Midnight Oil


Für ihre letzte Tournee vor zwei Jahren reichten intime, schwitzige Hallen noch aus - jetzt aber sprengen die Konzerte von Midnight Oil alle Dimensionen. Der Auftakt der aktuellen Konzertreise bewies indes: Es besteht dennoch keine Gefahr, daß Midnight Oil als U 2 der 90er Jahre im eigenen Pathos absaufen.

Für Midnight Oil schlug mit diesem Eröffnungskonzert der Deutschlandtournee die Stunde der Wahrheit. Seit ihrer letzten Stippvisite vor genau zwei Jahren sind die Australier auch in Europa zu Superstar-Status aufgestiegen. Brauchte DIESEL & DUST noch zwei Jahre, um vergoldet zu werden, so schaffte das aktuelle Album BLUE SKY MINING entsprechende Umsätze in gut zwei Monaten. Und spielten die Oils damals noch in intimen, schwitzigen Hallen, konnte der Veranstalter diesmal die vorsichtig gebuchte Mittelkategorie mit Kapazitäten um die 3.000 Plätze locker in eine Nummer größer umbuchen. Kein Zweifel: Midnight Oil ist inzwischen endgültig angesagt.

In Frankfurt konnte man dieser Tatsache nicht mehr rechtzeitig Rechnung tragen; da mußte das Konzert noch in der zu kleinen Offenbacher Stadthalle über die Bühne gehen. So konnte die Band zur Premiere gar nicht ihre ganze Technik ausfahren. Aber die Bühne ist sowieso ziemlich schlicht und bietet viel Platz für Peter Garretts unkontrolliert wirkende „Choreographie“. Da kommen schon wehmütige Erinnerungen an den letzten Batschkapp-Gig auf, als die australischen Naturburschen eine kleine Pumpstation aufgebaut hatten: mit Wellblech und Buschwerk, ausgelatschten Arbeitsstiefeln, Ölfässern und Stapeln abgefahrener LKW-Reifen, in die man die Verstärker hineinbugsiert hatte.

Diese Zeiten kommen nicht wieder; die Reizüberflutung gehört der Vergangenheit an. Midnight Oil kanalisiert die Energie, ohne daß die Gefahr besteht, daß die Songs in belanglosen Mainstream abdriften könnten. Den Löwenanteil des Sets bestreitet das Quintett mit dem Material der beiden letzten Platten; frühere Titel spielen nur eine Nebenrolle.

Schon die markanten Gitarrenriffs von „King Of The Mountain“ verfehlen zum Einstieg ihre einpeitschende Wirkung nicht. Sie sind Signal für eine Tour de Force mit seltenen Verschnaufpausen („River Runs Red“). Daß die Gitarristen und der Drummer, ein Energiebündel wie weiland Keith Moon, als Komponisten das Sagen haben, spürt man. Wären da nicht Garretts Botschaft, sein Einsatz für unseren kränkelnden Erdball und für die unterdrückten Menschen, den er sich auch in deutschen Ansagen zu vermitteln bemüht, gäbe es ein klares Übergewicht in der Musik.

Die Songs leben von heftigem, rauhem, ungeschöntem Rhythm & Blues und werden mit einer fast punkigen Attitüde verkauft. Das klingt mitunter LIVE

schräg und schrill, ganz und gar nicht nach Hitparaden-Ästhetik. Und trotzdem haben „Beds Are Burning“ (frenetisch bejubelt vom Publikum, das alle Songs kannte), „Blue Sky Mine“ und fast alle anderen Stücke Hitqualitäten. Und auch wenn es zwischendurch mal hymnisch wird („One Country“), läuft Midnight Oil dennoch nicht Gefahr, als U 2 der Neunziger im eigenen Pathos zu ersaufen.

Zu diesem Rock ’n‘ Roll-Konzert im besten Sinne des Wortes paßte auch die exzellente Wahl der Vorgruppe. Hunters & Collectors sind Seelenverwandte von Midnight Oil. Sie stammen ebenfalls aus den Pubs von Melbourne und Sydney und spielen genauso erdig und kommunikativ. Ihre Songs vom aktuellen Album GHOST NATION bekommen eine ganz eigene Note durch die gefühlvollen Bläsersätze und Mark Seymours dramatischen Gesang. Zusammen mit Midnight Oil bildeten sie ein musikalisches Doppelpack der ersten Güteklasse, zumal Trompeter und Posaunist auch das ölige Gebläse lieferten.