Liebe Jungs


Um unbehelligt zu bleiben, suchen wir für die Fotosession eine verschwiegene Ecke im Park – zumindest für Purple Schulz selbst hat die Popularität nicht nur angenehme Seiten: „Da wird das Anstehen an der Wurst-Theke zum Staatsakt, und manche schämen sich nicht mal, quer durch die Straßenbahn zu rufen“, beklagt sich der konsequente Nicht-Autofahrer.

Na immerhin, fürs Taxi reicht das Geld ja inzwischen. „Sehnsucht“ drehte sich auf 800000 Plattentellern, und die „Verliebten Jungs“ haben endgültig bewiesen, daß das Kölner Trio vor Jahresfrist keinen Zufallstreffer gelandet hat.

Zur neuen LP kommt nun die erste Tournee seit längerem, und Dieter Hoff, Josef Piek und der Band-Namensgeber können wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen: live spielen. Als Gäste greifen ihnen dabei Purzel Beck und Gerhard Zilligen unter die Arme. Jux-Gigs mit Schwimmflügeln und Badehose wie vor Jahren noch sind zwar passe, aber als „Heulsusen der Nation“ wollen sie sich auch nicht präsentieren, wenn auch spitze Zungen sie gern so darstellen.

Solche Tiefschläge lassen die Band wohl nicht kalt – O-Ton: „Je offener man ist, desto verletzlicher wird man“ -, aber durch die gewaltige Resonanz auf ihre gefühlsechten Ausbrüche wissen sie sich nicht allein: „Das macht uns Mut, auch weiterhin so offen zu sein.“

Im übrigen widerspricht Purple der Annahme, sich öffentlich so tief in die Seele gucken zu lassen, sei schwerer als eine beschwingte Nummer zu singen: „Obich’ne Frau liebe und darüber ein Stück mache oder meine Angst und meinen Schmerz rausbrülle, das macht keinen Unterschied, solange das von innen kommt und ich keine Tabus habe. Außerdem sehe ich nicht ein, warum ich verschweigen soll, was tausende von Leuten auch beschäftigt.“

Im Interview beansprucht Purple die meiste Redezeit für sich, ist aber sonst peinlich darauf bedacht, nicht als Solostar mit Begleitband dargestellt zu werden. Dem Gitarristen Josef Piek allerdings, zum Tourbeginn rechtzeitig mit dem Zivildienst in einer Behindertenschule fertig geworden, ist es ganz recht, daß Purple im Vordergrund steht: „Gut, daß mich keiner kennt, dann habe ich wenigstens meine Ruhe.“ Von der Neuen Heimat zur Band Purple Schulz – die Metamorphose resultierte nicht aus Profilnöten Man brauchte einfach einen neuen Namen, nachdem einige Musiker ausgestiegen waren, als das letzte Album Hautnah sich zum Flop auf der ganzen Linie entwickelt hatte. Wer konnte da schon ahnen, daß nach über einem Jahr plötzlich Sehnsucht nach „Sehnsucht“ beim Publikum aufkommen würde?

Auf Englisch will man nun prüfen, wie’s die Amis und Aussies mit ihren Kindheits-Traumata halten, und vor historischer Kulisse gab die Gruppe in Siena just ihren Italien-Einstand. Freizeit wird dabei zum Fremdwort.

Ihr musikalisches Alter Ego wollen sie dennoch nicht aufgeben der Spaß darf ja in Köln nie zu kurz kommen. Dann nämlich, wenn sie mit dem Leo Löhrs Oldie-Quartett für eine heiße Clubnacht die 60er Jahre wieder auferstehen lassen.