Marshall Chess im Gespräch


»ICH WOLLTE MEINEN VATER SEHEN« -Marshall Chess (57) im Gespräch

Was ist ihre früheste Erinnerung an Chess Records?

Dort arbeitete mein Vater Leonard. Ich ging dorthin, weil ich ihn sehen wollte, da er nie zu Hause war. Tagsüber war er im Büro, und nachts arbeitete er in seinem Nightclub.

Wo fanden Leonard und Phil Chess Talente wie Muddy Waters oder Howlin‘ Wolf? Das waren die Leute, die an den Wochenenden in den Nachtclubs von Chicago spielten. Diese Jungs hatten keinen Plattenvertrag, Leonard und Phil glaubten aber daran, dass man mit ihnen Platten machen konnte, die das schwarze Publikum kaufen würde.

Damals zahlte man Diskjockeys noch dafür, dass sie die Platten spielten.

Richtig, und zu Beginn der 5oer-Jahre war das auch noch legal. Man fuhr zu den Stationen , spielte ihnen die neuen Platten vor und drückte ihnen 50 oder 75 Dollar in die Hand. Das System funktionierte ganz gut, und ohne das Radio konntest du auch keine Hits landen.

Stimmt es eigentlich, dass Muddy Waters die Decke des

Chess-Gebäudes 2120 South Michigan Avenue anstrich, als die jungen Rolling Stones ’64 zu einer Session erschienen?

Nein, Muddy hätte wahrscheinlich nicht mal sein eigenes Haus angestrichen. Warum also hätte er das bei Chess tun sollen? Er war im Haus, um zusammen mit Willie Dixon ein paar Songs aufzunehmen.

Wie kam es zum Verkauf von Chess Records?

Kurz bevor mein Vater 1969 starb, verkaufte er die Firma an die GTR Comapny. Ich glaube, er war einfach müde. Interessant ist, daß er dafür Aktien bekam, die schon kurze Zeit später wertlos wurden. Man setzte mich als Geschäftsführer ein, und 1975 stellten sie das Label ein.