Mit Gottes Segen


es Ist immer das Gleich« mit diesen New Metal-Jungspunden: Sänger brüllt sich den Rachen rot, Gitarrist wuchtet tiefer gelegte Riffs durch die Gegend, Bassist und Drummer zappeln sich einen Stahlfunk. Und nach dem Gig der Kopfsprung in den Rock’n’Roll-Lifestyle. Alle gleich. Außer P.O.D. Die sind anders. Sänger Sonny: „Ich mache nicht Musik, um auf dem Cover vom Musikexpress zu sein. Ich mache nicht Musik, um die Girls zu kriegen. Ich mache nicht Musik, um Mr. Cool zu sein. Ich mache Musik, weil es einfach ein total geiles Gefühl ist, zusammen mit den Jungs Musik zu machen.“

Die Jungs – das sind Gitarrist Marcos, Basser Tra und Drummer Wuv. Gemeinsam mit Sonny sind sie P.O.D. Und P.O.D. sind gleicher. Sie offenbaren auf Platte nur ihre Vornamen. Sie sprechen nach dem Konzert mit ihren Fans nicht über Sex und Drugs und Rock’n’Roll, sondern über Weltsicht, Weisheit und Warmherzigekeit. Sie rocken nicht für die nächste Blattgold-Iackierte Stretch-Limo und das nächste Skateboard aus purem Platin um den Globus , sondern für Weib und Kind daheim. Sonny: „Ich kann mit Musik Geld verdienen, empfinde das als Segen. Ich verdiene mein Geld mit dem, was mir am meisten Spaß macht, und zwar so viel Geld, dass ich meinem Kind eine Ausbildung auf dem besten und teuersten College finanzieren kann.“ In der Tat – P.O.D. gehören mittlerweile zu den erfolgreichsten Acts im Nu Metal-Sektor. Weil sie im angesagten Sound derb abrocken; weil sie mit den „Warriors“ eine fanatische Fanbase im Rücken haben. Lind weil sie sich medienwirksam von anderen Rockbands abheben: P.O.D. sind Christen und machen keinen Hehl daraus.

Aber aus der Schublade „christliche Rockband“ will Sonny mit seinen Jungs ganz schnell heraus: „Das mit der christlichen Einstellung wird von den Medien gern hervorgezerrt, weil es halt etwas Besonderes ist, etwas, das nicht zu den üblichen Klischees in der Rockwelt passt. Für mich ist mein Glaube meine persönliche Einstellung, ich bin Christ, egal ob ich von der Rockmusik lebe oder vom Müllsammeln. Und den anderen geht es wohl ähnlich. Wir haben damals vor zehn Jahren die Band gegründet, weil wir wahnsinnig gerne zusammen Musik machen, aber nicht mit dem Ziel zu missionieren oder andere Leute von unserer Einstellung zu überzeugen.“ Auch wenn die Kirche die Band mit auf den Weg gebracht hat: Die Cousins Wuv und Sonny trafen Marcos regelmäßig beim Gottesdienst einer Gemeinde in San Ysidro, einer kleinen Stadt an der mexikanischen Grenze in Kalifornien. Aus den Ministranten wurden Musikanten: Die Drei beschlossen, gemeinsam nicht nur Halleluja, sondern auch rockigere Songs zu singen und zu spielen. Nicht einfach für Sonny, weil er sich als überzeugter HipHop-Fan nun plötzlich in der Rockwelt wieder fand. Doch als 1993, ein Jahr nach den ersten Gehversuchen, der aus Cleveland zugezogene Tra als Bassist in die Band einsteigt, hat die schlagkräftige Einheit endgültige Form angenommen. Sie nennt sich „Payable On Death“ nach einer gängigen Formulierung aus dem Versicherungs- und Bankgewerbe. Auch wenn es sich anders anhört – „für mich bedeutet unser Name Leben; Leben und Zusammenhalt; ein sehr kraftvoller Name“. Sagt Sonny. Nun ja.

Kraft haben sie jedenfalls: P.O.D. schlucken den Staub der US-amerikanischen Provinz, treten in herunter gekommenen Kaschemmen auf, in kleinen Clubs und immer wieder in Jugendzentren. Mit schweißtreibenden Shows erspielen sie sich dabei langsam eine fanatische Gefolgschaft, die Warriors eben. Seltsame Gestalten, die in einer Zeit, da Popmusik ihren Stellenwert als Symbol gesellschaftlichen Wandels und Rebellentunis längst eingebüßt hat, hündisch ergeben ihren Idolen hinterherreisen – oder? „Nein, das siehst du völlig falsch“, versucht Sonny aufzuklären: „Für uns gibt es keine hierarchische Trennlinie zwischen den Fans und den Musikern. Das mit den Warriors sehe ich nicht als Star-Fan-Ding, sondern eher als Ausdruck einer tiefen, spirituellen Verbundenheit zwischen uns allen.“ Eine Verbundenheit, die zumindest manchmal bis tief in den Geldbeutel reicht. Sonny: „Wir haben schon Fans getroffen, die auf dem Boden geschlafen haben und kein Geld mehr hatten, um zum nächsten Gig zu kommen. Logisch, dass wir ihnen geholfen haben.“

Aber auch innerhalb der Band existieren starke Bande. Ist kurzfristig ein Interview anberaumt, wird ausgelost, wer es gibt. Und wenn im Studio Entscheidungen anstehen, werden sie von allen gemeinsam getroffen. Wie auch die Songs im Jam-artigen Zusammenspiel entstehen. Sonny erklärt: „Für mich ein absurder Gedanke, dass sich einer von uns hinsetzt und einen Riff oder Text zu Papier bringt und den anderen dann erklärt, wie das umzusetzen sei. Wenn wir Stücke komponieren, bauen wir in einem kleinen Zimmer unsere Anlage auf, stöpseln ein und spielen. Und wenn dabei eine gute Idee entsteht, wird sie auf einem kleinen Billig-Cassettenrecorder aufgenommen.“

Auf diese Weise haben sich P.O.D. schon eine recht dicke Discographie zusammengejammt: 1994 erschien das Debüt „Snuff The Punk“, 1996 „Brown“, ein Jahr darauf ein Live-Album. Mit der „Warriors EP“ verabschieden sie sich vom Indie-Dasein und wechseln ins Major-Lager. „The Fundamental Elements Of Southtown“ wird von der Nu Rock-Welle in den USA an die Chartspitze gespült – und mit Platin ausgezeichnet. P.O.D. schieben „Satellite“ nach – und ernten Doppelplatin in den Vereinigten Staaten. Aber auch im Rest der Welt soll das zweite Album für das renommierte Atlantic-Label jetzt P.O.D.-Warriors rekrutieren: Nach der erfolgreichen Europa-Tournee geht es nach Japan, Thailand und sogar China. Für Sonny ein Traum, aber: „Wenn es morgen mit P.O.D. vorbei sein sollte, werde ich auf keinen Fall sofort eine andere Band suchen, um nur ja im Geschäft zu bleiben. Ich würde nach Hause gehen zu meiner Frau und meiner Tochter und würde weiter mit Marcos, Tra und Wuv abhängen.“

Aber das ist im Moment Zukunftsmusik. Noch ist Sonny rund um den Globus unterwegs und findet dabei sogar Gefallen an HipHop-Klängen aus dem Rest der Welt: „Ich habe gehört, dieses Mädel hat jetzt eine Platte draußen – die sang bei diesen Jungs auf einem total coolen Track mit, Nicka wicke Beat oder so.“ -Ach, „Nicke mit dem Beat“, Nina mit Deichkind. – „Ja, genau, Nina. Die Platte muss ich mir unbedingt noch besorgen.“

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