ME Special Story: The Byrds


"Solange McGuinn weitermacht, und wer auch immer die Byrds sind, die Sache haut hin", so etwa hat's mal Peter Fonda gesagt, und der sollte es eigentlich wissen. Denn Easy Rider-Fonda hatte nicht nur wegen seines berühmten Filmes mit den Byrds zu tun. Er gehörte zugleich zu jenen tatsächlichen oder Pseudo-Intellektuellen, die sich um 1966 plötzlich für Rockmusik zu interessieren begannen. Kalifornien trieb damals seine ersten Blüten bezüglich des später "Westcoast-Sound" genannten Rockstils, binnen kurzem entwickelte sich aus diffusem Wirrwarr unzähliger Künstler eine riesige Szene - und die Byrds waren die ersten, die Vorreiter, die Initiatoren, wenn man einmal von den Beach Boys absieht, die schon vier Jahre vorher angefangen hatten und sowieso alles viel besser oder schlechter, auf jeden Fall aber anders gemacht haben.

Doch erst seit den Byrds fanden es VIPs wie Allen Ginsberg, Timothy Leary und Norman Mailer enorm schick, bei Rockkonzerten aufzutauchen, und sogar unser aller Vater Bob Dylan gab Denkwürdiges von sich: „Die Byrds sind zu Dingen imstande, über die die meisten Leute nicht einmal etwas wissen“. Päänngg!! Solche Aussprüche schienen aber schon deshalb nötig, weil Dylan als Mit-Entdecker der Byrds und als deren wichtigster Mentor galt. Und diese Worte machten sich dann gut.

Cool, calm und sehr collected

Tatsächlich waren die Ur-Byrds Jim McGuinn, Mike Clark, Chris Hillman, David Crosby und Gene Clark von vielen Richtungen beeinflußt: von Dylan’s anspruchsvoller Lyrik, vom simplen, aber originellen Rock der Beatles plus Kollegen, vom Country & Western des Mittelwestens, vor allem aber vom Folk aller Schattierungen, wie er in halb Amerika Mode war und sich in den Kaffeehäusern und Clubs zwischen Los Angeles und San Francisco besonders gut anließ.

Trotzdem wäre es falsch, die Byrds als simple Nachahmer einer dieser Richtungen festlegen zu wollen. Von Dylan haben sie im Laufe der Jahre nur ein gutes Dutzend Kompositionen übernommen, dem reinen Folk waren sie ebenso schnell entwachsen wie ihrer Country-Vergangenheit, obwohl sie spater dorthin zurückkehrten. Mit den Beatles schließlich besaßen die Byrds einige Gemeinsamkeiten: Genau wie die Fab Four für England wurden die Byrds für Amerika die auf Jahre hin tonangebende Gruppe, genau wie die Mersey-Boys wurden auch die Byrds etwa 1968 von der Konkurrenz eingeholt oder überrundet, und beide Gruppen bezogen ihren Stellenwert aus ihrer Relevanz als Bands, die nahezu alle Stilrichtungen nahtlos verarbeiteten.

Doch der direkte Vergleich beider Gruppen offenbart auch deutliche Unterschiede: Es gab bei den Byrds nie eine Phase, wie sie bei den Beatles von 1963-65 vorhanden war. Wo die Mopköpfe dem avantgardistischen Untergrund einen Schritt hinterherhinkten, da waren die Byrds direkt mit dem Ohr dabei oder spielten gar selbst Rockavantgarde. Und wenn die Liverpooler stets die ein bißchen frechen, immer spaßigen und sehr liebenswerten Jungen von nebenan spielten, da markierten die Byrds die überzüchteten Intellektuellen, total cool und sophisticated – ein Lächeln galt als eine der schlimmsten Todsünden. Reserviert und supercool mußte man sein, um damals an der Westküste etwas darzustellen, und die Byrds stellten eine Menge dar.

Denn abgesehen von der Qualität ihrer Musik boten die Byrds vor allem Image. Man gab sich distanziert, ein wenig entrückt, eben cool, calm and collected. Wenn englische Gruppen ihre LP-Cover mit herzlichen Konterfeis schmückten oder wie die Stones wenigstens noch grimmig dreinblickten, da paradierten die Byrds ohne jede Gefühlsregung. Mit für 1965 enorm langen Haaren (bis in die Augen), sorgfältig ungleich gekleidet, blickten die Fünf blasiert auf den Betrachter: mal herausfordernde Nachwuchs-Rocker (auf „Mr. Tambourine Man“), mal tödlich gelangweilt auf himmelblauem Grund („Turn Turn Turn“) oder auf östlichem Diwan Kaffee oder Schlimmeres schluckend („Fifth Dimension“). Ober-Byrd Jim McGuinn (er nannte sich erst später Roger) trug stets seinen Schmalspur-Kneifer, der prompt Mode wurde, bis in hiesige US-Läden drang und einem lediglich die Augen schmerzen ließ. Aber das machte nichts.

Und dann die Musik. Wie aus dem Nichts schufen die Byrds die fast ideale Mixtur aus Dylan-Folk und Mainstream-Rock, hie und da besprenkelt mit C & W-Tupfern. Im Chor sang das Quintett passabel, solo klang Gene Clark sogar ausgezeichnet, aber erst das heisere Gekrächze McGuinn’s machte die Sache richtig interessant. Dazu trommelte ein harmloser Mike Clark am Schlagzeug, Hillman legte ein paar saftige Baßlinien hin, Gene Clark schlug das Tamburin mit monotoner Stetigkeit, und Crosby nudelte die üblichen Rhythmus-Akkorde. Und über, unter oder neben allem Mc Guinn’s zwölfsaitige Rickenbaker, die mit ihrem „Jangle“ das Ganze zusammenhielt. Dabei servierten die Jungs (manchmal auch Dylan) Texte, an denen man zu knabbern hatte – das war in der Rockszene noch nicht dagewesen. Gewiß, die Folk-Fans, die durch Dylan seit dem Newport-Festival ’65 (Bobby spielte dort erstmals elektrisch) auch dem Rock zugeführt worden waren, kannten solches, aber die eingefleischten Rock-Anhänger…

Trotzdem stellte die Musik das genaue Gegenteil zum Undurchsichtigkeits-Image der Byrds dar. Nie hörte man überkandidelte Gitarrensoli, kein Schlagzeug-Marathon, immer blieben die Songs kurz, klar und prägnant, und man wußte genau, woran man war. Byrds-Musik riß nicht vom Stuhl, rockte eigentlich nirgendwo voll los, und doch kroch sie einem ins Trommelfell und öfters auch unter die Haut. Mit ein wenig Überlegen kam man schließlich auch hinter die Texte, denn wenn die Jungs beispielsweise „He Was A Friend Of Mine“ sangen, merkte man, daß John F. Kennedy damit gemeint war.

Die Morgenröte an der Westcoast

Was aber das Wichtigste war: Vor den Byrds war das Nichts, zumindest im amerikanischen Rock. McGuinn und Begleiter waren die ersten, die lokale Grenzen überschritten, erst Amerika und dann die halbe Welt für sich einnahmen; die ersten, die esoterische Texte sangen und die ersten bezüglich mancherlei musikalischer Tricks. Niemand krähte damals nach Greatful Dead, Quicksilver Messenger Service oder Jefferson Airplane, denn die Frisco-Szene wurde erst 1966 bekannt. Auch in L. A. tauchten erst Anfang 66 Gruppen wie die Lovin‘ Spoonful oder die Mamas & Papas auf, mithin waren die Byrds die ersten in jeder Hinsicht (obwohl dabei die Beach Boys wieder stören, aber das ist eine andere Sache).

Wie aber konnten die Byrds und ihre Nachfolger überhaupt entstehen? Zweifelsohne entwickelt sich eine Szene nie im luftleeren Raum, immer geben spezifische Umstände die entscheidende Initialzündung. Nur ein soziales Spannungsfeld, wie es in Liverpool herrschte, erklärt die Existenz von zeitweise vierhundert Mersey-Bands, aus denen einige dann emporsteigen mußten; nur ein kulturelles Zentrum wie London konnte Anziehungspunkt für Abertausende von Musikern sein, die sich täglich trafen, sich gegenseitig hochschaukelten und schließlich die Pop-Explosion starteten.

Ähnlich auch in California. Hier gab man sich intellektuell, was für einen Folk-Fan sowieso notwendig war, man traf sich in Bars und Cafes, lauschte einem Newcomer und diskutierte, woher ein 22jähriger namens Bob Dylan wohl die Weisheit bezog, daß „die Zeiten sich dauernd ändern“. Man hörte die ersten Beat-Songs, erlebte eine phänomenale Invasion britischer Bands, von denen das bekannteste Quartett Anfang 64 gar die ersten fünf Plätze in den Hitlisten belegte – da mußte also was dran sein. Und C & W war sowieso überall gegenwärtig.

Auf Hollywood’s Sunset Strip, in „Ciro’s Club“ oder im „Peppermint Tree“ trieb sich herum, was Rang und Namen besaß oder noch ergattern wollte. Zal Yanovsky und Joe Butler dudelten ihre Traditionais, bevor sie mit Steve Boone und John Sebastian die Lovin‘ Spoonful gründeten, Danny Hutton (heute Sänger der Three Dog Night) spielte den Mädchenverführer, Kim Fowley ließ zahlreiche Talente durchblicken, von denen er die musikalischen bis heute nicht verwirklichen konnte. Das Unikum Karl „Orestes“ Franzoni (der schwirrt auf dem ersten Mothers-Album herum) zeigte, wie man richtig „Freak Out“ machte, P.F. Sloane und Barry McGuire meinten, die Welt sei am „Eve Of Destruction“, und das kalifornische Erdbeben Cass Elliot lernte Denny Doherty kennen und schloß sich mit ihm, John Philips und Michelle Gilliam (sah die nicht irre aus?) zu den Mamas & Papas zusammen.

Auch die Byrds mischten mit. Der achtzehnjährige Jim McGuinn trat 1960 in die Folkband „The Limelighters“ ein, zog dann ins New Yorker Greenwich Village (der Ur-Heimat amerikanischer Folkies), um solo aufzutreten. Im Chad Mitchell Trio hielt er es dann nur ein Jahr aus und wechselte zur Backing-Group von Bobby Darin, der damals auf Folk-Star mimte. Nebenbei arbeitete McGuinn als Sessionman für Judy Collins, die Irish Rovers und Tom & Jerry, die sich zum Glück mit Simon & Garfunkel dann einen schöneren Namen zulegten.

Im „Troubadour“ in L.A. spielte McGuinn Beatles-Imitationen, als ein ehemaliger Sänger-Gitarrist der New Christy Minstrels, Gene Clark, ihm vorschlug, eine Band zu gründen und gleich noch einen Nachwuchs-Folkie namens David Crosby mitbrachte. Man nannte sich „The Jet Set“, was garantiert Mc Guinn’s Idee war, und produzierte immerhin zwei Tracks auf dem Sampler „Early L.A.“ (nur in USA erhältlich). Dies war jedoch keineswegs der Sound, der McGuinn und Freunden vorschwebte. Also offerierte der „Jet Set“ Chris Hillman, der zuerst bei den „Scottsville Squirrel Barkers“ und dann in der Blue^rass-Gruppe „The Hillmen“ Mandoline gezupft hatte, den Part eines Bassisten und fand in Mike Clark einen noch von jeder halbprofessionellen Karriere unbedarften Schlagzeuger. Ohne Plattenvertrag ging das Quintett, jetzt unter dem Namen „The Beefeaters“, ins Studio und nahm die Single „Please Let Me Love You“ (auf Elektra) sowie weitere elf Tracks auf, die 1969 unter dem Titel „Preflyte“ als Album veröffentlicht wurden. (Da war auch schon „Mr. Tambourine Man“ dabei.) Das geschah im Sommer 64.

Flugs wurde die CBS aufmerksam und bot einen Vertrag an. Die Beefeaters nannten sich nun Byrds, posierten auf Pressefotos mit Dylan, was sich sehr gut machte, und veröffentlichten mit „Mr. Tambourine Man“ und „All I Really Want To Do“ zwei Welthits. Am 21. 6. 65 überraschten sie mit dem Album „Mr. Tambourine Man“ und zeigten, daß es nicht allein Dylan war, der die Qualität der Gruppe bestimmte. Trotzdem gab McGuinn später zu: „Dylan war der Guru, wir die Studenten“.

Die Byrds heben ab

Es begann der eingangs erwähnte Hype um die Byrds. Allerdings konnte bei ihrem Image auch nichts schiefgehen. Wenn andere Bands artig Interviews gaben, sagten die Byrds erst gar nichts – —sie waren einfach nur da. Und ihre Musik schlug sowieso alle in den Bann. Den Rest besorgte der exzellente Byrds-PR-Mann Derek Taylor. Noch kurz vot Weihnachten 65 erschien „Turn Turn Turn“, eine Komposition von Pete Seeger, die abermals ein Riesenhit wurde. Das gleichnamige Album zeigte noch deutlicher als das Debütalbum die Folk-Vergangenheit der Byrds (und blieb deshalb wohl auch relativ unbekannt). Doch allein die Byrds-Version des Traditionais „Oh Susannah“ war schon die halbe Platte wert.

Anfang 1966 begann die bald legendäre Fluktuation bei den Byrds, in deren Kielwasser sich zeitweise rund fünfzehn Musiker Byrds oder Ex-Byrds nennen durften. Kurz vor Produktion der LP „Fifth Dimension“ verließ Gene Clark die Band, weil er den Streß satt und außerdem panische Angst vor dem Fliegen hatte – für eine Gruppe, die gerade ihre diversen Tourneen per Flugzeug bewältigte, ein untragbarer Mann. Wie zum Spott tauchten im Sommer 66 auf „Fifth Dimension“ zwei Flugzeug-Songs auf, „Eight Miles High“ und „2-4-2 Fox Trot (The Lear Jet Song)“, des weiteren Folk-OIdies („John Riley“, „Wild Mountain Thyme“) sowie weitere Kompositionen, in denen McGuinn sich in seiner Vorliebe für Luft- und Raumfahrt, Technologie und Science Fiction austobte: „5 D“ und „Mr. Spaceman“. Oftmals betonte McGuinn, „Eight Miles High“ handele von einem Flug nach London, was jeder, der McGuinn kannte, auch glaubte. Nicht so die moralbewußten amerikanischen Radiostationen. In einem Land, in dem selbst ein seichter Schlager wie „Up Up And Away“ zeitweise der Drogenwerbung verdächtigt wurde, mußte „Eight Miles High“ zwangsläufig gebannt werden. Wenn die Byrds über die legale Droge Alkohol gesungen hätten, ja dann…! Doch eine bessere Werbung als den Bann der Funkstationen konnte man sich kaum denken – „Eight Miles High“ ging weg wie die oft zitierten Semmeln und geriet zum Rock-Klassiker.

Jedoch noch mehr beeindruckte an diesem Song: Crosby spielte darauf Sitar, was einen völlig neuen Sound schuf. Das erzählte er auch George Harrison, der dann gleiches auf „Norwegian Wood“ versuchte. Überhaupt kamen 66 die ersten Songs mit fernöstlicher Melodieführung oder Instrumentierung auf: Die Butterfield Blues Band (mit Mike Bloomfield) produzierte dieserart ein ganzes Album, „East-West“, und auch der Yardbirds-Hit „Over Under Sideways Down“ erschien 1966. Daß im Vergleich zu Ravi Shankar die Sitar-Geplänkel seiner Rock-Adepten eher kläglich wirkten, war dabei völlig unerheblich. Das Rock-Business jedoch kreierte Etikette: Wenn eine Sitar zirpte, war’s Raga-Rock, wenn Flugzeuge heulten oder man den Song erst gar nicht verstand, dann war’s eben Space-Rock oder gar Acid-Rock. Was mag McGuinn, der doch nur musikalisch nochmal nach London geflogen war, dabei gedacht haben? Jedenfalls kam das Acid-Space-Raga-Rock-lmage den Byrds nicht unbedingt gelegen.

Aber schon bald erhielten die Drogenschnüffler weitere Nahrung für Verdächtigungen. Zum einen harten die Byrds im New Yorker „Village Gate“ als erste eine Lightshow benutzt, die Augenzeugen zufolge allerdings nicht das Gelbe vom Ei gewesen sein muß. Doch superkluge Kritiker faselten etwas von „bewußtseinserweiternd“, und schnell war der Kreis zu „Drogen-Song“ geschlossen. Zum anderen erschien kurz vor der England-Tournee der Byrds im Februar ’67 das vierte Album „Younger Than Yesterday“. Wieder widmete sich Mc Guinn seinem Lieblingsthema, nun in „C.T.A.-102“. Und wieder kriegten das viele Leute in den falschhttp://koriapp.feeed.eu/edit/484en Hals. Außerdem durfte sich Crosby in „Mind Gardens“ mit indischen Accessoires beschäftigen – manche Fans standen darauf, vielleicht nur, weil der Song sehr undurchsichtig, auf jeden Fall aber schrecklich klang.

McGuinn schien sich ob solcher Fehlinterpretationen sowie mancherlei Querelen mit der Musikbranche in seiner Rolle als Rock-Star nicht mehr so recht wohl zu fühlen. „Younger Than Yesterday“ beinhaltet daher einen der bittersten Songs, den die Rockgeschichte kennt. Noch 1963 akzeptierte McGuinn dankbar einen Rat von Bobby Darin: „Well, the way to Start off is to be a rock and roll singer“. Jetzt aber zeigten sich McGuinn/Hillman desillusioniert:

So you want to be a rock and roll star

Then listen now to what I say

Just get an electric guitar

Then take some time and learn how to play

And with your hair combed right

And your pants fit tight

It’s gonna be all right

Then it’s time to go downtown

Where the agent man won’t let you down

Sell your soul to the company

Who are waiting there to sell plastic ware

And in a week or two

If you make the charts

The girls’ll tear you apart

The price you paid for your riches and fame

Was it all a strange game, you’re a little insane

The money that came and the public acclaim

Don’t forget what you are, you’re a rock and roll star…

McGuinn and McGuire couldn’t get no higher…(Mamas & Papas „Creeque Alley 1967)

Das Ende der Ur-Byrds zeichnete sich ab. Ihre neueren Alben gelangen zwar noch besser als die alten (und es sollten überraschenderweise noch bessere folgen), doch mit Hits taten die Byrds sich zunehmend schwerer. Im Flower-Power-Sommer ’67 wurde die Single „Lady Friend“ veröffentlicht, die auf keiner LP erschien, ausgezeichnet war und sich trotzdem schlecht verkaufte. Kurz darauf stieg Crosby aus, hing ein bißchen bei der Jefferson Airplane herum, für die er den Dreiecks-Sex-Song „Triad“ schrieb, kaufte sich eine 25000 Dollar-Jacht und schipperte durch die Gegend. Ende 1968 stieg er dann bekanntlich bei Crosby, Stills & Nash ein.

Die Hintergründe von Crosby’s Ausstieg waren offensichtlich. Der oft resigniert und apathisch wirkende Gitarrist scheuchte die übrige Band mit verwirrenden Aktionen. Er agitierte gegen die Autofirma General Motors in TV-Shows, die von eben dieser Firma finanziert wurden. Zeitweilig erklärte er die Hälfte der Byrds-Songs zu Drogenwerbung, zog ohne Absprache mit seinen Mitmusikern den Warren-Report über John F. Kennedy’s Tod bei Live-Auftritten in Zweifel und beteuerte anderseits, Rock solle nicht intellektualisiert werden. „Politik ist eine üble Sache, man sollte Besseres erfinden“, lautete einer von Crosby’s Merksätzen. Man munkelt daher auch, Crosby sei von seinen Kollegen schlichtweg gefeuert worden.

Ersatz war bald gefunden. Gene Clark, der zwischenzeitlich bei den Gosdin Brothers mitgewirkt hatte, kehrte zurück, blieb vier Wochen und setzte sich erneut ab. Später gründete er mit Doug Dillard die Band „Dillard & Clark“, in der unter anderen Bernie Leadon, heute bei den Eagles, und Geiger Byron Berline mitspielten. Noch später versuchte Clark ein Solo und nahm mit „Roadmaster“ und „No Other“ sehr ansprechende Alben auf.

Während der Aufnahme zur fünften Byrds-LP „The Notorious Byrd Brothers“ Anfang ’68 gab’s neue Aufregung. Mike Clark, seit jeher nicht von Ambitionen umschwärmt, hatte einfach die Lust verloren und flog zu einem Langzeiturlaub nach Hawaii. Dort hatte er sich schon kurz vorher auf einer Tournee sehr hingezogen gefühlt. Im Sommer ’69 gesellte er sich zur Country-Rock-Gruppe „The Flying Burrito Brothers“.

Trotzdem geriet „The Notorious Byrd Brothers“ zu einem der besten und sicherlich dem schönsten Album der Byrds, auf dem übrigens neben McGuinn/ HiUman/M. Clark noch Jim Keltner (dr), Sneaky Pete Kleinow (pedal steel gtr) und Clarence White (gtr) mitwirkten. Selten hat eine Rock-LP derartige Ausgewogenheit bieten können wie etwa Seite eins der „Notorious“-LP, auf der es von „Artificial Energy“ (die Experten witterten wieder LSD) über „Goin‘ Back“, „Natural Hannony“ (die Antwort auf „Artificial Energie“) und über das zauberhafte „Wasn’t Born To Follow“ an Wohlklang und fantastischen Melodiebögen nur so wimmelte. Auf Seite zwei gab es mit „Space Odyssey“ das alte Thema, diesmal allerdings auf dem Roman „The Sentinal“ von Arthur C. Clarke basierend, nach dem auch der Science Fiction-Film „2001: Odyssee im Weltraum“ entstand. Schließlich fiel auf, daß nun statt Jim ein gewisser Roger McGuinn bei den Byrds mitwirkte. Beide Personen waren identisch, nur hatte sich McGuinn unter Einfluß des femöstlichen Subud-Kults einen anderen Vornamen zugelegt. Diese Namensänderung blieb zum Glück die einzige Auswirkung auf den religiösen Musiker.

Ähnliche stilistische Geschlossenheit wie die „Notorious“-LP wies das im September 68 veröffentlichte Album „Sweetheart Of The Rodeo“ auf, das die deutlichen C & W-Einflüsse der vorangegangenen Platte unterstrich und ausbaute. In die Rock-Historie als erstes Country-Rock-Album eingegangen, lieferte „Sweetheart“ das Parallelstück zu Dylali’s „John Wesley Harding“ und „Nashvüle Skyline“, die auch 68 erschienen und den Country-Bob zeigten. Am Schlagzeug der Byrds saß nun Hillman’s Vetter Kevin Kelley, zweite Gitarre spielte Gram Parsons, auf dessen Einfluß die Byrds erst so konsequent landwärts gingen. Gram Parsons hatte in verschiedenen C & W-Bands gespielt, darunter auch die International Submarine Band, und war von der Idee einer Fusion zwischen Rock und Country geradezu besessen.

Wie zu erwarten, kam „Sweetheart“. an dem mehrere Hilfsmusiker mitgewirkt hatten, bei strengen Byrds-Fans nur mäßig an, auch der ausgekoppelte Dylan-Song „You Ain’t Going Nowhere machte da keine Ausnahme. Dafür begannen sich jedoch nun auch C & W-Fans für Rock zu interessieren, und die im Anschluß an „Sweetheart“ erschienen LPs anderer Gruppen wie Poco oder The Band zeugten von einer sehr lebensfähigen Synthese von Rock und Country. Vor allem aber machten sich die Flying Burrito Brothers um dieses Genre verdient. Gram Parsons hatte die Byrds bereits Mitte 68 wieder verlassen, da er an einer Tournee durch das rassistische Südafrika nicht teilnehmen wollte. Wenige Monate später stellten er und Chris Hillman, der gerade die Byrds wegen „Differenzen mit dem Management“ verlassen hatte, die Burritos zusammen, bei denen später auch die bereits erwähnten Bernie Leadon, Mike Clark, Sneaky Pete Kleinow und Byron Berline mitwirkten. Das erste Burrito-Album „The Gilded Palace Of Sin“ stand dem „Sweetheart“-Album in nichts nach.

McGuinn spielt und spielt und…

Roger McGuinn, nunmehr der letzte Ur-Byrd, formierte zum x-ten Male um. Für Gram Parsons kam Clarence White, der seit „Younger Than Yesterday“ auf allen Byrds-Alben mitgewirkt hatte. White hatte einst die „Kentucky Colonels“ gegründet, wechselte später zu „Nashvüle West“ (daher auch der spätere Byrds-Song) und war gefragter Sessionman bei Joe Cocker, den Everly Brothers, Arlo Guthrie und Randy Newman. Für Kevin Kelley, der zur Band von Tim Buckley wechselte, stieg nun Gene Parsons (nicht verwandt und nicht verschwägert mit . . .) ein, dessen vorherige Gruppe „The Castaways“ lediglich den Vorteil hatte, den Teufelsgeiger Gib Gilbeau in ihren Reihen zu haben. Gene Parsons und Clarence White kannten sich allerdings von gemeinsamer Arbeit bei Nashville West. Für Chris Hillman, der bekanntlich nach den Burritos zu Stephen Stills‘ Manassas ging, übernahm John York, ehemaliges Mitglied des Sir Douglas Quintetts, den Baß. Die Byrds hatten ihn in der Backing-Group von Gene Clark (!) entdeckt.

Entsprechend den verwirrenden Umbesetzungen, geriet auch das folgende Byrds-Album „Dt. Byrds And Mr. Hyde“, auch wenn der typische Sound dank McGuinn’s Stimme und Rickenbaker manchmal noch durchklang: eine interessante Fassung von Dylan’s „This Wheels On Fire“, ein tolles Medley aus „My Back Pages – B.J. Blues – Baby What Do You Want Me To Do“, nette Country-Klänge in „Drug Store Track Drivin‘ Man“ und „Nashville West“, doch sonst viel Leerlauf kennzeichneten die LP. Speziell die Songs „Candy“ und „Child Of The Universe“, die McGuinn für den Soundtrack des Films „Candy“ geschrieben hatte, klangen weniger als mäßig. (Dafür spielte allerdings Ringo Starr in „Candy“ eine ausgezeichnete Nebenrolle.) Da besaßen die Songs zum Erfolgsfilm „Easy Rider“ doch anderes Kaliber. Neben dem alten „Wasn’t Born To Follow“ sang McGuinn solo den Dylan-Titel „It’s All Right Ma (I’m Only Bleeding)“ sowie „The Bailad Of Easy Rider“, die auch im Anfang 1970 erschienenen Byrds-Album des gleichen Titels enthalten war. Mit lockerer Hand war diese LP von Doris Day-Sohn Terry Melcher produziert worden, relaxte Songs mit abermals unüberhörbarem Country-Einschlag – und McGuinn beschwor alte Zeiten: Die erste Landung auf dem Mond hatte ihn natürlich so begeistert, daß er den Kosmonauten Armstrong, Aldrin und Collins einen eigenen Song widmete.

Natürlich waren die Byrds bei Erscheinen dieses Albums nicht mehr die Byrds. John York war ausgestiegen und durch Skip Battin, vormals eine Hälfte des Duos „Skip and Flip“ (Gary Paxton), ersetzt worden. Mit Hits lief nun gar nichts mehr, „Lay Lady Lay“, eine Dylan-Komposition, klang in ihrer Version schauderhaft und auch mit „Gene Tryp“, einer Folk-Rock-Version von Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ (Edvard Grieg hatte das ein Dreivierteljahrhundert vorher schon glänzend vertont), war kein Staat zu machen. McGuinn hatte dazu sechsundzwanzig Songs komponiert, Jaques Levy ihm dabei geholfen, mit Gram Parsons, Tim Buckley und Michelle Gilliam standen schon die Darsteller fest. Das Musical wurde nie aufgeführt. Zwei Fragmente daraus, „Chestnut Mare“ und „Lover Of The Bayou“, tauchten aber auf dem Ende 70 veröffentlichten Doppelalbum „The Byrds – Untitled“ auf und waren vorzüglich. Mit „Untitled“ rückten die Byrds ihren etwas ramponierten Ruf wieder zurecht, „Yesterdays Train“ und „Just A Season“ stellten hervorragende Studio-Tracks dar, während die andere Hälfte des Doppelalbums mit Live-Aufnahmen sogar überwältigte. Dylan’s „Positively 4th Street“, „Mr. Tambourine Man“, „Mr. Spaceman“, „So You Want To Be A Rock’n’Roll Star“, all die alten Heuler, waren vorzüglich neuinterpretiert worden. Als Höhepunkt gab’s gar sechzehn Minuten „Eight Miles High“ mit einfühlsamen Gitarren-Gefechten McGuinn gegen White, wobei erst eine Minute vor Schluß dann doch noch der Text ins Mikrofon geknurrt wurde.

Dafür geriet das folgende Album „Byrdmaniax“ zum Flop. Mit wenigen Ausnahmen („Citizen Kane“, „Jamaica Say You Will“, „I Wanna Grow Up To Be A Politican“) gab’s hier nichts Interessantes zu hören. Immerhin gelang das schließlich letzte Byrds-AIbum „Farther Along“ wieder passabel. Die Byrds hatten sich erstmals selbst produziert und mit „America’s Great National Pasttime“, „Tiffany Queen“ und „Precious Kate“ wieder echte Knüller eingespielt.

Doch an dieser Stelle endete die Geschichte der Byrds. das heißt, sie endete nicht, sie versandete nur. Die Gruppe spielte noch eine Zeitlang weiter, mit allen Konsequenzen: Für Drummer Gene Parsons, der es solo versuchte, kam John Guerin, ein Sessionman, der immerhin schon in den Jazz-Combos von Buddy De Franco und Thelonious Monk getrommelt hatte. Doch die Sache lief nicht mehr, man löste sich auf. Kurz darauf, im Juli 73, starb Clarence White nach einem Autounfall, drei Monate später wurde Gram Parsons unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden.

Doch McGuinn machte noch immer weiter. Mit John Guerin, Mike Wofford (keyb) und David Vaught (keyb) spielte er allerdings nicht mehr unter dem Namen „Byrds“. Außerdem nahm McGuinn zwei Solo-LPs auf, „McGuinn“ und „Peace On You“, wovon die erste ausgezeichnet war, die zweite weniger.

Etwa in der zweiten Hälfte des Jahres 1973 war dann unter Byrds-Fans die Aufregung groß. Die Ur-Besetzung McGuinn, Hillman, Crosby sowie Mike und Gene Clark hatte sich wiedergefunden und ein „Reunion“-Album eingespielt. Doch was vorher befürchtet werden mußte, bestätigte sich bald: Die Reunion war nur kurzfristig, und das Album klang nett, aber nicht mehr. Man gewann den Eindruck, als ob sich fünf Schulfreunde nach langer Zeit treffen, über alte Zeiten schwärmen, die doch nie wiederkehren und diese Freunde dann nochmal ein paar Streiche aushecken. Wie hatte der alternde B.B. King einmal über sich selbst gesungen: „The Thrill Is Gone die Spannung ist weg“. Genau das war’s.