Reportage

Mit Leyya beim Reeperbahn Festival 2016: Kampf der Gegensätze


Leyya kommen aus Österreich, haben aber mit Acts wie Wanda und Bilderbuch nichts gemein. Trotzdessen gehört das Electronica-Duo zu den besten Combos ihrer Heimat. Wir waren mit Sophie und Marco unterwegs und sprachen über Nervosität, Tourdesaster und natürlich Österreich.

Von Nervosität kann keine Rede sein. Sophie und Marco sitzen entspannt auf der Bühnenkante und reden mit uns über Kendrick Lamars „untitled unmastered.“. Gleich werden sie für ein paar Dutzend Branchenvertreter auf der Matinée eines großen deutschen Telekommunikationsunternehmens spielen. Die Band weiß, dass sie hier kein gebanntes Publikum erwarten wird. Lieber erzählt Sophie, die Stimme Leyyas, über den gestrigen Abend. Das Duo trat im ausverkauften ORF-Funkhaus in Wien auf. „Da war ich so richtig nervös“, gibt sie zu und kichert ein wenig. Es war ein sensationeller Abend, stimmt ihr Gitarrist Marco zu und schaut dabei etwas verträumt gen Boden.

leyya_soundcheck_2_rbf_2016 leyya_soundcheck_1_rbf_2016

leyya_pre_gig_sophie_rbf_2016

Leyya sind vielleicht nicht der erste Act, der einem aus Österreich einfällt, aber die beiden jungen Musiker gehören zu dem besten, was die Alpenrepublik jemals der Popmusik geschenkt hat. Ihr pulsierender, experimenteller Electro-Pop sorgt für Gänsehaut, aufgestellte Nackenhaare und weit aufgerissene Augen, sobald Sophies Stimme simultan zum Sample-Gewitter in die Höhe steigt. Es ist ein Segen, dass Leyya mit ihrer Musik Europa bereisen dürfen, auch wenn das oftmals desaströse Züge annimmt.

Mit Woman unterwegs beim Reeperbahn Festival 2016: „Ja, das ist Pop!“
„Wir spielten einmal in Litauen“, erzählt Marco, „und dann hieß es vor Ort, dass es doch kein Hotel für uns geben wird, aber diese Familie da noch ein Zimmer für uns hat.“ Er hält inne, man kann sich fast schon denken, dass diese Familie keinen Palast zu bieten hatte: „Also landeten wir in diesem fürchterlich-feuchten Keller, der dunkel und stickig war und konnten unser Pech kaum fassen.“ Sophie fügt hinzu: „Ich hatte noch Tage danach Schmerzen in der Lunge. Der ganze Raum hat geschimmelt und es roch extrem muffig.“ Doch nicht genug der Gruselgeschichten, Leyya kommen jetzt erst in Fahrt: „Da war auch unsere Reise nach Paris“, erinnert sich Marco und muss leicht süffisant lächeln. „Du denkst dir, als Band: „Toll, Paris, der Veranstalter wird sicherlich ein paar Plakate in der Stadt aufgeklebt haben, der möchte ja schließlich auch einen vollen Laden haben.“ Wie es sich herausstellte, spielten sie abends in einer Eckspelunke, die unter Promo verstand, den Namen der Band mit Kreide an die Hauswand zu schreiben. „Es war wirklich deprimierend“, sagt Sophie und legt nach: „Noch dazu hatte ich am nächsten Morgen riesigen Ausschlag am ganzen Körper. Ich bin nämlich allergisch gegen Bettwanzen.“

leyya_pre_gig_rbf_2016

Ihr heutiges Engagement dürfte nicht der Horror-Sammlung Leyyas hinzugefügt werden. Der Veranstalter flog die Band aus Wien ein und quartierte sie in einem ordentlichen Hotel ein. Besonders in Erinnerung dürfte ihr Auftritt ihnen aber auch nicht bleiben.

Gelassenheit, Gästelistenplätze und bekannte Gesichter

Es ist schon sehr schade, wenn man eine vierseitige Gästeliste an der Tür sieht, mit Schriftgröße 8, Name unter Name, und sich, aus Gründen, die sich so schnell nicht erschließen lassen, nur rund 30 Leute mit gehörigem Abstand zur Bühne in die Konzertlocation einfinden. Während also Leyya die wunderschönen Miniaturoden ihres Debütalbums SPANISH DISCO herunterspulen, mampfen in Sichtweite, Männer und Frauen mit „Delegates“-Pass Fischbrötchen und „connecten“ und „sozializen“ als gebe es nichts Geileres auf der Welt.

leyya_gig_rbf_2016  leyya_gig_12_rbf_2016 leyya_gig_7_rbf_2016 leyya_gig_8_rbf_2016 leyya_gig_11_rbf_2016leyya_gig_6_rbf_2016leyya_gig_9_rbf_2016leyya_gig_10_rbf_2016

Sophie und Marco nehmen es mit stoischer Gelassenheit hin. Sie erkennen einige bekannte Gesichter und freuen sich über den ein oder anderen Kopf, der sich doch vom Tresen umdreht, als beispielsweise der Bass in „Butter“ einsetzt. Man kann auch den Vertretern des Veranstalters vor Ort keine Vorwürfe machen. Immer wieder erkunden sie sich nach dem Wohl der Band, gehen nach dem Ende des 45-minütigen Sets zu ihnen, beglückwünschen sie und bedanken sich – nur die Fahrt zum Hotel, die muss die Band selbst organisieren.

leyya_post_gig_rbf_2016 leyya_post_gig_2_rbf_2016

weiter auf Seite 2

Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann
Max Hartmann