Millamorphosen
Zuerst war er HipHopper reinen Wassers, dann be- lebte er mit Turntablerocker die deutsche Clubszene neu. Jetzt kommt Thomilla zum zweiten Mal solo.
He Peter, haben wir eigentlich noch Klopapier?“, ruft Thomas Burchia alias DJ Thomilla aus dem Badezimmer seinem Kollegen Peter Hoff zu, der mit Star-Search-Sieger Martin Kesici in der geräumigen Küche herumläuft. Denn das Haus mit Blick auf den Stuttgarter Kessel, das nur über einen schmalen, sich von der Straße aus in den Wald hinein windenden Weg zu erreichen ist, ist nicht nur der Ort, an dem Peter Hoff und Thomilla ihre gemeinsame Produktionsfirma Benztown Productions betreiben – sie wohnen da auch. Aber was tut Martin Kesici da? Antwort: Hoff produziert die Bonustracks für seine neue Single. Kurz zuvor lümmelte sich Thomilla noch auf dem Bürostuhl in seinem Studio im ersten Stock und beantwortete die Fragen des ME zu seinem neuen Album freeze. Viel hat Sich getan, seit Thomilla 2000 sein Debüt veröffentlichte, genuine draft war eine Art Deutsch-HipHop-Allstar-Album mit Gästen wie Afrob, Ferris MC, Joy Denalane und Mitgliedern von Massive Töne und Eins, Zwo. Es entstand in einer Zeit, als es in Stuttgart eine dicht verwobene HipHop-Szene gab und der Name Thomilla-auch als Produzent und Remixer-im Booklet fast jeder in diesem Genre veröffentlichten Platte zu finden war. Jeder hat jeden unterstützt, obwohl alle bei einer anderen Plattenfirma waren“, erinnert er sich. „Mittlerweile wohnen nicht mehr olle in Stuttgart, und man sieht sich nicht mehr so häufig. Aber der Austausch findet noch wie vor statt, nur nach außen hin vielleicht nicht mehr so stark.“ Unmittelbar auf genuine draft folgte der große deutsche HipHop-Boom [„Das war damals so ein Overflow. Es gab zu viele HipHop-Bands und viel Masse anstatt Klasse Inzwischen, finde ich, hat es sich wiedergesundgeschrumpft.“], und wahrend dieser seine Klimax erreichte, verblüffte Thomilla. dem das ganze Posing ohnehin nicht stand, die Öffentlichkeit mit etwas Neuem. „Wenn man sich ein bisschen für die Musik interessiert, die ich mache, kommt man an Turntablerocker gar nicht vorbei.‘ Die Turntablerocker – Tomilla und Michi Beck von den Fantastischen Vier – waren seit 1998 als DJ-Duo in deutschen Clubs unterwegs und veröffentlichten 2001 ihr erstes Album classic. Darauf zu hören war eben kein HipHop, sondern ein extrem tanzbarer Mix aus House, Electro, Funk. Pop und, na ja, vielleicht doch ein ganz klein wenig HipHop – ganz im Sinne ihrer DJ-Gigs.
Mittlerweile gibt es immer mehr Leute aus dem HipHop-Umfeld, die sich in andere Gefilde wagen. Zum Beispiel Tobi von Fünf Sterne Deluxe und DJ Koze von Fischmob. Vor allem in den Clubs passiert immer mehr zwischen HipHop und House. Das spricht dafür, dass es in der Musik keine Regeln gibt. Und unter anderem das will ich mit meinem Album ausdrücken. “ Da hat Thomilla das Gespräch geschickt wieder auf das eigentliche Thema zurückgeführt. Und wenn die Turntablerocker entscheidend für seine musikalische Entwicklung waren, dann trifft das auf freeze im Besonderen zu, denn „die zwei Turntablerocker-Alben (zweites Album 2002-. smile, Anm d. Hei) sind sozusagen die Brücke zwischen meinem ersten und meinem jetzigen Album „. Statt deutschem Rap gibt es auf freeze englische Vocalperformances, statt HipHop-Beats Uptempo-Pop mit Soul-, Funk-, Miami Bass-, und House-Einschlägen – einen bunten Party-Mix, der direkt aus der Diskothek um die Ecke ins heimische Wohnzimmer zu dringen scheint… Das Album ist wie eine Stunde Essenz aus einem DJ-Set von mir“, bestätigt er. „Hätte ich ein HipHop-Album gemacht, wäre das eher ein Schritt nach hinten gewesen.“ Straighten HipHop macht Thomilla überhaupt nur noch, wenn er die Musik anderer Künstler produziert, so wie vor kurzem zwei Tracks von Ferris MC. Und während Benztown Productions gerade ein Quasi-Jubiläum feiert -vor zehn Jahren machten Peter Hoff und Thomilla ihre erste gemeinsame Platte mit dem programmatischen Titel benztown -, befinden sich auch die Fantastischen Vier in den Studios am Stuttgarter Hang, um nach fünf Jahren Bandpause Teile des neuen Albums einzuspielen, das noch dieses Jahr erscheinen soll „Nicht das ganze Album, aber ein paar Tracks werden auch hier geschustert. “ Und danach? Hat so ein vielbeschäftigter Produzent noch Ambitionen, weiter selbst Musik zu machen?. .Aufjeden Fall. Ich spiele jetzt auch Gitarre, deshalb würde ich gerne etwas Rockiges machen. Ich möchte einfach nicht stehenbleiben, sondern machen, worauf ich Lust habe.‘