Midsummernight Dream – Festival – Augsburg, Rosenaustadion
Woodstock am Leech, so schoss es nur unwillkürlich durch den Kopf, als ich mich im überraschend vollen Stadion rund umsah. Lange Haare wie sonst nur noch selten auf Konzerten, Latzhosen, selbstgestrickte Pullover, Orangensaft und immer wieder Schwaden von Canabisduft, so weit man sah und roch. Der Name des Headliners Crosby, Stills & Nash allein zog also doch noch, holte die Massen für einen langen Nachmittag und verregneten Abend in das Fußballstadion.
Die australischen Newcomer Icehouse durften eröffnen. Wahrend im Stadion noch um die besten Plätze gefeilscht wurde, mußten lva Davies & Co. auf die taghelle, riesengroße Bühne, um die 25000 langsam einzustimmen. Ivas melodischer Techno-Pop war hierfür allerdings denkbar ungeeignet. Seine vorsichtig swingenden Melodien und das vornehme Understatement seiner Band lagen als Stimmungs-Aufreißer daneben Ein Hit macht ja nun leider noch kein Sommerfestival, und so hatten die Aussies außer mit der Technik auch mit einem zum größten Teil desinteressierten Publikum zu kämpfen Das wiederum brauchte der zweite Act des Festivals nicht Peter Tosh und seine Rasta-Männer bekamen die Fan-Gemeinde von Beginn an fest in den Griff. Nach einer erfreulich kurzen Umbaupause legte die Band zackig auf der zweiten Bühne los, während Tosh noch hinter der Bühnentreppe über ein funkangesteuertes Mikro sang. Der karibische Charme kam auf den Punkt genau rüber, ließ das Publikum wie einen riesigen, aus unzähligen Gliedern bestehenden Körper mitzucken. Die ersten Begeisterten machten sich frei und tanzten auf den Müllcontainern, als wollten sie den „Musikladen“-Miezen Konkurrenz machen. Bei Toshs aktueller Single „Johnny B Goode“ wogte das weite Rund, und der Rasta-Meister selbst konnte befriedigt feststellen, daß seine Mission auf fruchtbaren Boden fiel.
Als dritter Act kam nicht – wie angekündigt – Blue Öyster Cult (angeblich wurde der Veranstalter von ihrer Absage kurzfristig überrascht; es wurden aber auch Vermutungen in anderer Richtung laut), sondern das kurzfristig eingeschobene Gitarren-Trio mit McLaughhn/Meola/de Lucia Auf der Bühne entpuppte sich das Trio allerdings als Duo; Al di Meola war der Ansage nach plötzlich erkrankt, aber der Andalusier Paco de Lucia und der Brite John McLauqhlin wirbelten auch als Gitarren-Duo derartig vehement los, daß die Amateur-Gitarristen im Publikum beschämt die Augen niederschlugen.
Die beiden Schnellfinger warfen sich die Soli in derartiger Geschwindigkeit zu, daß die Ohren kaum folgen konnten Die hohe Kunst der Gitarre, jazzig, klassisch, flamencoinspiriert, löste zum ersten Mal Begeisterungs-Stürme und Zugabe-Wünsche aus.
Robert Palmer, der angeblich schönste Mann im Rockgeschäft, hatte danach hörbar Mühe, Sympathien zu gewinnen. Seine roboterhafte, steife Bühnenshow sorgte für unfreiwillige Heiterkeit, lange Zeit wurden Band und Publikum nicht richtig warm. Erst als der schöne Robert vom neueren, elektronisch angehauchten Material auf Oldies wie „Sneakin‘ Sally Through The Alley“ oder „Bad Gase Of Loving You“ zurückgriff, kam richtig Freude auf Die aufpolierten Klassiker verschafften Palmer doch noch einen angenehmen Abgang und sorgten für sichtbares Aufatmen seiner Betreuer, die mit dem aufkommenden Regen auch Roberts Felle davonschwimmen sahen Als Legende gefeiert und mit dem Etikett „übersensibel“ versehen, war die Reihe dann an Van Morrison. Der alte Haudegen machte sich zunächst einmal unbeliebt. Wie sonst nur bei Superstars der allerobersten Kategorie üblich, ließ er sämtliche Fotografen backstage verscheuchen, um husch-husch und unbeachtet die Bühne zu erklimmen. „Fat and grey and old“ (frei nach Johnny Cash) stand er dann wie ein scheuer Fels in einer verhaltenen Brandung und klapperte routiniert sein Programm herunter Manch einem alten Themjünger im Publikum lief einsam eine Träne in die Bartstoppeln Mir blieb nur die Erkenntnis; Der Mann ist phantastisch – aber er verkauft sich miserabel Mit einem Großaufgebol an Musikern und Technik machte anschließend Mike Oldfield gegen Müdigkeit und schlechtes Wetter Mut. Im Gegensatz zu seiner letzten LP CR1SLS wirkte Oldfield auf den Bühnenbrettern spielfreudig, relaxt und experimentierfreudig Exakt und doch lebendig warf er seine musikalischen Spielbälle dem Publikum zu und wurde begeistert gefeiert. Seine flockigen Melodien und sein knallhartes Timing brachten Schwung in die Arena und vertrieben noch einmal das Sandmännchen, das schon reichlich Opfer gefunden hatte.
Und dann war es endlich soweit: Nach jahrelanger Abstinenz war die Legende zum Greifen nah Crosby, Stills & Nash (Neil Young hatte ja im letzten Jahr bereits solo seine Visitenkarte abgegeben), der Welt bekanntestes Gesangs-Trio, stand well and alive auf der Augsburger Bühne. Herr Crosby. mit gewaltiger Stirnglatze und braungrau wallendem Haarkranz, mußte zwar mit Hilfe von drei Roadies auf die Bühne gezogen und geschoben werden, aber kaum an der Rampe, bei den Kollegen vorn, war er voll da.
Wie ein Schweizer Uhrwerk spulten die drei Dinosaurier ihre Hit-Hämmer runter Glatt, soft und ohne Schrammen, die Band erfüllte ihr Soll Dann von der Bühne, rasch ein Handtuch über den Kopf, schwupp in den Bus und ab ins Münchener Hilton. Ein neuer Tag, ein neues Spiel, ein neues Glück. Die,Drei, so hörte man, wollen nie mehr wieder zusammen auf Tournee gehen; schließlich hatte man Crosby diesmal schon nur mit sanfter Gewalt von seiner Farm wegzerren können.