Neil Young
Na so was: Der alte Widerborst Neil Young hat die Protestfolk-Oper erfunden.
„Das kann nur Neil Young„, strahlt Dr. Hanpit in der Pause. „90 Minuten neue Songs spielen und keiner schimpft. „Ja, und es könnten sich auch nur wenige erlauben, 80 bis 130 Euro Eintritt für einen Solo Acoustic Gig zu nehmen und dann statt der für solche Veranstaltungen üblichen Hits-Parade mal eben das neue, noch unveröffentlichte Konzept-Album aufzutischen. Aber der Neil kann. Schlurft auf die mit Flügel, Saloon-Piano, Harmonium und Akustikgitarren vollgestellte Bühne. Setzt sich auf einen Hocker neben Utensilien-Tischchen, hallo erstmal, und fangt an zu erzählen: Von Greendale, der fiktiven Kleinstadt, wo die Greens leben, Earl, Edith und Tochter Sun und Grandpa. Anhand der Geschichten dieses sich wie in einem Robert-Altman-Film stets erweiternden Ensembles – zwischen den Songs führt er die Handlung plaudernd weiter – zieht Young sein ganz eigenes Panorama des „American Life“ auf: Familie, Freund- und Feindschaften, die Mythen der Alten, Coming-of-Age, Mordballade, Sozialkritik, Medienschelte, Öko-Botschaft – der alte Widerborst scheint doch tatsächlich die Storytelling-Protest-Folk-Oper erfunden zu haben. „Für mich ist das neu, Songs zu haben mit Figuren, die sich weiterentwickeln“, erklärt er einmal, es erinnere ihn an seinen Vater, der Bücher schrieb. Weil Young einer ist, der mit dem Herzen denkt, ist er dabei nicht vor Plattitüden gefeit, ein paarmal driftet er ein bisschen ins „Tommy“-ige ab. Und ja, gut möglich, dass Greendale, die Platte (im August) eine verquaste Chose sein wird, die man zugunsten früher Werke im Schrank belässt. Heute aber, aus dem Munde des Geschichtenonkels selbst, funkioniert sie schon. Die Philharmonie hängt – 100 Ocken hin, keine Hits her – an Youngs Lippen. Wohl auch, weil sich keiner entsinnen kann, wann man das mal hatte: dass eine veritable Legende sich hinsetzt, alleine, nackt schier, dazu mit einem Konzept, das potenziell auch scheitern könnte: Hier, das sind meine neuen Lieder. Selten war in so einem großen Rahmen soviel wirkliche Intimität.
„We love the new songs, Neil“, ruft einer nach der Pause. „Thankya“, knarzt der und singt dann doch noch ein paar Klassiker. „Lotta Love“, „Expecting To Fly“, „Old Man“, „Don’t Let It Bring You Down“, „War Of Men“, die Öko-bewegten „After The Goldrush“ und „Mother Earth“. Und als Zugabe, weil alle so schön zugehört haben, das selten gespielte „Heart Of Gold“. Damit hat Young dann das Spektrum von „verschroben“ bis „populistisch“ ausgereizt. Und den Sack zugemacht. Ein Held halt.
>>> www.neilyoung.com
Und? Wie war’s?
Die 83 Euro waren’s wert, wenn auch nicht wirklich gerechtfertigt. Nein, ich wusste das mit dem Konzeptalbum nicht. Aber war toll. War mein erstes Young-Konzert.
Alexander, 21, Student
Super, wär nur gut gewesen, zu wissen, dass erst 90 Minuten Neues kommt. Leider hat er „Like A Hurricane“ nicht gespielt, dafür das zweitbeste: „Don’t Let It Bring You Down“
Gerhard, 22, Student
Ich bin seit Jahren Fan. Bin extra aus Erfurt hergefahren. Ein bisschen langatmig war’s schon. Wäre schon gewesen, wenn er ein paar mehr bekannte Songs einspielt hätte.
Diana, 30, Krankenschwester