprechern dröhnte die Tonspur des Films und ich stand in der Mitte mit meinem Equipment — Klavier, Orgel, Gitarre, Verstärker und der ganze Kram. Es war wie in den alten Tagen des Stummfilms, als ein Ktavierspieler im Kino saß und die Filme begleitete — eine Art Live-Soundtrack, bei dem zu zusiehst und zuhörst. Das wollte ich erreichen. Zwei musikalische Themen sind mir dabei durch den Kopf gegangen, an ein paar Stellen wollte ich mehrere Instrumente einspfelen, und außerdem hatte ich mir Notizen zum Script gemacht. Dann habe ich einfach losgelegt. Nach zwei Stunden und 20 Minuten hatte ich den ersten Take im Kasten.

Jim, Iggy Pop spielt eine kleine Rolle in ‚Dead Man‘. Hast Du daran gedacht, daß auch Neil eine Rolle spielen könnte?

Jim Jarmusch: Ich hatte darüber nachgedacht, denn musikalische Intuition, wie Neil sie hat, ist eine Gabe, die auch für einen Schauspieler sehr wichtig sein kann.

Was hältst Du von der Idee, Neil?

Jim Jarmusch: Da mußt du schon seinen Agenten fragen…

Neil Young: …genau, sprich mit Bernie Vapor oder Vinnie Vapor, oder von mir aus auch mit Jimmy Vapor (lacht). Jetzt mal im Ernst: Ich habe ja schon in ein paar Filmen kleinere Rollen übernommen. Es kommt ja nicht nur auf die Rolle an sondern vor allem auch darauf, was Du dann mit der Rolle anstellst. Und das hat meiner Meinung nach nichts damit zu tun, ob du Profi-Schauspieler bist oder nicht. Solange man sich vorstellen kann, an einem bestimmten Ort zu sein und sich in seine Rolle hineinversetzt, dann kann man auch schauspielern. Und ich glaube, daß ich das kann.

Könnt ihr euch vorstellen, daß die Grenzen im Kino zwischen „Alternative“ und „Mainstream“ ähnlich verwischen, wie es ja in der Musik bereits geschehen ist?

Jim Jarmusch: Vermutlich wird es auch im Kino so weit kommen. Denn im Grunde sind Begriffe wie „Alternative“ und „Mainstream“ nur Labels, und sobald man einer Sache einen Stempel aufdrückt, interessieren sich bekanntlich alle möglichen Leute dafür. Der nächste Schritt ist dann die Vermarktung. So läuft das doch immer.

Neil Young: Ich sage nur: Woodstock. Danach hieß es auch auf einmal: ‚Wow, guck dir mal die vielen potentiellen Käufer an‘.

Jim Jarmusch: Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob Gegenkulturen heutzutage überhaupt funktionieren können —- höchstens im Kopf.