Maxim Rad – Ein Hamburger in Paris
TIMES AINT THAT BAD – ein euphorisch aufgenommenes Debüt-Album eines jungen Hamburgers, der in Frankreich englisch produziert hat. Bringen wir Licht in das Dunkel…
denn so neu ist Maxim Rad I nicht auf der Musikszene. I Der schon als Halbwüchsiger wegen seiner Schnelligkeit vielbeachtete Hamburger Nachwuchsgitarrero hatte seine erste feste Formation für Live-Auftritte im denkwürdigen ersten Punk-Jahr 1977. Vom ersten Auftritt dieser Band, der Jackets, im Hamburger „Logo“ schwärmen die Leute heute noch. Und das umfangreiche Material knapper, präziser Songs nach dem Geschmack der Zeit machte einen Musikverlag auf Maxims Fähigkeiten als Komponist aufmerksam. Was folgte war eine Odyssee durch alle Wege und Irrwege der Musikindustrie. Berühmte Produzenten wurden gewonnen und sagten im letzten Moment ab (Robert John Lange, Lou Reed u.a.), Schallplattenfirmen machten (zu) niedrige Produktionsangebote, und Band The Jakkets hatte sich inzwischen aufgelöst. Maxim arbeitete inzwischen in Kiev Stingls Begleitband und wäre mit seiner eigenen experimentellen Gruppe The Tanz sicher bei Deutschlands unabhängiger neuer Welle gelandet (die es damals noch nicht gab), wenn nicht im letzten Moment doch noch eine Zusammenarbeit mit der Industrie zustande gekommen wäre. Ausgerechnet die Franzosen, deren Verhältniss zur Rockmusik sich oft eher an Verpakkungen und Designs zu orientieren scheint, machten ihm ein Angebot, in Paris eine LP zu produzieren.
Mit zwei Leuten von The Tanz (Jean-Paul Prat, Schlagzeug und Bernard Prat, Saxophon) sowie französischen Studiomusikern entstand TIMES AINT THAT BAD. Die LP, die vor kurzem auch in Deutschland erschien, enthält vorwiegend älteres Songmaterial, das aber für die LP funkiger und vitaler arrangiert wurde, als die zynischen Urfassungen, die man ab und an in Hamburg hören konnte.
„Was haben die nur alle mit den Stones“, sagt Maxim, als ich ihn in Paris besuche, als Antwort auf die Kritiken seiner LP: „Ich finde die Stones zwar toll, aber ich mache doch ganz andere Musik.“‚ Besonders heute abend, wo er live für das französische Fernsehen auftritt, wird der Unterschied zwischen dem 23jährigen und den Enddreißigern deutlich. Schon in seinen knappen Gesten und Bewegungen macht er klar, daß seine Wurzeln eher bei den Velvet Underground als bei R&B liegen. Zwar hört sich die Musik zunächst wie Mainstream-Rock’n‘-Roll an, auf die Song-Form konzentriert und konventionell arrangiert, Maxims unterkühlte Energie hat aber ihre Quellen woanders: Großstadt-Langeweile, Nachtleben, allgegenwärtige Medienumwelt. Die Generation und die Umwelt, die Punk hervorbrachte, haben auch Maxim bestimmt, nur daß seine Musik stärkere Rückbindungen an die Rockgeschichte zeigt. In seiner gegenwärtigen Live-Band spielen ein englischer Motorhead-Fan Gitarre und ein Rasta Baß, neben den Brüdern Prat und Maxims Rhythmusgitarre, die für Kontinuität im Sound sorgen. Vielfalt und Entwicklung.
„Paris langweilt mich zu Tode“, sagt Maxim. „Hier laufen zwar nur schöne Menschen rum, aber sie denken nichts und sie machen nichts. Eigentlich kann man abends nur in die „Bains Douches“ gehen. Aber auch das ist auf die Dauer nichts.“ Er führt mir die „Bains Douches“ vor. Hier hat nur Eintritt, wer berühmt ist oder gut aussieht. Jedes Getränk kostet 80 Franc. Ein ehemaliges Duschbad als Treffpunkt für die Paris-New York Elite, „Best Of Both Worlds“, das Chicste vom Chic. Musik: James White, Human League, die neue Diana Ross, Suicide. „Jaja, die Mädchen sind toll, aber es ist immer das Gleiche. Nur Kokain und Schrott im Kopf. Er gähnt und bestellt noch einen Southern Comfort.
Am nächsten Tag erklärt er mir, daß er viel von der neuen deutschen Welle halte und es bedauere, ins kulturelle Niemandsland geraten zu sein. „Hans und Gabi“ von Plan oder „Industriemädchen“ von S.Y.P.H. gehören zu meinen Lieblingsliedern, „Zurück zum Beton“ wollte ich schon mal nachspielen, aber ich habe mich nun mal auf englische Texte eingelassen, auf diese internationale Sache, und die Band ist ja auch keine deutsche Band, die grinsen nur, wenn ich ihnen S.Y.P.H. vorspiele. Aber bei meiner Deutschland-Tour werde ich auch ein paar Titel deutsch singen.“ Maxims beeindruckende Debüt-LP verkauft sich bisher ganz ausgezeichnet, vor allem in Frankreich und seiner Heimatstadt. Will er nun die Erfolgsformel wiederholen, oder wie soll es weitergehen? „Erstmal will ich wieder nach London oder Hamburg, wo was passiert, will Kontakte zu kreativen Leuten knüpfen und auffrischen. Die neue LP soll anders werden. Ich will nicht, daß die Leute sich immer an so viel erinnern, Stones und Lou Reed und all das. Etwas mehr Anarchismus vielleicht. Wir werden sehen.“ In seinem Fernseh-Konzert waren einige neue Songs zu hören, die sich von der Poppigkeit der LP unterschieden: mehr Härte, weniger Freundlichkeit. Vielleicht sind die Zeiten doch nicht so gut. „Es ist paradox: In Hamburgs harter Szene hatte ich mir das Konzept für eine positive, lebensfrohe LP ausgedacht, im Glanz von Paris schreibe ich eher boshafte Songs. Aber Du hättest James White sehen sollen, wie er hier vor ein paar Tagen in den „Baines Douches“ Gast-DJ gemacht hat. Die Figur eines zwölfjährigen, ständig ein so verkniffenes, bösartiges Gesicht. Und nicht ein Wort hat er geredet. Um mit ihm in Kontakt zu treten, hätte ich ihm ins Gesicht springen müssen. Und die Stranglers haben, als wir als Vorgruppe auftraten immer mit Knallfröschen nach dem Hund des Promoters geworfen. Und der Promoter stand mit verquälter Miene daneben und versuchte, es lustig zu finden.“ Maxim nimmt die Rockwelt stets mit amüsierter Distanz wahr, aber mittlerweile beginnt er sich auch manchmal zu ärgern: „Viele sind so dumm, vor allem die Amerikaner: ,Oh in the States, you know, things are much bigger, you know‘. Ich möchte nie in Amerika produzieren.“ Im Herbst will er dann die zweito LP aufnehmen, wobei noch fraglich ist: wo, wie und mit wem.