LÖWEN-HERZ


Aus Raider wurde dereinst Twix. Aber weiß eigentlich noch jemand, wie Lion früher hieß? Genau: Dogg. Der Kalauer muss erlaubt sein, schließlich wohnt der Transformation des Calvin Broadus vom kalifornischen Gangstarapper zum karibischen Gottessänger eine gewisse Albernheit inne. Eine spirituelle Grenzerfahrung auf Jamaika, ein Häkelmützchen auf dem Kopf, und plötzlich geht es nicht mehr um Weiber und Waffen, sondern um den Weltfrieden? Jah Jah, deine Mudder. Andererseits entzieht sich der Doggfather schon seit Jahren auf erstaunliche Weise dem Authentizitätswahn des HipHop. Er kann heute vor TV-Kameras den verantwortungsvollen Familienvater und Footballtrainer mimen, nur um morgen wieder auf Albumlänge über Karren, Kanonen und den Ehrenkodex eines echten Crips zu schwadronieren. Mal macht er Pornos, nun eben auf Pazifist. Übel nimmt ihm das keiner. Schließlich ist Snoop letztlich genauso sehr Rasta wie er Gangbanger ist: tendenziell gar nicht.

Er ist in erster Linie Geschäftsmann, in zweiter auch und in dritter Linie ein charmanter Entertainer, der auch auf seinem nun erschienenen Reggaealbum REINCARNATED(Vice Records/RCA/Sony Music) mehr richtig macht, als man bei einem Stunt dieser Dimension vermuten würde. Die Riddims von Diplo und Kumpel Dre Skull changieren zwischen kompetenter Traditionsverwaltung und einer galant globalisierten Variante des aktuellen Inselsounds, voll mit süßlichen Synthiemelodien und blank polierten Basslines. Mit Popcaan und Mavado sind die richtigen Gäste aus dem Mutterland des Genres dabei. Und dann ist da natürlich noch diese unverkennbare Fistelstimme, die sich zwar mehr wie ein Gepard denn wie ein Löwe um die Beats windet, diese aber umso besser akzentuiert. Oder anders gesagt: Seine Tiefenentspannung und sein naturgegebenes Charisma hat Snoop durch noch mehr Kiffen nicht verloren. Revolutionen braucht man trotz der demonstrativ gereckten Faust nicht zu erwarten.