Michael Schenker – Ein Sorgenkind wird erwachsen


Es hat ihn viele Jahre bittere Erfahrung gekostet, um dahin zu kommen, wo er jetzt ist. Nach Drogenproblemen und Band-Splits steht das Gitarrenwunderkind wieder mit beiden Beinen auf dem Boden. Doch ob das Eis diesmal trägt? ME/SOUNDS-Mitarbeiter Teddy Hoersch ließ sich überzeugen.

Perlektes Timing? Der Titel des aktuellen MSG-Albums ist für den neuen Sänger Robin McAuley Programm geworden. „Diesmal stimmte wirklich alles – Band, Management. Songs, Produktion … Soweit, so gut!“

In der Vergangenheit sah es für Michael Schenker längst nicht immer so positiv aus. “ Was meinst du genau damit?“, fragt der Sproß der musikalischen Hardrock-Familie aus Hannover zurück. Ich gebe ihm die Stichworte, die er vergessen hat: Drogen. Alkohol. Ego-Probleme…

„Eins mußt du wissen: Ich bin angetreten, um einer der weitbesten Gitarristen zu werden und nicht – wie z.B. mein Bruder – um die erfolgreichste Band anzuführen oder Unmengen Geld zu verdienen. Ion daher habe ich schon z.T. das erreicht, was ich wollte.“

Schenker – mittlerweile wieder good lookin‘, mit attraktiv-angeschweißtem Blondzopf und wasserblauen Strahleaugen – gehört zu jener Spezies Musiker, die auf ihrem Instrument glänzende Siege feiern, aber in punkto Karriere gerne Niederlagen sammeln. Ebenso schüchtern wie schön – blauäugig im wahrsten Sinne des Wortes – war Schenker oft genug Opfer seiner Profi fession. „Als ich im Teenageralter bei 9 UFO einstieg, bestanden meine Englischkenntnisse aus, Yes‚ und ,No‘. Das führte unweigerlich dazu, daß ich den bösen englischen Humor überhaupt nicht kapierte.

Außerdem halte ich tatsächlich Probleme mit Phil Moog. Wir waren charakterlich zu unterschiedlich. Phil war so ein Typ. der immer Ausschau nach Prügelknaben hielt. „

Ende der 70er war’s dann soweit. Michael nahm nach fünf Alben mit UFO Hut. Abschied und Gitarrenkoffer. Die nächste Station hatte er schon einmal erreicht: Scorpions. 1973, als blutjunger Gitarrero, hatte er das Debüt der Hannoveraner Hardrock-Combo durch sein intelligentes Spiel veredelt. 1979 wurde er dann auf Drängen von Bruder Rudolf noch einmal angestellt. Rückblickend sagt er: „Es war ein Fehler, bei den Scorpions einzusteigen. Es war nicht mein Ding, die Vorgaben anderer Gitarristen nachzuspielen. „

In den Biografien wird die Zeit nach den Scorpions als „schöpferische Pause“ bezeichnet. Ähem … Es wäre vielleicht angebrachter, von einer „erschöpften Pause“ zu sprechen.

Daß ein Bandleader, der diesen Namen verdient, anders aussehen muß, war jedem klar. Ständig war der Chef leidend, unpäßlich. Ständig wechselten die Sänger, ständig lag irgendwo eine brennende Lunte herum. Dabei waren sich Freund und Feind einig darüber, daß Michael ein hervorragender Gitarrist ist. Sein Instrument singt und spricht anstatt – wie bei unbegabteren Kollegen – zu schreien. Wie er klassische Elemente ins Hardrock-Konzept einbringt, das war und ist für dieses Genre schon einmalig. Immer wieder lobten Kritik und Publikum die Logik seiner fingerflinken Soli, die Wucht der Flying-V- Riffs, das Singen seiner elektrisierenden Gitarre.

Die Gründung der Michael Schenker Group – kurz MSG – datiert zurück ins Jahr 1980. Das gleichnamige Album eingespielt mit Ex-UFO-Kollege Paul Raymond, Ex-Alex Harvey Chris Glen, dem Hotelzimmer-Teufel Cozy Powell sowie dem neuen Gesicht Gary Barden – brachte der Truppe das „Supergroup“-Etikett. Doch in den Folgeiahren litt das Ensemble an der Unbeständigkeit seines Namensgebers und die nicht zuletzt dadurch bedingten Personalwechsel.

Im Jahre 1984 zog Schenker einen vorläufigen Schlußstrich unter die hektische Bandgeschichte. Er zog von London nach Hannover und fand in Bruder Rudolf einen strengen Finanzier und Fürsprecher,.. Wir haben uns zusammengesetzt und alles durchdiskutiert, und dann beschlossen, was in meinem Fall zu tun ist …“

Das bedeutete: Rudolf zückte nicht nur das Scheckbuch, sondern unterstützte den labilen Bruder mit Rat und Tat. „Es war wichtig, daß ich ihn hatte. Denn er beschönigte nichts. Wenn er nein sagt, ist es nein. Wenn er okay sagt, ist’s okay.“

Zu dieser Zeit trat auch Robin McAuley. ein sympathischer, rothaariger Ire auf den Plan. Die neue MSG-Kehle – vormals bei Grand Prix und Far Corporation – bildet das passende Gegenstück zu dem feinnervigen Griffbrett-Turner. „Wir hockten zehn bis 12 Stunden zusammen, Michael an der Gitarre, eine Drummaschine und ein Tonband – und plötzlich hatten wir all diese Songs. „

Um das darbende Publikum von der MSG-E.xistenz zu unterrichten, stellte sich die aktuelle Besetzung 1986 sehr erfolgreich bei einigen Festivals vor. “ Ursprünglich sollte die LP PERFECT TIMING ja schon Ende des letzten Jahres erscheinen, aber die Veröffentlichung verschob sich dauernd wegen unseres Produzenten.“

Endlich, im Februar 1987. gingen sie mit Andy Johns ins Studio. „Es standen 40 Songs zur Auswahl“, erzählt Michael stolz. Im Herbst ’87 kam PERFECT TIMING dann endlich aus der Plattenpresse.

Michael Schenker, inzwischen clean, glücklich und verheiratet, scheint wirklich zur rechten Zeit am rechten Ort angelangt zu sein. Zusammen mit McAuley. der für sich das M von MSG beanspruchen darf, sowie den Musikern Rocky Newton (g) Mitch Perry (keys) und Bodo Schopf (dr) will er der Rockwelt zeigen, was er in den Fingern hat.

„Gut, ich hatte Probleme. Manche Leute können mit ihren Problemen umgehen, manche nicht. Vermutlich hätte ich dieselben Eskapaden auch als Fußballspieler durchgemacht. Es lag nicht am Rock’n’Roll und dem damit verbundenen Lebensstil. Es lag wohl an mir. Weißt du – in der Anfangszeit übte ich acht Stunden und mehr jeden Tag. Ich sprach mit niemandem, hatte kaum Kontakte und als ich dann rausgmg, fand ich mich – schüchtern wie ich zudem war – nicht zurecht. Inzwischen bin ich da besser dran. Ich spiele mittlerweile nur noch zwei Stunden pro Tag.“