Lieber Dieter Thomas Heck,


Wie konntest Du uns das nur antun? So mir nichts, dir nichts den „Hitparaden“-Krempel hinschmeißen? Ist Dir etwa Dein Bundesverdienstkreuz zu Kopf gestiegen? Oder hat Dir das Band selbiger Auszeichnung die sonst so gut geölte Kehle verschnürt?

Mensch, Dieter – den adoptierten Thomas schenken wir uns der Kürze wegen mal -, Du wirst uns fehlen. Der deutsche Schlager und ich, wir werden nie mehr dieselben sein, so sehr werden wir Dich vermissen. Ehrlich.

Guck mal, der sogenannte „Schlager“, der in diesem unserem Lande von Einheimischen und Gastarbeitern meist mehr schlecht als recht genölt, gegreint und geträllert in kostbare Plattenrillen gepreßt wird, ist – da wirst Du mir in einer stillen Stunde sicher recht geben – von ein paar ganz, ganz raren Ausnahmen abgesehen, der reinste Horror und in den meisten Fällen akustische Körperverletzung.

Aber, Dieter – und jetzt kommst Du – wie Du diesen gereimten und vertonten Un- und Biedersinn unter die Zuschauer gebracht hast, das war erste Sahne! Mehr noch: Wenn Du die 784 Version irgendeines Schlager-Dramas über griechischen Wein, kleine italienische Gastarbeiter oder das zermürbende Standard-Thema Liehihibe anpriest, dann standen der Oma in Wandsbek-Gartenstadt die Rührungstränen in den alten, kurzsichtigen Augen.

Stell Dir nur mal vor, ein Peter Illmann hätte diese gequirlte Kacke ansagen müssen, sich bei dem Namen Tony Marshall dreimal versprochen – und schon hätte die Oma geschrien: „Stell sofort diesen Mist ab und schieb ein Bananas-Video in den Rekorder!“

Nein. Dieter, getreu dem Motto „Ein einäugiges Huhn findet auch mal nen Doppelkorn“ warst Du unter all diesen zur ewigen Finsternis verdammten Lemuren der absolute Zyklopen-König und hast nicht nur der Oma aus Wandsbek-Gartenstadt den miesesten Hit mit sonorer Stimme und der alles niederwalzenden Überzeugungskraft eines Vorwerk-Staubsauger-Vertreters als die Perle deutschen Schlagerschaffens anzudrehen gewußt.

Hast ja auch die klassische „Hitparade“-Moderatoren-Ausbildung durchlaufen. Ich meine, als Du hier in Hamburg noch als Autoverkäufer gewirkt hast, da wäre ich gern einer Deiner Kunden gewesen. Ich kann mir vorstellen, daß ich mit einem nur noch auf drei Pötten laufenden Käfer überglücklich vom Hof Deiner Firma gefahren wäre, immer noch Deine überzeugenden Worte im Ohr: „Wenn Sie die 12 Zylinder dieses Geschosses sanft mit dem Gaspedal streicheln, wird es wohlig schnurren, doch geben Sie ihnen die Sporen, wird dieser Wagen – so wahr ich Dieter Heckscher heiße – zum wilden Tier!

Ach so, fast hätt‘ ich’s vergessen, der Lottoschein mit den sechs Richtigen, die der Vorbesitzer in all der Eile wohl vergessen hat, liegt immer noch im mahagonigetäfelten Handschuhfach Ihres Wagens. Und nun noch herzlichen Glückwünsch zu Ihrer vortrefflichen Wahl und gute Fahrt.“

Zugegeben, Dieter, Du bist der Mann, der alles ansagen, promoten und verkaufen kann, und ich kann mir lebhaft vorstellen, daß Dich schon ein paar Lockheed-Vertreter aufgesucht haben, denn es soll ja tatsächlich irgendwo noch einige Politiker geben, die sich bislang nicht bestechen ließen…

Aber hast Du Dir, Du bist ja verdientes CDU-Mitglied, einmal Gedanken gemacht, welchen volkswirtschaftlichen Schaden Du mit Deinem Abgang anrichtest?

Ja, ich meine die Plattenindustrie, genau die! Denn nun, da keiner mehrden „Hitparaden-Zuschauern so absolut genial ein X für ein U vormachen wird, werden die Leute die Schlager-Platten sicher mit anderen Augen sehen und garantiert mit ganz, ganz anderen Ohren hören. Und sie werden plötzlich zu nörgeln anfangen: „Mann, die Neue von Nino de Angelo is ja wirklich ätzend. Und die neue Lena Valaitis-Scheibe ist ja nun echt das letzte. Ich glaub‘, ich hol‘ mir mal was von den Schtones oder wie die heißen. „

Mensch, Dieter, das kannst Du uns und unserer gebeutelten Wirtschaft doch nicht antun. Denn wenn Du diese Schlager-Perlen nicht mehr anpreist, dann kaufen sie die Leute auch nicht mehr, und wenn sie die nicht mehr kaufen, dann haben ja Tony, Lena, Roberto, Karel usw. usw. auch keinen Vorwand mehr „Ich habe zufällig meine neue Single dabei“, bei Hänschen Rosenthal, Joachim Fuchsberger, Heinz Schenk usw. usw. das deutsche Volk mit ihren Ergüssen zu Rührungs- und Schmerzenstränen zu bewegen.

Ehrlich, Dieter, die großen deutschen Plattenfirmen werden ganze Abteilungen entlassen müssen, denn Du, Dieter, bist nun mal ein volkswirtschaftlicher Faktor, ein Genie, das selbst einen taubstummen bayerischen Jodler gewinnbringend vermarkten könnte.

Aber geh nur ruhig, verlaß uns ruhig so schnöde, Dein Nachfolger wird die „Hitparade“ schon kleinkriegen und unsere Tonys, Robertos, Lenas und Ninos zu buchstäblich brotlosen „Künstlern“ machen und den Menschen da draußen im Lande die Schlager-Flausen gründlich austreiben.

Ich aber weiß, was ich an Dir gehabt habe: einen Showmaster, wie es in diesem unserem Lande keinen zweiten gibt: und einen Mann, der einem – ohne rot dabei zu werden oder gar zu stottern – schlichten Hausmüll als pures Gold verkaufen konnte und einem dabei auch noch ein so unbeschreiblich wohliges Gefühl gab. Dieter, Du warst einzigartig!

Und glaub‘ ja nicht, daß ich Dich so schnell vergessen werde, denn wenn Du mit Deinem Biedermann-Antlitz in die Kamera gucktest, die Hand mit dem schnuckeligen Goldkettchen am Gelenk in Richtung Anzeigetafel ausstrecktest und mit dieser unnachahmlichen Stimme in Dein Mikrophon, das Du so vorsichtig wie ein Eistütchen hieltst, schnurrtest: „Unnd hierr den Kandidat Nummern siebennn. Karel de Blanco mit „Wo Du herkommst, da will ich gerade hin“, dann hing ich völlig hingerissen im Gestühl und hab‘ Dich einfach nur bewundert.

Drum laß mich mit einem Goethe-Zitat schließen, der zwar sagte: „Quark, wenn man ihn tritt, wird breit, nicht stark!“ – Du aber hast aus breitgetretenem Quark eine wahre Götterspeise gemacht. Danke!