Mit Woody Im Videokeller


Michael Fuchs-Gamböck stattete Rolung Stone Ron Wood einen Hausbesuch ab und schwächere bei der Cognac-Verköstigung

Es sollte eine journalistische Sternstunde werden. Aber es wurde ein Debakel, an dessen Ausgang ich mich nur undeutlich erinnere. Ich wurde nämlich unter den Tisch gesoffen.

London, Stadtteil Warthon, Ronnie Woods zweiter Wohnsitz (den anderen hat er in Dublin). Es geht auf Mitternacht zu. Mein erster Blick auf Woody bleibt nicht etwa auf seinem strubbeligen Haarschnitt, sondern vielmehr an seinen weißen Tennissocken hängen. Nanu, denke ich.

Männer in weißen Tennissocken haben doch Probleme im Bett. Jedenfalls habe ich das mal irgendwo gelesen. Ich hätte Woody gern gefragt, ob da wirklich was dran ist. Aber ich wußte, daß ich diese Frage niemals stellen würde ein Rolling Stone hat keine Probleme im Bett. Niemals! Im geräumigen Wohnzimmer brennen zwei Kamine, die für behagliche Wärme sorgen, in der Hausbar wimmelt es nur so vor exotischen Flaschen. Zur Begrüßung reicht mir der Hausherr ein gut gefülltes Glas mit Flüssigkeit aus einer wunderschönen Jugendstil-Karaffe Cognac, der beinahe ebensoalt ist wie die Karaffe. Es ist dieses antike Stück, das Woody – unbemerkt von seiner adretten Gattin Jo zusammen mit mir in sein Arbeitszimmerschleppt.

Ich schaue mich ein wenig um und sehe jede Menge Gitarren, ein paar Goldene Schallplatten an den Wänden, dazu packenwiese Notenpapier. Das Büro eines Musikers eben, eines erfolgreichen allerdings. Woody legt weißen Tennissocken auf den Teakholzschreibtisch, füllt erneut sein Glas, steckt sich eine dicke ‚Cohiba‘ an und fixiert mich mit etwas zu wachem Blick worauf immer das auch zurückzuführen sein mag.

Arbeiten die Rolling Stones schon an ihrem neuen Album? „Yeah“, antwortet er. „Schau mal, ich werde in diesem Jahr 50. Die anderen in der Band sind schon darüber. Wir haben also nicht mehr soviel Zeit zu verlieren, aber noch jede Menge Ideen für neue Alben. Also versuchen wir seit einiger Zeit, jedes Jahr eine neue Platte einzuspielen. Ich denke, im Herbst sind wir fertig.“ Aber was ist mit den angekündigten Soloplatten? Woody beugt sich weit nach vorn und fixiert mich. „Weißt du“, erklärt er, „wir alle sind in erster Linie Rolling Stones, und dann erst die Mister Wood, Jagger, Richards oder Watts. Also: Wenn wir neben den Stones noch Zeit haben, irgendetwas solo zu machen, dann tun wir’s. Wenn nicht dann eben nicht.“

Und was ist mit Woods Soloalbum ‚Slide On Live‘, das im April erscheinen soll? Woody klärt mich auf: „Das sind Live-Aufnahmen von 1992 plus zwei neue Studiotracks, die ich nebenbei eingespielt habe.“ (ohne die beiden Studiotracks ist die Platte hierzulande seit 1993 als Import erhältlich – Anm. d. Red.) Und was haben wir von der neuen Rolling Stones-Scheibe zu erwarten? „Bluesrock natürlich“, grinst Woody, „was denn sonst? Aber natürlich einen Bluesrock von der allerfeinsten Sorte. Das erwartet man schließlich von uns.“

Wir plaudern noch über dieses und jenes, aber über nichts, was irgendwie von Bedeutung wäre. Den Cognac aus der Jugendstil-Karaffe aber haben wir uns inzwischen brüderlich geteilt. Meine Uhr zeigt mittlerweile eins. Später irgendwann taucht Jo, blond und um die 40, auf und verabschiedet sich ins Bett. Woody grinst: „Okay, Boys, gehen wir in den Keller, Videos gucken.“

Manager Luxi, dessen Chauffeur und meine Wenigkeit wackeln hinter Woody her, plumpsen unten auf das weiche, abgewetzte Sofa. Woody spendiert weiteren Cognac, startet den Recorder und lächelt versonnen: „Das hier“, flüstert er, „ist eine historische Aufnahme von 1974, als ich noch keine Kohle hatte.“ Auf dem Bildschirm erscheinen Keith Richards (sichtlich angeschlagen), Rod Stewart (mit häßlichem Batikschal) und Woody (in weiter Schlaghose).

Die drei stehen auf der Bühne und spielen – klar doch – einen Blues. Ich starre auf die Kiste, meine Augenlider werden schwer, und das Sofa ist das reinste Karussell. It’s Only Rock’n‘ Roll But I Like It, geht es mir durch den Brummschädel. Und dabei grinse ich dümmlich vor mich hin… „Ey, Mr. Fuchs!“ Eine Stimme reißt mich aus dem Schlaf, ein Finger bohrt sich in mein Brustbein. „Yeah“, brülle ich. Dabei pendelt mein Körper so weit nach vorn, daß ich fast das Gleichgewicht verliere. Wenig später nicke ich wieder ein. Im Traum jagt Woody mich mit brennender Gitarre durch Schloß Dartmoor. Gegen fünf verlasse ich das Wood’sche Anwesen. Mein Held in Tennissocken geht zu Bett. MICHAEL FUCHS-GAMBÖCK Demnächst erscheint Ron Woods Soloalbum ‚Slide On Live‘ mit Aufnahmen von ’92.