Marillion: Die Musiker der Tafelrunde
Über den Hügeln des Perigord, einer vor allem für ihre Trüffel bekannten Landschaft etwa anderthalb Autostunden von Bordeaux, erhebt sich das Chateau Marouatte, ein prächtiges Burgschloß, nebst Graben, Zugbrücke, mehrerer imposanter Türme und zinnenbewehrter Festungsmauern. Nach einer wechselvollen Geschichte befindet sich das im dreizehnten Jahrhundert erbaute Prachtstück heute im Besitz einer einflußreichen grauen Eminenz des internationalen Rock: Hausherr auf Marouatte ist seit 1992 Miles Copeland III., seines Zeichens Bruder des Police-Schlagzeugers Stewart Copeland, Manager von Sting und Eigner des Rock-Labels I.R.S.
Seit der dynamische Amerikaner auf Marouatte das Zepter schwingt, hat sich das Treiben innerhalb der würdigen Burgmauern stark verändert. So waren von Februar bis September des vergangenen Jahres einige Gestalten im Schloß zu Gange, die dort bisher ungewohnte Klänge durch die historischen Gewölbe donnern ließen: Marillion, Bannerträger des britischen Neo-Artrock, nahmen in Copelands aparter Wochenend-Behausung ihr aktuelles Album „Brave“ auf. „Wir wollten einmal ein ganz anderes Ambiente, ohne die übliche sterile Atmosphäre moderner Tonstudios, deshalb haben wir uns einen abgeschiedenen Ort wie diesen gesucht“, erklärt Gitarrist Steve Rothery die ungewöhnliche Wahl der Arbeitsstätte. „Hier hatten wir unsere Kühe und fanden gleichzeitig ein ausgesprochen inspirierendes Ambiente vor.“
Grund, aus der üblichen Routine auszubrechen, hatten die britischen Kunstrocker allemal: Seit ihr Gründer Fish 1988 die Band verlassen hatte, waren die einst stolzen Verkaufszahlen ihrer Alben ins Trudeln geraten, die immer noch zahlreiche Anhängerschaft hatte den stromlinienförmigen Pop des letzten Studio-Albums „Seasons End“ nicht eben euphorisch aufgenommen.
Die Marillion-Musiker haben daraus ihre Lehren gezogen. Man höre und staune: „Unser neues Album knüpft an den freien Geist der 70er Jahre an, als man seine Kreativität noch nicht im Drei-Minuten-Single-Format einsperrte, sondern entfaltete. Deshalb haben wir uns diesmal auch an ein Konzept-Album getraut.“