Melt! Festival
In Gräfenhainichen gewannen die Künstler auf den Nebenschauplätzen.
Als Jarvis Cocker am Sonntag „20 000 people standing in a field“ singt, hören längst nicht mehr alle der 20 000 Festivalbesucher diese Zeile. Viele sind zu diesem Zeitpunkt nicht nur aufgrund der drastischen Wetterverschlechterung bereits auf dem Heimweg. Einen Headliner am Tag vor Montag für 23 Uhr zu buchen, hat eben auch seine Folgen. Doch Pulp dürfen immerhin in deutlich mehr Gesichter blicken als die drögen Beady Eye. Knapp tausend Leute interessieren sich für die Oasis-Nachfolger. Überhaupt wenig Überzeugendes auf der Hauptbühne: Neben Pulp werden wohl nur The Streets mit ihrem erstaunlich euphorischen Auftritt in Erinnerung bleiben. Die sonstige Mischung aus massenkompatibler Elektronik à la Digitalism und Kalkbrenner und trittbrettfahrendem Rock wie dem der White Lies und der alle Jahre wieder spielenden Editors schmeckte jedenfalls fade.
Spannend wie selten dagegen das Geschehen auf den Nebenbühnen. Dort ließen sich aufregende Genre-Amalgamierungen erleben: Nicolas Jaar etwa, der mit seiner atmosphärisch dichten Mischung aus Pink-Floyd-Gitarren und Slow-House den Zuschauern die Entscheidung schwer machte, ob man zu dieser Musik nun knutscht, kifft oder doch entrückt tanzt. Am besten alles zusammen. So wie bei Cut/Copy, die ebenfalls viel Heterogenes in ihrer Dance-Pop-Klangwelt unterbrachten. Selbst über die eher düsteren Wave-Versatzstücke, die in ihrem Sound stecken, streuten sie mit leichter Hand Glitter. Mitreißend und gar nicht ideologiegehemmt auch der Auftritt der queeren Anarcho-Combo MEN. Nicht recht in Fahrt kamen dagegen die Prog-Art-Rocker These New Puritans: zu radikal die Abkehr vom Pop, den sie mit Hidden vollzogen, zu ernsthaft ihr Wille zur Kunst. Mit der Festival-Atmosphäre war das kaum zu vereinbaren. Reichlich große Momente gab es auf der auch in diesem Jahr wieder vom Berliner Elektro-Duo Modeselektor kuratierten Bühne am Strand. Hier hatte sich unter anderem der weltmusikalisch inspirierte Londoner Beatbastler Gold Panda seines Hypes als würdig erwiesen.
Auch wenn das Programm elektronisch wie selten war: Dass es sich bei den Melt!-Besuchern um ein aufgeschlossenes, keineswegs nur bei Beats in Wallung geratendes Publikum handelt, bewies der Auftritt von Iron & Wine: Ein seltener Menschenmix verfolgte die wilde Jam-Session dieser aus der Zeit gefallenen Herrenriege mit leuchtenden Augen.