NCT Hollywood: Kann man das System K-Pop exportieren?


Die koreanische Produktionsfirma SM Entertainment startet mit der MGM Worldwide Television Group ein Casting in Amerika, um eine neue Boygroup zusammenzustellen. Diese soll aus US-amerikanischen Mitgliedern bestehen, die dann in Korea „ausgebildet“ werden. Kann das gutgehen? Einige Beispiele aus der Vergangenheit zeigen: wird schwierig.

In der Entertainment-Industrie herrscht Goldgräber-Stimmung, wenn es um K-Pop geht. Zwar war das Phänomen schon lange international, was vor allem an den auf der ganzen Welt verstreuten, kauffreudigen und online sehr aktiven Fans lag. Es brauchte aber noch die Erfolge von BTS und Blackpink, die weit über die K-Pop-Bubble hinauswirkten, damit auch der Rest der Welt bemerkte, wie groß dieses Business wirklich ist. Und wie tight aufgestellt diese großen koreanischen Produktionsfirmen sind – sei es bei der Produktion, bei der Vermarktung und vor allem bei der Verbindung zwischen TV-Entertainment und Musik.

In den vergangenen Monaten sah man deshalb einige spannende Kooperationen: HYBE, die hinter BTS stehen, planen zum Beispiel eine millionenschwere, strategische Partnerschaft mit Universal. Wenig später kündigten die Koreaner von CJ ENM eine Casting-Show mit HBO Max an, die lateinamerikanische Idols finden will. Da will die Konkurrenz natürlich nicht hintenanstehen und so wagt SM Entertainment – eine der mittlerweile vier größten K-Pop-Produktionsfirmen – ein spannendes, aber nicht unproblematisches Konzept: Mit der amerikanischen TV-Produktionsfirma MGM Worldwide Television Group startet SM ein neues Casting-Konzept.

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MGM, denen wir zum Beispiel die Show „The Voice“ zu verdanken haben, wollen mit SM Entertainment junge amerikanische Männer beziehungsweise Jungs im Alter von 13 bis 25 Jahren casten, um einen neuen Ableger der SM-Bandfamilie NCT zu gründen. Die Teilnehmer werden dann in L.A. gecastet und später in Seoul, von Kamerateams begleitet, jene berühmt-berüchtigte Ausbildung in Gesang und Tanz erfahren, die selbst K-Pop Idols manchmal „Bootcamp“ nennen. Die Jury wird aus SM-Chef Lee Soo-man und diversen Idols der NCT-Familie bestehen.

Dazu muss man wissen: NCT ist eine Art Bandkonzept von SM Entertainment, in der – Stand jetzt – 23 aktive Mitglieder sind. Diese verteilen sich oder rotieren zwischen verschiedenen Bandeinheiten, wie NCT 127 (mit allen in Seoul lebenden Idols, die Stadt liegt auf dem 127. Längengrad), NCT Dream (die Teenager-Abteilung), NCT U (die Hier-kann-jeder-mal-mitmachen-Truppe) oder auch – jetzt wird es kompliziert – WavV (die für den chinesischen Markt vorgesehen sind). Wie viel Manpower da zusammenkommt, sieht man auf dem Foto über dem Artikel und im Video zum großen NCT-Single-Mash-Up „Resonance“, für das SM die komplette NCT-Mannschaft antreten ließ.

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Nun also bald: NCT Hollywood, für die Lee Soo-man „die talentiertesten unter den jungen Künstlern Amerikas ” finden will. In seinem offiziellen Statement heißt es: „Ich freue mich darauf, eine unkonventionelle Audition-Show für Musikfans auf der ganzen Welt zu machen. Ich hoffe, das Publikum wird Spaß daran haben, diese neuen Stars auf einer Reise zu begleiten, die in Hollywood ihren Anfang nimmt und sie dann auf den globalen Markt führt, wo sie als NCT Hollywood promoted werden.“ Mark Burnett, Vorstandsmitglied von MGM Television frohlockt derweil: „K-Pop ist mehr als ein Musikgenre, es ist ein kulturelles Phänomen und wir sind begeistert, dass wir mit dem unglaublichen Lee Soo-man und dem Team von SM, K-Pop in die USA bringen können!“

Vorwurf: kulturelle Aneignung

Mit diesem Statement ist MGM dann aber auch schon direkt an dem Punkt, an dem es problematisch wird. K-Pop ist nämlich wirklich ein „kulturelles Phänomen“, und zwar eines, das in dieser Form wohl eben nur in Korea entstehen konnte. Schon das Ausbildungssystem, das die Idols durchlaufen, muss immer vor dem Hintergrund der koreanischen Arbeitsmentalität gesehen werden und dürfte nur schwer mit amerikanischen Maßstäben zu synchronisieren sein. Dieses Idol-System, das man eher mit dem Profisport als mit der Popakademie vergleichen kann, ist ein Garant dafür ist, dass K-Pop in Sachen Tanz und Performance in einer eigenen Liga spielt. Bei all der berichtigen Kritik an dem „Drill“ und dem Drang nach Reformen und Verbesserungen, ist es eben aber auch die harte Arbeit, die die Fans wertschätzen. Auch die Sprache, der Style, die Referenzen, die Mode dieser Musik sind nicht immer nur koreanisch, aber zumindest mal asiatisch geprägt, völlig egal, ob sie sich munter mit US-amerikanischen und englischen Einflüssen vermischen.

Wie soll man das mit US-Boys nachbauen, ohne dass man „cultural appropriation“ betreibt? Indem man nur Asian Americas castet, was ja in dem Statement nicht so klingt? Oder glauben die Beteiligten, es reiche den Fans, wenn die K-Pop-Größen aus Korea den Prozess anleiten? Die ersten Reaktionen der Fans lassen eher das Gegenteil erahnen. Viele wütende NCT-Fans, die eh schon finden, dass ihre Lieblings-NCT-Idols zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, etablierten bei Twitter den Hashtag #Cancel_NCT_Hollywood. Die YouTuber Danny Kim und David Kim, die auf ihrem Channel „DKDKTV“ regelmäßig sehr amüsant und kompetent die Neuigkeiten aus der K-Pop-Welt besprechen, haben die Vorbehalte und Probleme gut zusammengefasst:

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Tatsächlich zeigen die bisherigen Beispiele eher, wie man es nicht macht. Schon Simon Cowell bekam die Wut der K-Pop-Fans zu spüren, als er sein neues Format „X-Factor: The Band“ mit den Worten bewarb: „Right now, K-Pop you could argue, is ruling the world. Now it’s time for UK-Pop.“

Cowell, der viele der Boygroups, die er uns in seiner A&R- und Casting-Show-Karriere eingebrockt hat, längst in Sachen Erfolg überstrahlt, meint also, er könne mit einer einzigen Show auf dem gleichen Level abliefern wie koreanische Talents, die Jahre auf ihre Karriere hingearbeitet haben. Noch härter traf es Kaachi, die als „Londons first K-Pop girl group“ vermarktet wurden. Zwar steht ihr Video zur Debütsingle „Your Turn“ bei beachtlichen 13 Millionen Views, wer aber in die Kommentare schaut, merkt schnell, dass die meisten davon „Hate Views“ sein dürften.

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Von den vier Frauen hat nur eine einen koreanischen Background, was dem Vorwurf der kulturellen Aneignung Raum gibt. Außerdem hielten es viele Fans schlichtweg für anmaßend, ihre Musik und ihre Performance mit K-Pop zu vergleichen. Was sich vor allem auf die eher durchschnittliche Qualität bezieht und das Fehlen der Idol-Ausbildung. Die YouTube-Kommentare aber auch viele Tweets sprechen da eine deutliche Sprache.

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Wie man all diese Klippen bei NCT Hollywood umschiffen will, dürfte also die Schlüsselfrage dieses Projekts werden. Nicht nur für die Millionen K-Pop-Fans, sondern auch für all die anderen internationalen Medienkonzerne, die an K-Pop mitverdienen wollen und dabei aus kultureller Ignoranz oft übersehen, dass hinter dem Phänomen eben jahrelange, harte Arbeit und Kulturgeschichte steckt und nicht bloß ein Hype.

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