Lieblingsalben: Flo Sump von Deine Freunde über VIER GEWINNT von Die Fantastischen Vier


Wir feiern den 55. Geburtstag des MUSIKEXPRESS mit unseren Lieblingsalben. Flo Sump teilt seines auch mit uns.

Zu einer Zeit, in der die HipHop-Szene Deutschlands noch sehr überschaubar war und ich meine freien Stunden damit verbrachte, selbstgebaute Kettenreaktionen aus Büchern, Kassetten und allem, was nicht angenagelt war, durch mein Kinderzimmer zu bauen, veröffentlichten die Fantastischen Vier ihr zweites Album 4 GEWINNT. Ich war elf und glühender Fan.

Bereits ein Jahr zuvor hatte ich mir bei meinem Kumpel Kamke heimlich die erste Strophe des Songs „Böse“ auf Kassette überspielt. Mehr ging nicht, denn Kamkes großer Bruder Olli, von dem ich den Song kopierte, war auch in der Wohnung und durfte von der Aktion nichts mitbekommen. Er hätte wahrscheinlich zu Recht den Standpunkt vertreten, dass ein Zehnjähriger keinen Song in seinen Besitz bringen sollte, in dem auf härteste Weise geflucht, gepöbelt, gedroht, verprügelt und ausgerastet wird. „Hurensohn“ kam nicht vor, alles andere schon. Ich war wie elektrisiert im Angesicht der bloßen Aneinanderreihung dieser kreativen Obszönitäten und hatte das Gefühl, richtig der heftige Typ zu sein, alleine durchs Zuhören.

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Als dann das Album 4 GEWINNT erschien, war ich froh, diese Band auch laut in meinem Zimmer hören zu können, nicht wie die erste Strophe von „Böse“, die ich immer zusammengekauert ganz leise hinter der Fensterbank mit einem Walkman genießen musste. Oder im Zimmer meiner jüngeren Brüder, die mich mit großen Augen anstarrten und das alles genauso krass fanden wie ich. Dee Jot Hausmarke, bist du böse? Jajaja! Dann beweis es uns!

Jetzt aber ganz offiziell 4 GEWINNT, das Album mit dem Hit „Die da!?!“, der mittlerweile überall lief und den sogar meine Eltern und die halbe Schule mitrappen konnte. Man könnte vermuten, dass mich dieser krasse Switch von „unbekannt“ zu „Superstars“ abgeschreckt hätte. Anscheinend gab es in der sogenannten Szene eine schnell wachsende Ablehnung dieser Band, die vielen Menschen plötzlich zu kommerziell war. Aber ich war elf und der zickige Underground war mir scheißegal.

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4 GEWINNT war ein übertrieben geiles Album und ich kenne bis heute jeden einzelnen Hoppeldi-Poppeldi-Positiv-Reim auswendig. Kein Album habe ich in meiner Kindheit öfter am Stück durchgehört, keine andere Band hat mich mehr inspiriert, vielleicht selbst mal eines Tages zu rappen und bis dahin die Sonne reinzulassen. Für mich waren die Fantastischen Vier die Wegweiser moderner deutschsprachiger Musik, und ich hab sie gefühlt. So wie ich mir auch einbildete, die einzelnen Bandmitglieder irgendwie zu kennen. Ihre Charaktere wurden durch ihr Schaffen und die Direktheit ihrer Texte absurd greifbar.

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Thomas D, der offene Geist, Smudo, der Gesellschaftskritiker, Michi Beck, der Player und And.Ypsilon, der And.Ypsilon. Durch diese vier Typen entdeckte ich meine unbändige Liebe zu deutschem Rap und wurde Stück für Stück ein Fan von Fettes Brot, Eins Zwo, Beginner, Fünf Sterne Deluxe, Ferris MC, Deichkind, Dynamite Deluxe, Freundeskreis und so vielen anderen, die danach kamen. Bis heute liebe ich deutschen Rap und wer behauptet, dass da nix mehr geht oder „alles nur noch Auto-Tune“ ist, der ist einfach nur zu faul, um mal richtig nachzugucken und hat seine Seele verloren. Das Überangebot hindert die geilen Leute nicht daran, weiterhin großartige Musik zu produzieren. Auch wenn diese heute sehr anders klingt als 4 GEWINNT.

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