Meister der Mystik
40 Millionen verkaufte Platten und kein Ende. Doch nur wenige kennen den strahlenden Sieger.
Meister der Mystik Michael Cretu gibt der Popwelt Rätsel auf 40 Millionen verkaufte Platten und kein Ende.
Doch nur wenige kennen den strahlenden Sieger.
Platinplatten pflastern seinen Weg. Michael Cretu alias Enigma zählt weltweit zu den erfolgreichsten Schöpfern populärer Klänge. Wovon auch Ehefrau Sandra (Lauer) profitiert. Vom genialen Gatten komponierte, arrangierte und produzierte Schlager wie „Maria Magdalena“ gehen millionenfach über die Ladentische. Überhaupt sind Größenordnungen, die bei Otto Normalverbraucher mittelschwere Schwindelanfälle hervorrufen, in der Welt des erfolgreichen Pop-Paares gang und gäbe. Seinen bisher größten Coup landete Cretu 1990 mit dem Projekt Enigma („Rätsel“), einem meisterlichen Mysterienspiel aus gregorianischen Chören, französischem Sprechgesang und schwarzen Dancebeats. Allein Enigmas Erste verkaufte sich über sieben Millionen Mal. Und ein Ende der beispiellosen Erfolgsgeschichte ist nicht abzusehen. Denn im Sog des zweiten, mit Ethnogesängen verzierten Enigma-Albums („The Cross Of Changes“) schoß auch LP Nummer 1 wieder hoch in die Charts. Derweil könnte Mastermind Cretu problemlos Dagobert Ducks Geldspeicher füllen. So schätzt ein Intimus des gebürtigen Rumänen dessen Vermögen auf satte 42 Millionen Mark, dürfte dabei aber noch schamvoll untertreiben. Die Cretus leben auf Ibiza, wo ihnen neben einer weißen Villa mit Studio, Pool und Palmen auch ein denkmalgeschützes Haus mit eigenem Spezialitäten-Restaurant gehört. Im Hafen dümpelt derweil Cretus hochseetüchtiges Rennboot — man gönnt sich ja sonst nichts. Für Nachtarbeiter, Cola-Trinker und Kertenraueher Cretu ist Luxus aber keinesfalls das Maß der Dinge: „Ich brauche in meinem Zimmer nicht 20 Ornamente. Mir reichen ein Stuhl und ein Tisch. Aber die müssen oberamtlich sein.“ Oberamtlich verlief auch Cretus Karriere. Im Lyzeum No. 2, der Lehranstalt für junge, hochbegabte Talente in Bukarest, studiert der junge Michael ab 1965 Musik. Hauptfach: Klavier. 1968 hält er sich zu fünfmonatigen Studien in Paris auf. Sieben Jahre später siedelt Cretu nach Bad Homburg um. In der Folgezeit besucht er in Frankfurt die Hochschule für Musik. Deren Direktor, Professor Philipp Mohler, erkennt Cretus besonderes Talent und tritt fortan als dessen Förderer auf. 1978 besteht sein Schützling die Abschlußprüfung mit Auszeichnung. Inzwischen ist der studierte Musiker und Perfektionist nicht nur steinreich, sondern besitzt zudem auch noch Stil. Den freilich kann sich Fußball-Freak Cretu angesichts fröhlich weiterfließender Finanzmittel auch leisten. Margie Cheske von Cretus Plattenfirma Virgin: „Enigma mögen alle. Von Kids, die sonst die Smashing Pumpkins kaufen, bis hin zum 70jährigen Opa.“ Wobei den Studio-Schwerstarbeiter Cretu die Frucht seiner Fron offenbar nur am Rande interessiert: „Gib mir meine Spielzeuge im Studio, meine Knöpfchen, meine Monitore, dann bin ich hochglücklich und kann mich tagelang problemlos beschäftigen.“ Wohl dem, der einen Cretu zu Hause hat. Michael Weilacher