„NDW Ade?“
Zwesche BAP, Westernhagen und Grönemeyer passt immerhin eine ganze Welle.
Der Begriff „Neue Deutsche Welle“ bezieht sich in der heutigen Wahrnehmung vor allem auf deren kommerzielle, infatile Schlagerauswüchse zu ihrem Ende 1983/1984. Der ME, der bereits die ersten Veröffentlichungen von Bands wie Fehlfarben und DAF neugierig und begeistert begleitetet hatte, aber auch nicht vor hohe Kritikerwertungen für Markus und Nena zurückschreckt, fragt allerdings schon im Januar 1982: „Neue Welle ade?“. Weil: „Die Spitze der Erneuerung läuft Gefahr, stumpf zu werden -falls sie es nicht schon ist“.
Sie ist es, keine Frage. Die besten Platten der NDW sind bereits erschienen. Beim MUSIK-EXPRESS versucht man dennoch, ein positives Fazit zu ziehen:
„Zweifelsfrei bleibt die Tatsache, dass die BRD eine eigenständige und selbstbewusste Popmusik entwickelt hat, die noch vor fünf Jahren völlig undenkbar war.“ Drüber nun wiederum die Überschrift „Die NDW geht weiter: Es geht voran“ (3/83). Obwohl Frank Bornemann, Kopf der angezählten Hannoveraner Artrock-Gruppe Eloy, interveniert: „Die NDW ist ein vorübergebendes Phänomen, das bald wieder verschwunden sein wird. Es mutet oft wie ein schlechtes Stück Politik an: Durch die Überbetonimg des ,Deutschen‘ haben wir uns nachhaltig aus der internationalen Konkurrenz herausmanövriert. Auf Dauer haben wir wieder den Krautrock-Stempel weg. Ein Eigentor bester Prägung.“
Das scheint er zu irren. Chris Bohn, „Deutschlandexperte“ des britischen NME, erklärt im Oktober 1982 im ME: „Das letzte, was die Leute wollen, sind zaghafte Imitationen dessen, was sie längst kennen und wo ein Unterschied allenfalls in der Sprache existiert.“ Heißt: DAF, Palais Schaumburg, Trio könnten auch im Ausland Chancen haben, Untergrundbands wie die Einstürzenden Neubauten oder Der Plan entsprechend kleinere – den Rest: braucht dort niemand. Aber wie gesagt: Kurze Zeit später hat sich der ganze Deutschpopspaß ohnehin erledigt. Es bleibt außer einem Riesenkater nur ein wenig Spaßpunk von Hosen und Ärzten, die immer mal wieder im ME vorbeischauen dürfen. Ansonsten hält sich die Redaktion an BAP, seit den frühen 80ern die erklärten Lieblingen der Leser. Er spricht mit ihnen über dies und das und so ziemlich alles, reist mit ihnen nach China und Brüssel und bis ans Ende der Welt, wenn es sein darf. Weitere regelmäßige Gesprächspartner: Western hagen, Kunze, Grönemeyer. Eben jener Grönemeyer rückt rechtzeitig vor Jahrzehnt-Ende in einem kritischen ME-Interview (2/98) die Verhältnisse im Deutschpop zurecht. Er tritt Tourveranstaltern in den Hintern, verdammt die Vorurteile von Labels und Medien gegenüber Neuem wie auch die Profilkämpfe unter Musikern und geißelt die „verlogene Linke“. War er vielleicht sogar der heimliche Gründungsheilige der „Hamburger Schule“? … Pardon, welcher Schule? Halt mal, dafür ist es einfach noch zu früh: Der ME träumt gerade zu den Radiopopongs der Rainbirds. Die helfen gegen Kater.