Mr.Tagesschau ist ein Jazzer. Die Liebe zur Musik teilt er mit einem bekannten Entertainer. Götz Alsmann trifft Jan Hofer.
Die Herren kennen sich schon?
Hofer: Ja. Wir fahren gelegentlich Zug zusammen.
Alsmann: Wie war das neulich? Du bist in Richtung Süden gefahren, und ich bin zugestiegen. Ja, wir sind alte Bahnfahrer.
Hofer: Ich tue das äußerst ungern. Ich bin nämlich kürzlich in den Zug nach Dresden gestiegen, und wen treffe ich? Günther Emmerlich. Ich sage:“Günther, hallo!“ Der hatte schon das erste Budweiser vor sich stehen: „Alter paß‘ mal auf, das hier ist ein tschechisches Weißbier, wunderbar hier, Budweiser.“ Also habe ich auch ein Budweiser genommen, und dann sagt er: Jetzt müssen wir einen Becher Wodka trinken.“ Karlsbader Bitterbächer, 46 Prozent. Ich bin auf allen Vieren aus dem Zug rausgekrochen. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich aus dem Zug raus bin, so besoffen war ich. Ich habe sogar meine Fahrkarte verloren.
Zum ernsten Teil. Herr Hofer, wie gefällt Ihnen die neue Platte von Götz Alsmann?
Hofer: Ich finde das klasse! Ich finde es einfach unglaublich, daß heutzutage noch jemand ins Studio geht, um eine Live-CD aufzunehmen. Mit Musikern, die richtig spielen können und einem Arrangeur, der richtig arrangieren kann. Und die dazu noch eine Musik aufnehmen, die zu meinen Favourites gehört. Das ist toll. Besonders, wenn man sieht, was heute an gesampeltem Mist auf den Plattenteller kommt. Sicher, das eine oder andere hat durchaus seine Berechtigung. Aber die Entwicklung geht dahin.daß keine Musik mehr gemacht wird. Das finde ich grauenhaft. Die Leute merken gar nicht, daß die gesampelte Musik irgendwo herkommen muß.
Was macht Jan Hofer, um gute Musik ins Fernsehen zu kriegen?
Hofer: Das ist sehr schwer. Meine Talkshow in Dresden wird pro Sendung mit einem Musikact besetzt. Was ich da schon gepredigt oder angeboten habe! Aber die Reaktionen sind immer „Ach die kennt doch keiner“. Worauf ich dann feststelle, daß wieder irgendein Schlager- oder volkstümlicher Heini gnadenlos Eingang findet – aus welchen Gründen auch immer. Natürlich spielen da auch die Quoten eine Rolle.
Alsmann: Aber man muß auch sagen, daß Du ein verdienter Mann bist mit Deinen „Swing-Raritäten“. Solche Sendungen sprechen natürlich nicht Millionen an. Warum die Leute Schlager gucken ist doch liar. Die Menschen gehen nämlich nicht mehr in die Plattenläden, sondern ziehen sich die Sachen per Fernsehen rein.
Hofer: Was den Deutschen Schlager betrifft, erleben wir ja wirklich eine Renaissance. Irgendwie finde ich diese Entwicklung schon wieder klasse. Nicht, weil ich den Deutschen Schlager mit seinen schlichten Melodien und Texten so toll finde, sondern weil wir nach fünfzig Jahren begriffen haben, daß es die deutsche Sprache gibt. Wir haben eine sehr schöne Sprache, aber es war einfach nicht trendy, auf deutsch zu singen. Leute wie Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn haben das für junge Leute wieder attraktiv gemacht. Und vielleicht entwickelt sich daraus wieder eine Art Subkultur.
Alsmann: Der Begriff Schlager wurde in den fünfziger Jahren viel weitläufiger benutzt, nämlich als eine Form deutschsprachiger Unterhaltungsmusik. Deshalb sage ich: Gehen wir mit dem Begriff doch viel offensiver um, machen wir kein 70er-Jahre-Revival daraus, wie Horn und Kuhn. Benutzen wir den Begriff einfach für deutschsprachige Popmusik, fertig. Es ist wahrlich schade, daß wir eine große Kunstform haben, die wir unseren meistgehaßten Interpreten vollkommen kampflos überlassen.
Kennen Sie neuere Bands, die sich der deutschen Sprache bedienen?
Hofer: Also, Rosenstolz kenne ich ganz gut. Leider habe ich da auch wieder ein Problem. Sobald die Leute Anfangserfolge haben, glauben sie, sie müßten plötzlich Botschaften vermitteln. Klaus Lage ist so, Kunze ist so. Alle werden sie zu Botschaftern. Sie vergessen, daß sie einfach nur Unterhaltung machen und Erfolg dabei haben sollen.
Alsmann: Mein Problem ist, daß ich mich nicht für Rock interessiere. Ich liebe Rock’n‘ Roll, und ich hasse Mainstream-Rock, wie man ihn bei Radiosendern hört, die die ganze stilistische Bandbreite zwischen Phil Collins und Genesis bedienen. Das ist sehr schade, denn die internationale Popmusik hat mehr zu bieten als das, was uns derzeit vorgesetzt wird. Dankbar bin ich für die moderne Entwicklung der Musik. Ich stehe in völligem Frieden mit dem Einsatz technischer Mittel. Die einzig aktuelle Musik ist eben die moderne Tanzmusik – von HipHop bis Techno. Alles andere ist Revival, egal ob Nirvana ein Led Zeppelin-Revival anführt oder ob ich beim Tag der offenen Tür des Autohauses Schniebucker eine Dixielandband höre. Seitdem nicht mehr der gesungene Sozialkundeaufsatz gereimt wird, gefallen mir auch bestimmte deutsche Hip-Hop-Sachen, weil da einige wirklich humorvolle Wortakrobaten am Werk sind.
Hofer: Du erinnerst mich jetzt an mein riesiges Problem. Ich frage mich manchmal, wo ich heutzutage noch gut unterhalten werde. Nehmen wir doch mal das Fernsehen: Dort werde ich mit volkstümlicher Musik ohne Ende zugemüllt. Oder das Radio. Dort muß ich diesen Adult Mainstream ertragen. Ich muß sagen, daß ich immer häufiger Klassikradio höre.
Alsmann: Man wird Opfer dieser Mainstreamisierung oder Computerriesierung des Programms. Und derzeit sehe ich keine Option, diese Entwicklung zu umgehen. Wenn mal eine unbekannte Band eine neue Platte rausbringt, dann wird sie in Spezialitäten-Sendungen à la „Bitte jetzt weghören“ abgehalftert. So eine Institution für neue, interessante Popmusik wie der legendäre John Peel in England ist bei uns leider völlig undenkbar.
Wie haben Sie als Musikfreaks den Wechsel vom Vinyl hin zur CD verkraftet, und wieviele Platten besitzen Sie?
Alsmann: Der Wechsel war sehr schwer für mich. Ich bin kein Nostalgiker, aber diese Geschichte, daß ich so eine CD in den Toaster stecke und dann Musik herauskommt, beschäftigt mich schon lange. Ich habe um die zehntausend Platten daheim und kaufe nach wie vor lieber Vinylfabrikate als CDs.
Hofer: Ich habe drei- bis viertausend Platten bei mir herumliegen. Jede Menge Singles, von denen ich mich nicht trennen kann. Das Verwunderliche daran ist, daß ich die meisten davon niemals höre, obwohl wirklich geniale Sachen dabei sind. Ich habe die gesamten Jazz-Standards auf LPs zu Hause. Neue oder auch alte Sachen, die ich noch haben möchte, kaufe ich aber auf CD – einfach aus Platzgründen.
Hören Sie Ihre Lieblingsmusik nur zu Hause oder via CD-Player auch im Auto?
Alsmann: Ich habe gar kein Auto. Ich mache mir immer Cassetten für den Walkman, höre sie aber nie. Dauernd stelle ich mir etwas zusammen und verplempere nachts die Zeit, manchmal bis vier Uhr morgens.
Hofer: Weißt Du, was der Hit bei mir ist? Ich verschenke selbstgemachte Cassetten zu Geburtstagen. Ich habe da so ein kleines Mischpult. Und wenn es mir damit gelingt, so richtig sanfte Übergänge hinzukriegen, toll. Außerdem habe ich im Gegensatz zu Dir ein Auto mit einer relativ großen Anlage.
Alsmann: Ja der Hofer, der hat’s geschafft, der hat ein Auto!
Hofer: Ach Götz, Du bist doch noch so jung!