Reportage

Mit Woman unterwegs beim Reeperbahn Festival 2016: „Ja, das ist Pop!“


Die Kölner Band Woman präsentierte sich in diesem Jahr im Schaufenster des Reeperbahn Festivals 2016. Wir waren einen Tag lang mit der Band unterwegs und haben gemerkt: Das Tourleben besteht vor allem aus Warten.

Mit der Veröffentlichung ihrer „Fever“-EP landeten Woman unweigerlich in einer weiteren Schublade: der des „New Sound Of Cologne“. Die Domstadt gilt seit einigen Monaten als Deutschlands neue Pop-Hauptstadt. Acts wie AnnenMayKantereit brechen national Rekord nach Rekord, elektronische Acts wie Coma und insbesondere Roosevelt sind im Begriff die Welt zu erobern. Aber, wenn man ehrlich ist, hat dieses Dutzend toller Kölner Bands, rein musikalisch betrachtet, wenig miteinander am Hut. Dennoch gefällt Woman der Zusammenhalt in der überschaubaren Rheinmetropole. „Es ist wie in einem Internat. Da kommen ja auch die Zehntklässler runter zu den Achtklässlern und helfen hier und da aus, ohne ständig omnipräsent zu sein“, vergleicht Carlos, während Manu den Blick in Richtung Zukunft richtet: „Es wird sehr interessant zu beobachten, wie sich das alles in den kommenden Jahren entwickeln wird. Wenn wir wirklich einen Unterschied machen wollen, wir Bands aus Köln, dann müssen wir ein gewisses Standing finden. Damit wir, oder ihr Musikjournalisten, in 10 Jahren zurückschauen und sagen: Also, so 2015/2016/2017, das war die Zeit! Das hat die Musikwelt geprägt.“ – „Oder zumindest NRW“, relativiert Carlos. Lautes Gelächter bricht aus.

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Es wird Zeit sich auf den Weg, vorbei am Millerntorstadion, zu machen. Gleich spielen Wellness, eine weitere Kölner Band, ein Open-Air-Konzert auf dem Spielbudenplatz. Wir setzen uns in Bewegungen, vorbei an „Networking Events“ mit vielen wichtig dreinblickenden Musikbranchenhaien und vorbei an den ersten St.Pauli-Fans, die sich in der Fankneipe „Jolly Roger“ für das Zweitligaspiel am Abend präperieren. Es wird über die weiteren Verzweigungen der Kölner untereinander gesprochen („Dann triffst du Henning May halt in Ehrenfeld im Café und hast dann Kumpeltime mit ihm“) und über den Auftritt heute Abend. Im Angie’s Nightclub, einem Tanzschuppen am Spielbudenplatz, spielen Woman kurz vor Mitternacht, direkt nach einem englischen Classic-Rock-Hobo. Doch bis dahin sind noch Stunden totzuschlagen.

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Wellness haben in der Zwischenzeit angefangen auf der kleinen Bühne eines norddeutschen Radiosenders ihren Surfrock durch die Boxen zu treiben, als es Zeit wird sich zu verabschieden. Die Band kehrt ins Hotel ein, bevor es vom Abendessen zum Auftrittsort geht.

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Kurz nach 22 Uhr rollt der Bandvan vor das Venue. Auf der Reeperbahn herrscht längst reges Treiben, Parkplätze sind Mangelware. Zwischen all den Junggesellinnenabschieden und testosterontrunkenen Männern gleicht der Load In hoch in den ersten Stock einem Slalomlauf. Bloß niemanden anrempeln, bloß keinen Case mit den wertvollen Instrumenten fallen lassen. Oben im Konzertsaal angekommen: Ernüchterung. Die Bühne ist provisorisch für die Dauer des Festivals aufgebaut worden, Stauraum gibt es kaum und von einem Backstagebereich kann gar keine Rede sein. Dennoch lassen sich Milan, Manu und Carlos nichts anmerken. Sie beginnen mit dem Aufbau, während neben ihnen ein gesichtsloser Engländer mit Cockney-Akzent gesichtslosen Humpa-Humpa-Rock spielt. Ein Herr mit schütterem Haar und imposanten Bauch unter seinem ausgewaschenen Shirt, raunt seiner Begleitung zu: „Mein Gott, sind die gut. Richtig klasse Sound.“

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Change-Over. Jetzt wird es hektisch. Während die eine Band abbaut, baut die andere auf. Wieder Slalomlauf um fremde Menschen und fremde Instrumente herum. Ist das euer Kabel? Wo ist mein Becken? Dennoch greifen eingespielte Abläufe in diesem für Außenstehende chaotischen Moment. Mit einiger Verspätung beginnt das Set. 30 Minuten, fünf Songs, mehr ist nicht drin. Doch der Funke springt über, wenn auch zunächst verhalten. „Fever“ und „Psychedelic Lover“ lassen die ersten Reihen mit den Hüften wackeln, es gibt anerkennenden Applaus, aber man spürt auch schnell: Sonderlich viel zu holen ist hier für Woman heute nicht. Das Publikum ist müde, die Band, obwohl man es ihr nur begrenzt ansieht, ganz sicher auch.

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Nach dem Gig, ein letztes Schulterklopfen, viele Danksagungen und kein Feierabendbier. Man muss ja noch den Van beladen und man hat ja noch zwei Tage vor sich, hier auf der Reeperbahn. Das Leben als tourende Band, das zeigen uns Woman, kann manchmal weit entfernt von Rock’n’Roll sein.

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Max Hartmann
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Max Hartmann
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Max Hartmann
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