LSD per DSL
Wer eine schnelle Internet-Verbindung hat, kann die Psychedelia des Summer of Love zu Hause erfahren: "Magie bedeutet, etwas zu sehen, was jenseits des Sichtbaren liegt" (Ken Kesey).
Ken Kesey, der Autor von „Einer flog über das Kuckucksnest“, liebte LSD. So sehr, dass er Mitte der 60er-Jahre in Kalifornien Partys veranstaltete, die er „Acid Tests“ nannte: 400 Leute erschienen bereits zu der zweiten Veranstaltung dieser Art, zu der im Dezember 1965 nach einem Rolling-Stones-Konzert mit Flyern geladen wurde, auf denen „Can you pass the Acid-Test?“ stand. The Grateful Dead – selbst higher als dem gemeinsamen Musizieren dienlich – improvisierten zu einer beeindruckenden Lightshow, während sich die Besucher aus einer LSD -Bowle bedienten. „Als wir zum ersten Mal die verbotene Kiste zu der anderen Dimension öffneten, war uns klar, dass wir etwas so Überraschendes und Bedeutendes entdeckt hatten wie Kolumbus, als er auf die ‚Neue Welt‘ stieß“, sagte Kesey später. Musiker, Künstler, Autoren und Poeten experimentierten plötzlich weitgehend unbefangen mit psychedelischen Drogen. Zum Höhepunkt dieser sonderbaren Phase – dem „Summer of Love“ von 1967 – war bereits eine Ästhetik etabliert, die den Erlebnissen auf Drogen-Trips nachempfunden war. Die Psychedelia – und im Ansatz der Rausch, den die naive Szene bei ihren Selbstversuchen hatte – lassen sich relativ gut im Netz erfahren.
Erfreulicherweise ist noch heute, zum 30-jährigen Jubiläum dieses bemerkenswerten Sommers, der brillante Webauftritt einer Ausstellung online, die sich bereits vor knapp zwei Jahren dem Phänomen gewidmet hatte. Unter dem Motto „Summer of Love – Psychedelische Kunst der 60er-Jahre“ waren in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt über 350 Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Fotografie, Film, Video, Environment, Architektur, Grafik-Design und Mode versammelt. www.schirn-kunsthalle.de/summer-of-love ist das Tor zu einer schwindelerregenden Welt, die große Kunstwerke hervorgebracht und einigen ihrer Bewohner den Verstand geraubt hat.
Beim Öffnen der Seite erscheint eine ernst gemeinte Warnung: „Der sog. ‚LSD -Mode‘ der folgenden Seite kann bei gefährdeten Personen unter Umständen epileptische Anfälle auslösen.“ Nicht gefährdete Personen aktivieren das Yin-Yang-Zeichen in der Ecke und erleben einen psychedelischen Wahnsinn in Bild und Ton, der so außergewöhnlich ist, dass die Website 2007bei den „Webby-Awards“ in der Kategorie „Art“ nominiert war. Am linken Rand des überwältigenden Farbengeblubbers flirrt eine sonderbare Leiste, die bei der Curser-Überfahrt eine Timeline offenbart. Getrennt nach „Kunst/Literatur“ und „Gesellschaft/Musik“ sowie „Politik“ werden hier die wichtigsten Stationen der Psychedelia beschrieben von 1938, als in der Schweiz erstmals LSD im Labor hergestellt wurde, bis zum großen Coming Down Anfang der 70er-Jahre.
Ein Klick auf „Liste aller Kunstwerke“ führt zu Abbildungen von Postern (darunter die Ankündigungen der legendären Acid-Veranstaltungen mit The Doors und The Grateful Dead), Bildern, Fotos (Allen Ginsberg auf einer Leiter in der „Speaker’s Corner“ im Hyde Park London), Plattencovern und anderen Exponaten (Janis Joplins psychedelisch lackierter Porsche 356C Cabriolet!).
Wer nach nach zu langem Verweilen auf der Seite süchtig nach Psychedelia geworden ist, kann sich weiteren Stoff bei www.lib.virginia.edu/small/exhibits/sixties, www.psychedelix.com und www.synthesoft.com/download.htm (Bildschirmschoner!) besorgen.