Mr. Big, die neue S-Klasse des US-Hardrock: dauerhaft und wertkonservativ
HAMBURG. Das positive Denken, das schon ihr Bandname dokumentiert, zahlt sich aus: Diese vier Hardrock-Akrobaten sind das nächste große Ding. Nachdem sie mit „To Be With You“ clever die Radiosender geknackt hatten, stand nun der Live-Blitzkrieg an. Und wer an diesem Abend in der drangvollen Enge der Großen Freiheit auch nur den Hauch von Skepsis auf dem Gesicht trug, der lächelte nach den ersten Big-Grooves überwältigt und glücklich: Perfekter kann man US-Hardrock-Mainstream nicht spielen.
Mit einem überraschend effektfreien, trockenen, fast „dünnen“ Sound, der glasklar und schneidend präsent die Instrumente voneinander trennte, fegten die Vier wie ein Challenger-Raumschiff los, daß jedes Staubkorn auf der viel zu kleinen Bühne glühte. „Daddy. Brother. Lover, Little Boy“ eröffnete den Killer-Set mit respektheischendem Tempo, das Paul Gilbert mit aberwitziger Gitarrentechnik scheinbar nach Belieben forcieren konnte. Der seinerzeit bei David Lee Roth unterforderte Bassist Billy Sheehan hat hier die idealen Jagdgründe gefunden: Jeder Song ein Schlachtfeld für gezielte Tieftöne mit hundertprozentiger Trefferquote. Da sei Mr. Sheehan sein kasperig überzogenes Solospiel verziehen.
Ebenso übertrainiert Sänger Eric Martin: Er sieht aus wie der junge Steven Tyler, singt wie Paul Rodgers, muß sich aber doch den pubertären Blues heraushusten, was dann mehr nach Las Vegas als nach Chicago klingt.
Wäre alles gar nicht nötig, denn am besten sind Mr. Big, wenn sie den geilsten Gruppensound zelebrieren, den man sich jenseits von Mötley Crüe vorstellen kann: brillante Harmony-Vocals, fehlerloses, traumwandlerisches Zusammenspiel auf höchstem Niveau und jene Cleverness, die vor die absolute Härte immer noch einen publikumswirksamen Schmusefilter setzt.
Die neue S-Klasse des Hardrock: wertkonservativ, dauerhaft, makellos.