Lesestoff
Fast immer werden Rock und Drogen in einem Atemzug genannt. Dabei hat auch die Weltliteratur ihre Giftgeschichte.
Aldous Huxley
The Doors of Perception (1954)
Jeder kennt den 1932 erschienenen Roman „Schöne neue Welt“, ein Standardwerk der Science-Fiction-Literatur, kaum einer „Die Pforten der Wahrnehmung“, ein Tagebuch über die Drogenexperimente des 1963 verstorbenen britischen Schriftstellers. Zwei Jahre nach dessen Tod treffen sich in Los Angeles ein paar junge Männer und gründen eine Band, die sie nach Huxleys Buch „The Doors“ nennen.
Allen Ginsberg
Howl (1956)
„Ich sah die besten Geister meiner Generation im Wahnsinn enden“: 30 Jahre war Allen Ginsberg alt, als er – angetrieben von einer Amphetamin-Peyote-Mixtur – sein epochales Gedicht „Howl“ zu Papier brachte und über Nacht Sprachrohr, Guru, Poet und Prophet aller wurde, für die Pop mehr bedeutete als juveniler Jukebox-Junk. Bob Dylan, Patti Smith, The Clash und viele mehr verehrten ihn geradezu kultisch, und Lou Reeds Verdikt von 1997 ist nicht zu widerlegen: „Moderne Rocklyrik wäre ohne hin undenkbar.“
Jack Kerouac
On The Road (1957)
Ein Chevy, ein voller Tank und der endlose Highway: Vieles, was sich hinter dem Klischee „Americana“ verbirgt, hat hier seinen Ursprung: Kerouacs Geschichte von Sal Paradise und Dean Moriarty, die das Leben, den Spaß, die Freiheit, die Drogen feiert, hat vermutlich mehr Menschen dazu gebracht ihr Ränzlein zu schnüren, als seinerzeit die Völkerwanderung – und zahllose Musiker beeinflußt, von Tom Waits, der geradezu wie eine Figur aus diesem Roman wirkt, über Willie Nelson bis Van Morrison.
William S. Burroughs
The Naked Lunch (1959)
„Naked Lunch“ ist die Hölle, ein endloser Exzeß der Drogen, der Waffen und der Gewalt. Eine Hölle allerdings, die nicht der dämonischen Phantasie des Autors entsprang, sondern die Burroughs selbst durchund überlebt hat. Er war 83 Jahre alt, als er vor Jahresfrist starb, Bücher hinterlassend, die schwarz waren wie die endlose Nacht (Junkie“, „The Soft Machine“), und eine Trauergemeinde, die sich liest wie das „Who’s Who“ des Rock, und zu der unter anderem Mick Jagger, David Bowie und Bono gehörten.
Ken Kesey
Einer flog über das Kuckucksnest (1962)
Ein Kultroman dank des Kultfilms mit einem grandiosen Jack Nicholson; doch eine Kultfigur wurde der Autor aus einem ganz anderen Grund: Ken Kesey hat mit einer verrückten Truppe, die sich „Merry Pranksters“ nannte, die kalifornische Drogenkultur der sechziger Jahre begründet. Und alles nur, weil er 1959/60 auf Geheiß der amerikanischen Regierung LSD auf eine mögliche Eignung für Geheimdienstzwecke testen sollte. Später mündete diese Versuchsreihe in die legendären und zu diesem Zeitpunkt längst illegalen „Acid Tests“, bei denen Kesey und seine Kumpane halb San Francisco, einschließlich der Grateful Dead und Jefferson Airplane, unter Strom setzten.
Tom Wolfe
Unter Strom (1968)
Der Originaltitel macht deutlicher, worum es geht – um „The Electric Kool-Aid Acid Test“. Tom Wolfe, der ausgefuchste Journalist, der 20 Jahre später mit „Fegefeuer der Eitelkeiten“ reüssieren sollte, war der Chronist der Eroberung Kaliforniens durch psychedelische Drogen und ebensolche Musik. In den Hauptrollen: Ken Kesey und seine „Merry Pranksters“, die Hell’s Angels, Country Joe & The Fish und – wie immer, wenn es darum ging, high zu werden – die Grateful Dead.
Hunter S. Thompson
Fear And Loathing In Las Vegas (1972)
Es ist die Reise ins Herz der Finsternis: Der Journalist Raoul Duke-Thompsons Alter ego – und sein samoanischer Winkeladvokat düsen nach Las Vegas. Ihr Ziel: ein Motorradrennen und ein Drogenkongreß amerikanischer Staatsanwälte. Sie sind bestens vorbereitet: „Der Kofferraum des Wagens sah aus wie ein mobiles Labor des Rauschgiftdezernats.“ Vorbereitet auf eine paranoide Höllenfahrt zwischen Rausch und Rock’n’Roll. Die Handlung ist denn auch angemessen irre, und vermutlich würden Legionen von Rockschreibern ihre Seele verkaufen für Thompsons Sprachgewalt, die ein eigenes Genre begründete: den „Gonzo-Journalismus“.
Craig Kee Strete
Uns verbrennt die Nacht (1982)
„Es war die Sorte Party, bei der der Gastgeber kleinen Kindern die Herzen rausschneidet…“ Schon der erste Satz in Craig Kee Stretes halbdokumentarischem Roman warnt zartbesaitete Ästheten: Finger weg. Auf besagter Fete lernt der Autor Jim Morrison kennen, den Sänger der Doors, und gemeinsam gehen sie auf einen ein paar Nächte dauernden Trip durch die Drogenszene von Los Angeles. Die Handlungsmuster sind bekannt. Aber immerhin erspart Strete dem Leser eine wertere Heiligsprechung Morrisons.
Tom Coraghessan Boyle
Grün ist die Hoffnung (1984)
„Romane“, sagt Boyle, „sind wie Rockkonzerte. Entweder bringst du die Leute zum Tanzen, oder sie feuern dir Bierdosen an den Kopf.“ Bei dieser Geschichte über drei komische Vögel, die in den Bergen bei San Francisco eine Marihuana-Plantage anlegen wollen und einen herrlich tragikomischen Kampf gegen Wildnis und Witterung, Cops und Chaos zu bestehen haben, sind „Zugabe“-Rufe vorprogrammiert. Unterdessen sorgen die Dead und Debussy, Springsteen und Segovia für den passenden Soundtrack.