Little Feat


Sie waren die musikalische Version des amerikanischen Traums: Little Feat. Doch zuerst verließ sie das Glück, dann die Gabe, neue Ohrwürmer vom Schlage eines "Willin"' zu schreiben und zuguterletzt verließ sie ihr KopfLowell George. Doch ihre Hinterlassenschafl wird alle Wellen-Streitereien überdauern, denn wann auch immer Lowell George etwas komponierte, es wurde meist ein Rock-Klassiker daraus. So lest denn über die manchmal so gar nicht heldenhaften Abenteuer der "kleinen Heldentaten" . ..

Ein merkwürdiges Gefühl befällt den Schreiber, der einen Artikel über eine seiner Lieblingsbands schreiben soll eine Gruppe, die es dem Namen nach eigentlich gar nicht mehr gibt und deren Hauptakteur leider bereits das Zeitliche gesegnet hat. Doch warum nun Trübsal blasen? Beginnen wir die Story lieber mit einer für alle Beteiligten erfreulichen Meldung: Little Feat, von manchen scherzhaft „kleine Füße“ genannt, sind wieder auf den Beinen, genauer gesagt auf den Hühnerbeinen! Ende letzten Jahres formierten Gitarrist Paul Barrere, Bassist Kenny Gradney, Schlagzeuger Richie Hayward und Percussionist Sam Clayton zusammen mit dem Rock-Veteranen Bob „Catfish“ Hodge die Gruppe Chicken Legs.

Über Bob Hodge und seine ehemalige Gruppe Catfish weiß ich persönlich nur soviel, daß sie mal zwei exzellente LPs auf Epic veröffentlichten, daß Hodge ungeheuer fett aussah, eine gewaltige Stimme hatte und sein Gitarrenspiel auch nicht zu verachten war.

Doch über seine neuen sideman und die restlichen Little Feat-Mitwirkenden weiß ich ein bißchen mehr, und dieses Bißchen will ich nun kurz rekapitulieren.

Die Musiker, die später unter dem Bandnamen Little Feat zumindest bei allen Kritikern Kultstatus erreichen sollten, kamen erstmalig im Jahre ’69 zusammen. Frank Zappa, damals noch Alleinherrscher über sein Straight-Label, brauchte ein paar erfahrene Studiomusiker, die dem Debüt-Album seiner Groupie-Kapelle The GTO’s ein musikalisches Fundament geben konnten. (Daß die GTO’s-LP allenfalls ihrer durchweg kakophonischen Klänge wegen keine der Damen konnte auch nur einen richtigen Ton singen – zum Sammlerstück wurde, ist eine andere Geschichte.) Mit von der Partie waren nebst Lowell George auch noch die beiden Gitarristen Ry Cooder und Russ Titelman.

Doch konzentrieren wir uns am besten gleich, auf die erste Little Feat-Besetzung, die im Jahre 1970 ihr Debüt-Album veröffentlichte: Lowell George, Gitarre extraordinair und Gesang; Roy Estrada, Bass; Bill Payne, Keyboards und Richie Hayward, Schlagzeug. Der Produzent der LP hieß Russ Titelman, und das Slide-Guitar-Solo auf der Trucker-Hymne „Willin'“ stammte von Ry Cooder.

Im Grunde genommen waren alle Beteiligten schon seit Jahren Freunde. Drummer Richie Hayward z.B.hatte mit Frau und Kindern in Lowells Wohnzimmer Asyl gefunden, Keyboardspieler Bill Payne nannte dessen alten Volkswagen sein Zuhause. Hayward, zuvor Mitglied der Kiffköppe-Gruppe The Fraternity of Man, die vor allem durch den Song „Don’t Bogart The Joint“ auf dem „Easy Rider“-Soundtrack bekannt geworden waren, hatte Lowell George bei den Aufnahmen der zweiten Fratemity-LP, GET IT ON, zu Hilfe gerufen. Lowell kam und rettete die Platte wenigstens davor, ein totales Desaster zu werden.

Bill Payne dagegen, der vor Little Feat nur in eher unbedeutenden Bands mitgespielt hatte, stieß über Zappa auf Lowell George. George war ’69 für einige Zeit Mitglied der Mothers, spielte auf zwei deren LPs mit, stand aber mit dem eher despotischen Kapellmeister auf Kriegsfuß. Für Payne jedoch war Zappa der Größte, und so bombardierte er diesen wochenlang mit Telephonanrufen. Payne’s Versuch, endgültig einzusteigen und George’s Ausstieg, fielen wie der Zufall es so v/U aulein und denselben Tag. Man unterhielt sich kurz, entdeckte gemeinsame musikalische I nteressen, und schon hatte die Gruppe Little Feat drei Mitglieder, D en Namen brachte George übrigens neben der Fähigkeit rund fünfhundert Zappa-Kompositionen auswendig spielen zu können als einziges Erbe aus seiner Mothers-Zeit mit. Drummer Jimmy Carl Black – Tm the only indian of the group“ – hatte George permanent wegen dessen kleinen Füße gehänselt, und da der nun wieder Wortspiele über alles liebte, wurden aus den kleinen Füßen (littlefeet) kleine Heldentaten (little feat).

Jetzt fehlte nur noch ein Bassist, und nach ca. 20 Versuchen mit Zupfern aus der Nachbarschaft, konnte George den Mothers-Basser Roy Estrada überreden, bei ihnen mitzumachen.

Die erste LP, kurz LITTLE FEAT betitelt, erschien, wie gesagt, im Jahre 1970 und wurde von den paar Kritikern, die sie zu hören kriegten, bejubelt. Man pries George’s einmaliges Gitarrenspiel, seinen phantastischen Gesang, seinen Sinn für Arrangements mit Ohrwurmcharakter, überhaupt das Zusammenspiel dieser neuen Band, doch damit hatte es sich auch schon.

Richie Hayward, in dessen Nachbarschaft ich einige Zeit lebte und mit dem ich mich bei Little Feat’s erstem Deutschland-Gig anfreundete, erzählte mir einmal, daß die Band in den ersten fünf Jahren nicht einen Cent verdiente und daß sich die einzelnen Bandmitglieder nur durch Sessionarbeit über Wasser halten konnten. Die Knausrigkeit der Warner Brüder, die von den ersten beiden LPs nur wirk-Ijch minimale Mengen pressen ließen, dürften wohl auch der Grund für Roy Estradas Ausstieg nach der zweiten LP SAILJN 1 SHOES gewesen sein. Laut Hayward konnte ihn Captain Beefheart mit einem Angebot von 350 Dollar pro Woche leicht abwerben, denn dieses Geld war exakt 350 Dollar mehr als die Band pro Woche zusammen verdiente. Auch SAILIN‘ SHOES, für mich perönlich die beste LP der Band, wurde über den grünen Klee gelobt. So schrieb z.B. Pete Erskin in der englischen „Sounds“, daß „Cold, Cold, Cold“ der Little Feat

beste Song sei, den er je gehört habe und daß der Sound von Bill Payne’s Keyboards die Haare auf seiner schweinsledernen Brieftasche zu Berge stehen lassen wurde. Nein, auf dieser LP war wahrlich jeder Song eine kleine Heldentat, ob nun Lowell mit „Teenage Nervous Breakdown“ eine furiose Rock’n’Roll-Bonanza anzettelte, oder ob er auf „A Apolitical Blues“ dermaßen den Blues hatte, daß er noch nichl mal mit Chairman Mao am Telephon reden, wollte! Und nicht zu vergessen die Produktion, für die nun erstmalig Ted Templeman verantwortlich zeichnete, nicht zu vergessen auch das surreale Cover von Neon Parks, das erste in einer langen Reihe.

Doch was soll’s, SAILIN‘ SHOES verkaufte sich nicht einen Deut besser als ihr Vorgänger, die Musiker wußten noch immer nicht, wie sie am nächsten Ersten die Miete zahlen sollten, bei Little Feat, nun auch noch ohne Bassist, sprach man bereits wieder von Auflösung. Genalirt wurde diese desolate Stimmung auch noch durch das Gerücht, Lowell George wolle mit Phil Everly und John Sebastian eine neue Supergruppe gründen. Doch aus dieser Fusion, bei der nur ein Demo des Songs „Dixje Chicken“ bei herauskam, wurde glücklicherweise nichts. Stattdessen ging die Band nun gleich mit drei neuen Mitgliedern an einen zweiten Start.

Neuer Bassist wurde Ken Gradney, ein ungemein talentierter Musiker mit beachtlichem Background. Sein Vater war ein bekannter Produzent und Promoter in Kalifornien, sein Bruder Gabriel war jahrelang Tourmanager für Stax, und Ken selbst hatte vor seinem Einstieg bei Little Feat bereits mehrere eigene Bands formiert. In einer seiner Gruppen spielte z. B. AI McKay mit, der dann später mit Earth, Wind&Fire zu Weltruhm gelangte, in einer anderen wirkte Gene Dozier, ein Cousin der berühmten Motown-Dozier, mit. Ken’s letzte Band vor Little Feat war die von Delaney und Bonnie Bramlett, bei der er über drei Jahre den Bass zupfte. Doch da sich bei Familie Bramlett eine Ehekrise anbahnte, die sich allmählich auch auf die Gruppe zu übertragen begann, kam ihm der Wechsel zu Little Feat ungemein gelegen.

Und noch ein zweiter Musiker kam mit Ken Gradney von der Bramlett Band: Percussionist Sam Clayton. Eigentlich war Clayton gefeuert worden; vor der letzten Tour der Band hatte er sich ein Knie verstaucht, konnte kaum stehen und wurde kurzerhand von Delaney Bramlett durch einen neuen Percussion-Mann ersetzt.

Clayton hatte schon in der Schule mit den Congas experimentiert; das konventionelle Schlagzeug war ihm immer zu starr und zu limitiert erschienen. Nach Beendigung der Schulzeit war er bereits ein gefragter Sessionmusiker, stieg aber dann zunächst bei einer Gospelband ein, wechselte kurze Zeit später zu Little Richard und spielte von da an mit fast allen Größen der Rock-Szene, u.a. Eric Clapton, King Curtis. Gregg Allman und George Harrison. Für Little Feat, speziell Richie Hayward, war Clayton das sprichwörtliche Geschenk des Himmels hielt die Gruppe doch schon seit einiger Zeit Ausschau nach einem zweiten Schlagzeuger.

Der dritte Neue im Feat-Bunde wurde ein bis dato recht unbekannter Gitarrist namens Paul Bafrfere. Zwar spielte Barrere bereits seit jungen Jahren Gitarre, hatte auch mal einer Band namens LedEnema vorgestanden, doch sein letzter Job, bevor er zu Little Feat kam, war der eines Kellners in einem von Joni Mitchell und Crosby, Sülls and Nash-Leuten finanzierten Musikertreff der The Black Rabbit Iran hieß.

Eigentlich war Barrere nur der Part eines Rhythmusgitarristen zugedacht worden, doch als im Februar 73 die dritte Little Feat-LP DIXIE CHICKEN erschien, da konnte von einer solchen Rollenverteilung nicht mehr die Rede sein. Nicht nur, daß Barrere nun mindestens 50 % aller Gitarren-Soli zugeschrieben wurden, er hatte auch fleißig mitkomponiert und mit „All Trat You Dream* und „Romance Dance“ zwei Stücke fabriziert, die nahtlos ins musikalische Schema der Band passten.

Doch die Resonanz auf die dritte LP war nicht besser als die auf die beiden Vorgänger. Irgendwie schien das plattenkaufende Publikum die Raffinesse dieser Musik nicht hören zu können, oder schlimmer noch, nicht hören zu wollen, mochten die Live-Shows der Band auch noch so enthusiastisch beklatscht werden. Lowell George beschloß die Flucht nach vorn anzutreten, die Plattenfirma endlich zu mehr Action zu bewegen: im Einvernehmen mit allen Beteiligten löste er die Band auf.

Einerseits hatten alle Musiker jetzt soviel Renommee und das wußten sie auch – daß sie jederzeit in einer anderen Band hätten wietkommem können (Barrere z. B. hätte sofort bei Bonnie Raitt einsteigen können, George wohl in jeder L.A.Band), doch andererseits hatten sie nicht all die Jahre vorher von der Hand in den Mund gelebt, um nun sang- und klanglos dem Ende von Little Feat zuzusehen.

Und siehe da, Lowell George’s Powerplay hatte sofort Erfolg, die Warner Brüder griffen plötzlich wie geölt ins Portemonnaie, und ein paar Wochen später schon war die Band auf dem Weg nach Maryland, um in den Blue Seas Studios ihre vierte LP, präventiv FEATS DONT FAIL ME NOW betitelt, aufzunehmen.

Der chronologischen Genauigkeit halber sollte aber noch erwähnt werden, daß Lowell kurz zuvor einen Anruf aus New Orleans kriegte, und Ace-Produzent Allen Toussaint ihn bat, ihm bei der Produktion des ersten Robert Palmer Solo-Albums SNEAKIN‘ SALLY THROUGH THE ALLEY zu assistieren. Die Platte wurde sehr gut für mich ist sie bis dato immer noch Palmer’s beste doch leider teilte sie, was den Erfolg anbelangte, das Schicksal der ersten drei Little-Feat-Platten: sie blieb fast unbeachtet und ergo in den Regalen liegen.

Doch zurück zu FEATS DONT… Die LP erschien im Herbst 74 und löste recht unterschiedliche Reaktionen aus. Zum einen waren die Kritiker nun erstmalig nicht mehr einhelliger Meinung, zum anderen verkaufte _ diese LP aber mehr als ihre Vorgänger. Zwar lobten die Herren Rezensenten die beiden besten Titel der LP, „Oh Atlanta“ und „Rock’n’Roll Doctor“, unisono, doch einem großen Teil ging die Hinwendung der Band zum Funk etwas gegen den Strich. Die wollten – wer wird es ihnen verargen wollen? – mehr Songs vom Schlage „Sailin‘ Shoes“ oder „Willin“‚. Für das Publikum jedoch, das diese LP zur bis dahin bestverkauften machte, mag gerade der stilistische Wechsel den Kaufanreiz gegeben haben. Who knows?

Im Januar ’75 kamen Little Feal im Rahmen der sog. „Warner Bros. Music Show“ erstmalig nach Deutschland, und leider lief da für die Band auch nicht alles zum Besten. In Hamburg z. B. kam die Logistik der Plattenfirma völlig durcheinander, die auf Programmen und Plakaten ausgedruckten Anfangszeiten stimmten nicht die Bohne mit den tatsächlichen Anfangszeiten überein, und alle die, die festen Glaubens waren, Little Feal würden als letzte Gruppe spielen, machten im Laufe des Nachmittags lange Gesichter, hatte die Band doch bereits gegen 14 Uhr als erste Gruppe begonnen!

Und für die paar, die die Band zu Gesicht kriegten, entsprach das Gebotene auch nicht unbedingt den hochgesteckten Erwartungen. Vielleicht lag’s an der wirklich ungewöhnlichen Auftrittszeit, vielleicht an gruppeninternen Querelen, vielleicht an der mit Bugs Bunny und Konsorten verbrämten „Supershow“, vielleicht auch an der populären Konkurrenz a la Doobie Bros., die sich mit kalkuliertem und gezieltem Trockeneisnebel in Pose zu setzen wußte. Daß Little Feat all das mit ihrem Hamburg-Konzert ein Jahr später wieder wettmachten, sei hier nur kurz erwähnt.

Im November ’75 erschien dann ihr fünftes Album, das ironisch wie auch bedrohlich THE LAST RE-CORD ALBUM betitelt war. An dieser Platte nun schieden sich die Geister so ziemlich aller. Nicht nur, daß Lowell George nur drei Titel verfaßt hatte, von denen allenfalls der Titel „Long Distance Lover“ es mit dem Standart seiner früheren Werke aufnehmen konnte, auch das Publikum zeigte sich von den Experimenten der Band – man denke nur an Bill Payne’s melancholische Piano-Ubung „Somebody Is Leaving“ – nicht sonderlich angetan. Doch dafür gerierten sich die gestrengen Juroren der Deutschen Phono-Akademie um so euphorischer. Sie kürten diese LP zur Rock-Platte des Jahres ’75 und schrieben in der Begründung. Jenseits von allen Modeerscheinungen und kommerziellen Trends ist THE LAST RECORD ALBUM die experimentellste Rhythm & Blues- und Rock-LP des Jahres, sowohl in den Kompositionen als auch in der Interpretation.“ – Nun, so kann man’s auch sehen; die Musiker sahen’s – das weiß ich aus mehreren Gesprächen – ziemlich anders. Alle beklagten die recht traurige Tatsache, daß Lowell nicht mehr Songs geschrieben hatte, daß er durch übermäßigen Koks- und Schnapsgenuß recht unzuverlässig geworden sei und daß seine Produktionskünste auch nicht gerade das Gelbe vom Ei wären.

Doch dann kam der 19. Juni ’76: Little Feat gingen auf Englandtournee und machten vorher für einen Gig einen Stop in Hamburg. Dieses Konzert ließ mit einem Schlag die LAST RECORD ALBUM-Eskapaden und den Auftritt vom Januar ’75 vergessen, diesmal waren Lowell und seine Mannen in Höchstform. Für Little-Feat-Fans (die, die’s vor dem Gig noch nicht waren, waren’s spätestens danach) wurde es so eine Art Wunschkonzert. Die Band spielte wirklich all ihre Hits: „Two Trains“, Tripe Face Boogie“, „Dixie Chicken“, „Sailin‘ Shoes“, ‚Teenage Nervous Breakdown“ und selbstverständlich „Willin“‚. Und das Publikum dankte ihr mit Ovationen wie sie die aJtehrwür-‚ dige Musikhalle bis dato kaum erlebt hatte. Ich weiß nicht, zu welchen Superlativen die Juroren der Phono-Akademie diesmal hätten greifen können, ‚einzigartig‘ läßt sich eben nicht steigern …

Im April‘ 7 7 erschien LP Nr. sechs, TIME LOVES A HERO, und mit dieser LP spielten sich Little Feat zumindest musikalisch in den Keller (obwohl die Platte in den US-Charts nach oben kletterte). Diesmal hatte Lowell George nur einen Song verfaßt („Rocket In My Pocket“) und von einem zweiten („Keepin‘ Up With The Joneses“) war er lediglich Co-Autor. Es war also etwas dran an dem Gerücht, das da lautete, George behalte seine guten Songs lieber für sich, um sie dann auf einem Solo-Album zu präsentieren.

Ursprünglich sollte diese Solo-LP sogar zusammen mit TIME LOVES… erscheinen, doch hatte eine schwere Hepatitits Lowell für längere Zeit ans

Krankenbett gefesselt. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenbett spielte er zwar wieder in der Band mit, doch hatten ihm seine Kollegen nun für die Presse totales Redeverbot erteilt, da er kurz vorher ein Live-Femseh-lnterview vollkommen vermasselt hatte.

Daß sich die übrigen Bandmitglieder in seiner Abwesenheit mehr und mehr dem Jazz-Rock zugewandt hatten (zu hören z. B. auf TIME LOVES… bei dem Titel „A Day At The Dog Races“), machte George die Rückkehr Wle sehr sich die band auseinandergelebt und gespielt hatte zeigte der Rockpalast-Auftritt am 23. Juli 77 in Essen. Gernessen an dem Hamburger Konzert von vor einem Jahr, war das hier eine ganz andere Band. Das fing schon mit der ersten Nummer, „Skin It Back“ an und erreichte bei „Willin“‚ seinen vorläufigen Höhepunkt: jeder improvisierte vor sich hin, versuchte sich im Alleingang, und dadurch verschwammen die einst so kompakten und packenden Stücke zu endlosen und nervigen Klangkaskaden. Und als hätte man’s geahni, verließ LoweU George dann auch noch bei Bill Payne’s Bravour-Stückchen“ A Day At The Dog Races“ demonstrativ den Ort des Geschehens. Jesse Winchester’s Zeilen 7Ve got my leet in Dixie an’my head in Ihe cool, coolnorth „schienen an diesem Abend hundertprozentig auf Little Feat zu passen.

Nach derri Konzert meinte Lowell, auf seinen Abgang bei Payne’s Titel angesprochen, er habe eben halt mal ’ne Pause nötig gehabt, fügte dann aber hinzu: „Wenn ihr meine Musik kennt, dann könnt ihr euch wohl denken, daß ich mit Payne’s Jazz-Rock nichts am Hut habe.“ Und dann gab er auch unumwunden zu, daß es mittlerweile zwei Little Feat-Fraktionen gäbe: „Ich stehe ja wahnsinnig auf Bach oderMariachi-Musik, aber was Payne da alles in diese Nummer packt, das erinnert mich mehr an einen Oberschüler, der seinem Musiklehrer beweisen will, wie viele Versatzstücke und Zitate er drauf hat. Außerdem hab‘ ich mit diesem Titel absolut nichts zu tun, warum soll ich da nicht von der Bühne gehen? Ich schreibe Songs, Payne komponiert Stücke, das ist der Unterschied!“

Nach dem Rockpalast-Auftritt ging die Band für fünf Konzerte nach England, und diese Auftritte sollten für eine Live-LP mitgeschnitten werden. Die Live-Platte war den Musikern ganz besonders wichtig, zählten doch Little Feat an Bootlegs gemessen zur absoluten Top-Band. Doch aus England hörte man zunächst nur Merkwürdiges. So schrieb der NME im August: „Als die Feat ihre Zugabe mit dem von George geschriebenen Klassiker „Willin“‚ begannen, konnten die Leute nahe an der Bühne Hayward beobachten, der den Chorus mit George und Bill Payne mitsang und den Text änderte, denn anstatt ‚ Weed, whites and wine‘ sang der widerspenstige Trommler ‚Weed, whites and swine‘. Außerdem lieferte er noch ein ‚And I’m still fucked up‘ anstelle von ‚And I’m still willin‘. An einem Punkt des Gigs, der, da sind sich Reporter und Band einig, nicht ihr bester war, sang Lowell T’m so.. .’und Hayward vollendete die Zeile mit ‚…out of it'“

Und weiter schrieb der NME: „Einer der Gründe dafür, warum George sich weigert, Interviews zu geben, ist, so behauptet man, daß er über seine Liaison mit Bob Dylan Stillschweigen halten will. Dylan hat anscheinend George eingeladen, mit ihm im Studio und außerhalb zu spielen. Verständlich, daß George scharf darauf ist, mit Dylan zu arbeiten, und es gibt reichlich Spekulationen, daß er, sobald die gegenwärtige Tour vorüber ist, Little Feat verlassen wird. Außerdem, so wird gesagt, halt er TIME LO-VES A HERO für eine lausige Platte und hat bereits eine Menge Material zusammen für seine Solo-LP, die fast fertig ist.“

Als dann im Februar ’78 die Live-Platte, ein Doppelalbum mit dem Titel WAITING FOR COLUMBUS, erschien, da waren sich noch einmal alle Kritiker einig. Diese Platte brachte wirklich alle bekannten und geliebten Feat-Songs in dynamischen Live-Versionen.

Danach jedoch war erstmal Funkstille. Man hörte dieses und jenes Gerücht; mal gab es Little Feat noch, dann gab’s die Band mal wieder nicht mehr, und über die angebliche Dylan George-Zusammenarbeit war auch nichts mehr zu vernehmen.

Endlich, im März ’79, erschien die langei wartete Lowell George Solo-LP, die den Titel THANKS I’LL EAT IT HERE trug. Und wieder war die Kritikergilde geteilter Meinung. Einige warfen Lowell Faulheit vor, da er rund drei Jahre an der Platte gearbeitet habe, andere wiederum nannten die Platte schlicht ein Meisterwerk. Ich schließe mich letzteren an, die Platte war und ist ein Meisterwerk, man muß sie nur ein wenig auf sich einwirken lassen. Man konnte also wieder mit Lowell George rechnen. Im Sommer ’79 erfuhr man dann plötzlich aus amerikanischen Musikgazetten, daß George mit einer sieben Mann-Band auf Tournee sei, daß er viele alte Feat-Stücke spiele und daß das Publikum in jeder Stadt begeistert wäre. TV och am 30.6.79 um 11.50 m m Uhr spuckte der Fernschrei-M**J ber eine bittertraurige Meldung aus Arlington Virginia, 29.06.79: lowell george, gitarrist, saenger und komponisl von little feat, ist am freitag, dem 29.06.79 in arlington Virginia im alter von34 Jahren gestorben.

Am Abend zuvor war Lowell noch im Lissner Auditorium von Washington D.C. aufgetreten, doch am Morgen des 29. klagte er plötzlich über flerzschmerzen. Auf dem Weg vom Marnott Twin Bridges Hotel ins Arlington Hospital verstarb er.

Die Umstände, die zu seinem Tode führten, wurden nie genau eruiert, doch ist anzunehmen, daß Drogen mit im Spiel waren. Mit Lowell George starben (bildlich gesprochen) aber auch Little Feat, denn er war mehr als nur der Gründer und Gitarrist der Band. Er war die goldene Stimme, von der Paul Barrere einmal im „Rolling Stone“ sagte: „Wenn Lowell geht, werden wir uns nicht auflösen. Wir hätten zwar eine neue goldene Stimme zu finden, aber wir könnten’s nicht tun. Aber er verläßt die Gruppe nicht, nein, das wird in keinem Fall passieren!“

Ende 79 brachten Lowell’s Mitstreiter noch eine LP raus, die den Titel DOWN ON THE FARM trug, altes (mit Lowell) und neues Material präsentierte und die so eine Art Hommage der Band an ihren großen Leader darstellen sollte. Doch leider geriet die Platte stellenweise so glatt, daß man sich betreffs Hommage oft fragen mußte, ob das der Ernst der Musiker gewesen sei.

Doch wer sagt’s denn? Vielleicht ist mit Bob Hodge DIE goldene Stimme schon gefunden, vielleicht beginnen die Musiker mit Chicken Legs auch wieder da, wo sie einmal mit LITTLE FEAT und SAILIN‘ SHOES begonnen hatten. Es ist ihnen gewiß zu wünschen. Und zu wünschen ist ihnen auch, daß es diesmal ein ruhmreiches Ende nehmen möge!