Malcolm McLaren
Wieder Inszeniert sich der Sex-Pistols-Guru McLaren als lebendes Gesamt-Kunstwerk - diesmal zwischen Walzer und "Vogueing". Was das ist und was er auf der Pariser Modewoche zu suchen hatte, erfuhr ME/Sounds-Mitarneiterln Sylwie Simmons.
Seine neueste Masche sind Walzer. Und „Vogueing“. Nicht irgendwelche Walzer natürlich – gesampelter Barry White neben Fetzen der „Schönen blauen Donau“, verziert mit ein bißchen Bootsy Collins und George Clinton, ein paar Schnörkel liefen das Royal Philharmonie Orchestra, Solos von Jeff Beck und eine erlesene Besetzung Fellini-esker New Yorker Nightclub-Freaks, die nur Malcolm McLaren, der Brettlkönig der Popszene, zusammentreiben und das Ergebnis dann sogar noch verkaufen kann: Zwei gigantische Texanerinnen namens Pretty Fat, Lisa Marie, die sie aus der Ballettschule rausgeschmissen haben, als ihr Busen zu groß wurde, und Willie Ninja, Kung-Fu-Poseur und unbestrittener König der Voguer.
„Vogueing“, sagt Ninja, „ist eine in den Underground-Clubs entwickelte Form der Unterhaltung, die Images, Mode und Musik der Mainstream-Kultur aufgreift und untergräbt. Vogueing imitiert Modeschauen – die Ausfuhrenden sind Männer.“ Vogueing beinhaltet einen gewissen Grad an Subversion, ist ideal für die Straße, farbenfroh und hat auch etwas mit Musik zu tun. Es verkauft Platten, Kleider, Zeitschriften; vielleicht kann man sogar einen Film daraus machen.
Perfektes Futter für Malcolm Mc Laren. „Was der Jugend heute fehlt“, so der 43jährige Engländer, „ist Leidenschaft! Größe!“ Vogueing ist „Skulptur Es geht um Bewegung, Struktur, Farbe, Stimmungen und Haltung. Deshalb mag ich Vogueing. Die Leute haben vergessen, wie man mit seinem Körper umgeht. “ Sein eigener ist in überdimensionierte Designer-Klamotten gehüllt, aus denen ein vogelartiges Gesicht ragt, scharf und schnabelartig, gekrönt von einem Schwung orangefarbenem Haar und einem ständig erstaunten Blick. Verdammt ähnlich zu den neuesten Fotos von John Lydon, sogar die Stimmen gleichen sich. Lydon, damals noch Rotten, war natürlich McLarens erfolgreichstes Produkt. Die Geschichte ist Rock-Legende: Er fing als Kunst-Groupie an (er liebte Andy Warhol) und verließ die Kunstschule, um sich mit seiner damaligen Freundin und Mutter seines Sohnes Joe, Vivienne Westwood, in die Welt der Mode zu begeben. Sie eröffneten einen Laden in der Kings Road, Chelsea. in dem sie Teddy-Boy-Klamotten verkauften und der rasch eine Menge Leute aus der Musikbranche anlockte – die erste Sprosse auf McLarens Karriereleiter. It ging nach New York, managte die New York Dolls. bis sie sich sechs Monate später auflösten, kehrte nach London zurück, um den Namen seines Ladens in „Sex“ zu ändern, stellte sein Sortiment auf Gummi- und Sado-Maso-Ausrüstung um und sammelte ein paar junge Rumhänger auf, die er Sex Pistols taufte. Ihre vorrangige Aufgabe war es, McLarens und Westwoods modische Ideen zu verkaufen. Andere Gebiete erwarteten den Meister des hypnotischen Hype: Adam Am, Filme (mit „The Great Rock’n’Roll Swindle“ handelte er sich einige Schwierigkeiten ein, als Sid Vicious während der Dreharbeiten an einer Überdosis starb und schließlich der Musiker McLaren selbst. Sein erstes Album war 1983 DUCK ROCK, „Weltmusik, seiner Zeit voraus“, wie er heute jammert – eine Mischung aus Zulu und Square Dance, produziert von Trevor Hörn. Sein neuestes Werk WALTZ DARLING kostete ihn einige Jahre und ein kleines Vermögen. Die Saat für diese Idee wurde gelegt, als er Jeff Beck auf der Abschiedsparty von Wham! traf. Sie erblühte zu voller Pracht in einem Verkehrsstau in Malibu, als er Surfern zuschaute und gleichzeitig in seinem Autoradio Strauß und in dem des Wagens dahinter Billy Idol lief. Ihre endgültige Gestalt bekam sie schließlich auf einem New Yorker Schwulen-Ball. bei dem er in der Jury für einen Vogueing-Wettbewerb saß. „Die Leute interessiert sonst doch nichts mehr“, schmunzelt McLaren, „die Pop-Kultur holt keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Wenn du jemanden auf der Straße fragst, traut er sich nicht zuzugeben, wie die Top Ten gerade aussehen.“
Ausschnitte aus WALTZ DARLING wurden erstmals auf den Laufstegen der Pariser Modewoche präsentiert. Den Franzosen ist es anscheinend hinter dem Ofen zu langweilig.