ME & Me
Lutz Wauligmann war von 1972 bis 1975 Reporter und erstes "Gesicht" (mit super Afro drumherum) des ME
Wie kamst du zum ME? Eine Freundin hatte mich auf eine Anzeige aufmerksam gemacht, dass der „Musik Express“ einen Redakteur sucht. Ich arbeitete in meiner Freizeit als Discjockey und war halt Rock- und Popfan. Wie viele. Vielleicht etwas mehr als der Durchschnitt. Ich hab mich beworben, das hat geklappt, und im Herbst 72 kam einer vom Verlag, von der „Paul Acket Organisation“, mit seinem Bullv bei mir in Münster vorbei, da haben wir mein Zeug rein, und ab ging’s nach Holland – die Stammredaktion saß in Den Haag. Da wohnte ich dann in einer Dienstwohnung in einem Haus mit lauter jungen Mitarbeitern.
I Was waren deine ersten Aufgaben?
Zunächst, die holländischen Texte zu übersetzen. Die erste größere Sache war dann Alice Cooper in München, mein erstes richtiges Interview. Ein paar Wochen später war der dann auch in Holland, und meine Kollegen waren ganz beeindruckt, dass der mich kannte und ich mit dem rumgealbert hab, während sie kaum den Mund aufkriegten.
„Lutz kann’s mit den Stars.“
Genau. Das war so mein Einstieg, und dann ging’s Schlag auf Schlag. Bolan. Mike Oldfield. Status Quo. Bowie. Ich hab im Grunde die ganzen 70er-Jahre-Bands, die einem einfallen, interviewt in diesen zweieinhalb Jahren. Die Woche über saß ich im Büro, am Wochenende ging’s nach London. Nicht viel verdient, aber ich bin nicht verhungert und hatte meinen Spaß. Das waren ja zum Teil Millionäre, und ich da mit meinem Minigehalt, aber lebte quasi in deren Welt. Das war schon verrückt. Wenn man bei Ian Hunter von Mott The Hoople war, und der hat einen mal eben zum Spaß mit seinem Rolls Royce quer durch London chauffiert. Weil er mit seiner Karre angeben wollte, klar.
Was war dein größter Coup?
Ein Riesenerfolg war die Bowie-Sachc. Der war ja Anfang 1973 schon Superstar. Und kam zu einem Pressetermin nach Holland – das erste Mal überhaupt auf den Kontinent. Da stand aber schon im Einladungs-Telegramm: Es dürfen Fotos gemacht werden, aber Interviews wird’s nicht geben. Da saß dann Bowie, mitten im Raum, und um ihn rum knipsten die Fotografen. Irgendwann sah ich in der Ecke Bowies Frau Angie sitzen, die wurde gar nicht beachtet. Ich bin mit ihr ins Gespräch gekommen und meinte so, ja, schade, dass es keine Interviews gibt, und sie: „Kein Problem.“ Und dann hat sie mir einen Termin gemacht mit ihrem Mann. Die anderen Journalisten gingen nach Hause, und ich durfte mit den beiden ins Nebenzimmer und bekam mein Exklusivinterview.
Gab’s auch Negatives? Ein Interviewtermin mit Bad Company auf Jersey. Ein sehr lustiger Tag, es wurde viel getrunken, Paul Rodgers saß immer am Klavier und hat gesungen, es waren andere Gäste da, richtig partymäßig. Abends ging’s in die Disco, VIP-Lounge, alles prima. Am Ende waren wir alle im Hotelzimmer von Rodgers, die Band und ich und mein Fotograf. Rodgers hatte einen Videorekorder mit Musikvideoclips! 1975! Das war natürlich total hip. Da wurden dann Joints gebaut und Whisky rangeschafft. Und um drei Uhr musste mein Fotograf aufs Klo – und hat das ganze Badezimmer von Paul Rodgers vollgekotzt. Da war die Party vorbei. Rodgers wurde total stinkig. Und weil das mein Fotograf war und ich zuständig, durfte ich um drei Uhr früh stoned bis obenhin dieses Bad saubermachen. Am Frühstückstisch waren dann wieder alle nüchtern, da ging’s dann wieder.
Claim to fame? Ich hatte in meiner Kolumne was über Udo Lindenberg geschrieben. Der hatte die erste LP raus, die lief ja noch überhaupt nicht. Ich hatte da geschrieben, dass ich den cool fand und dass er eine große Karriere vor sich hätte. Irgendwann später meinte er, dass diese Kolumne überhaupt das erste Mal gewesen war, dass er pressetechnisch wahrgenommen wurde. Im Grunde kann ich also für mich in Anspruch nehmen, dass ich ihn journalistisch entdeckt habe. Haha! Er war ja damals schon sein bester eigener PR-Mann.