Und The Libertines kamen doch
Am Samstag feierte das Lollapalooza Festival in Berlin seine Europapremiere. Wir waren vor Ort und haben uns unter anderem Deichkind, Libertines, FFS, Hot Chip und Macklemore & Ryan Lewis angeschaut. Unsere Eindrücke hier zum Nachlesen.
The Libertines
Vielleicht war es nur der große Zeh des Drummers: Um die durchaus langweilige Saga gleich mal abzukürzen – nachdem sie Donnerstag und Freitag noch Auftritte abgesagt hatten, standen die Libertines am Samstag in voller Besetzung beim Lollapalooza auf der Bühne. Das schön verklausulierte Pressemitteilungsvokabular „medical situation“ fiel selbstverständlich Peter Doherty in den Schoß – auch, da das offizielle Band-Statement offenließ, ob nicht doch Schlagzeuger Gary Powell bloß die Snare auf den Fuß gefallen war.
Aber zum Wesentlichen: Ein Festival-Auftritt der Libertines außerhalb ihrer Heimat Großbritannien ist wie ein Süßigkeitenautomat: Das Publikum muss ein bisschen was investieren, um etwas herauszubekommen. Wie eine weise Diva reagieren die Libertines nämlich auf Verehrungsgesten aus dem Zuschauerbereich. Kommt ihnen etwas entgegen, wird rumgeblödelt, das Publikum einbezogen, auf Deutsch gewitzelt.
Vielleicht war es doch besagter „situation“ geschuldet, dass der Auftritt in großen Teilen ein bisschen zu pflichtbewusst ausfiel. Bis auf ein „Guten Morgen, meine Lieblinge“ zum Auftakt und diverse „Lollapaloooooza!“-Weckrufe gab es zwischen den Liedern nichts zu hören von Doherty, Barât & Co. Einige der Songs klangen eher nach Einspielen im Proberaum als nach den unwiderstehlichen Dreiminütern, die sie eigentlich sind. So viele Hits sie allein auf den ersten zwei Alben haben, so seltsam dumpf und marode ließen es die Libertines sich nicht nehmen, gleich zu Anfang „Horroshow“, „Vertigo“, „Time For Heroes“, „Can’t Stand Me Now“ zu zerschießen. Bis sie sich langsam warmspielen. „Music When The Lights Go Out“ und „The Good Old Days“ sind auch elf, zwölf Jahren nach Veröffentlichung herzzerreißende Tagebucheinträge dieser Band, der Refrain von „Gunga Din“ vom aktuellen Album klingt riesig über die Festivallautsprecher, und „Death On The Stairs“ bleibt eine superlässige Live-Nummer, obwohl der Sound der Band auf der mittleren Bühne eingeklemmt ist von Fatboy Slim auf der einen und Macklemore auf der anderen Seite. Aber spätestens als die hübsche, tanzwütige, unbeschwerte Indie-Jugend beim Intro von „Don’t Look Back Into The Sun“ in die Luft geht, ist vergessen, dass die Libertines heute etwas festgetackert klangen. (Daniel Schmidt)