Lieblingsalben: Max Rieger über 1000 HURTS von Shellac


Wir feiern den 55. Geburtstag des MUSIKEXPRESS mit unseren Lieblingsalben. Max Rieger von Die Nerven teilt seines auch mit uns.

Es gibt viel von Steve Albini zu lernen. Beispielsweise, dass die Frage „Wie lasse ich die Aufnahme einer dreiköpfigen Rockband so groß wie möglich klingen?“ schon im Ansatz falsch gestellt ist. Die eigentliche Frage müsste lauten: „Wie schaffe ich es, dass diese Band authentisch abgebildet ist?“ Dass da ein Funken Wahrheit ist, ein Funken Realismus in einem Handwerk, das zu 95 Prozent mit Illusion und make-believe hantiert. Dass dort auch Raum ist, um zu scheitern: at least we tried. Man kann lernen, dass der Raum, in dem Musik gespielt wird, genauso wichtig ist wie die Band, die dort spielt. Dass Musik Kommunikation ist und nichts weiter. Dass sie nicht nur da ist, um uns zu unterhalten, auf dass wir mehr kaufen oder uns cool fühlen, obwohl es uns eigentlich beschissen geht. Dass Musik nicht nur den Zweck erfüllt, dass wir unserer inneren Stimme nicht zuhören müssen, die schreien will, dass etwas gehörig nicht stimmt, sondern genau gegenteilig: dass wir anfangen, ihr zuzuhören; zusammen mit der Musik. Dass die Musik uns den Raum gibt.

Steve Albini im Jahr 2004

Am meisten inspiriert hat mich Steve Albinis radikal offener Umgang damit, sich mit den Dämonen seiner Vergangenheit fast schon flagellantisch auseinanderzusetzen. Es ist nie zu spät, einen Cut zu machen und zu versuchen, ein besserer Mensch zu werden, egal wie viele Brücken auf dem Weg abgebrannt sind. Seine Band Shellac ist in ihrer knöchernen Stoik unerreicht.

Thurston Moore erinnert an Steve Albini: „Dynamitstange in zerfetzten Sneakers“

Ich habe hier 1000 HURTS gewählt, will aber ehrlich sein: pick any. Steve, you will be missed. Danke für alles.

Lest mehr über unsere 55 Lieblingsplatten in der aktuellen MUSIKEXPRESS-Ausgabe – im Kiosk ab dem 12. Juli.

Marc Broussely Redferns