Led Zeppelin


Atlantic Live: Stars en masse, doch alle warten nur auf:

Wen habt ihr noch nicht gesehen? Auf wen habt ihr so lange gewartet?“ fragt Phil Collins das aufgepeitschte Publikum im New Yorker Madison Square Garden kurz vor dem absoluten Höhepunkt. Aus gut und gern 20.000 Kehlen schallt ihm der Name zurück, ohne den die Live-Show zum 40. Geburtstag im gefälligen Mittelmaß abgesoffen wäre: Led Zeppelin.

12 Stunden vor diesem magischen Moment hatten die Alt-Folker Crosby, Stills & Nash, vom 20jährigen Pop-Wohlstand sichtlich gut genährt, den Reigen der Atlantic-Stars eröffnet. Die Väter der Firma legten den Geburtstags-Termin nicht zufällig auf den Termin, an dem in den USA auch der 33. Jahrestag der amerikanisch-türkischen Freundschaft gefeiert wird: Mit der Geschäfts-Schläue von türkischen Teppichhändlern hatten die Istanbuler Brüder Ahmet und Nesuhi Ertegun schließlich aus ihrem Leitspruch “ Wir wollen nur eins —- tolle Musik, die sich gut verkauft“ ihr Musik-Imperium aufgebaut. Und dieses Motto war denn auch die Überschrift des Spektakels in New York: Für das Kreuzfeuer der großen Namen mußten die Fans Eintrittspreise zwischen 50 und 1000 (!) Dollar berappen.

Der türkisch-amerikanische Geschäftssinn ging allerdings nicht so

weit, die Live-Erlöse in die eigene Tasche zu stecken. Die anwesenden Yuppies durften sich über die steuerlichen Absetzbarkeit ihrer 1000-Dollar-Tickets freuen, denn die rund 12 Millionen Bucks Reingewinn werden von der „Atlantic Foundation“ an wohltätige Organisationen verteilt.

Das Geld geht vor allem an eine US-Stiftung für verarmte schwarze Musiker aus den Anfangslagen von Atlantic, die nach all den Jahren endlich finanziell unterstützt werden. Auch der überall präsente Süßlimonaden-Hersteller drückte nochmal fünf Millionen Dollar an die Atlantic-Armenkasse ab.

Keineswegs arm (zumindest an großen Namen) war aber der halbe Tag Live-Musik, an dem die ganze Musikgeschichte der Firma Revue passierte. Die Sets:

Denkmäler aus der großen R&B-Zeit mit Kostproben von Wilson Pickett, den Coasters, Ruth Brown, Lavern Baker, Ben E. King und Sam Moore (von Sam & Dave). Zu der Allstar-Band, die am Ende des Sets dem Urvater Otis Redding musikalischen Tribut zollte, stieß noch Blues-Brother Dan Aykryod.

Verständlicherweise im Halb-Playback wurde der Atlantic-Talentschuppen mit der Dance-Pop-Fraktion eröffnet. Stacey Q, Miki Howard und Nu Shooz ließen sich, von „Kollege Tonband“ begleiten, einzig Debbie Gibson traute sich live.

Viel livehaftiger erschien, Stunden vordem Zeppelin-Finale, Robert Plant mit Band und 30 Minuten kräftiger Kostprobe aus seinem Album NOW AND ZEN.

Roberta Flack erinnerte die Menge mit (dem von Peabo Bryson assistierten) „Killing Me Softly“ daran, daß zehn Jahre Abwesenheit von den Charts lange genug waren.

Genesis und Foreigner erschienen mit Medleys der Sorte „Greatest Hits“ und Yes packten gar das verstaubte „Roundabout“ wieder aus.

Vor einem mittlerweile ungeduldig wartenden Publikum mühten sich die Bee Gees, Vanilla Fudge, Emerson & Palmer, The Spinners und Herbie Mann um ihre Lektion in der Rock-Geschichtsstunde.

Doch das ganze „Who is Who“ schrumpfte gegen Mitternacht plötzlich auf das Format eines kurzweiligen Vorprogrammes, als Vater Ertegun persönlich ins Mikro rief: „Und hier kommt Led…“. Der Rest ging im hysterischen Kreischen der 20.000 unter. Bühne frei für die Beinahe-Reunion des Luftschiffes mit Robert Plant, Jimmy Page, John Paul Jones und dem jungen Jason Bonham, der seinen toten Vater John mit würdig muskulösen Trommelschlägen fast ersetzen konnte. „Kashmir“, gespielt in stürmischer Neufassung, am Anfang, „Heartbreaker“, „Whole Lotta Love“ und „Misty Mountain Hop“ in nostalgischer Verzückung; die Sonderklasse des reifen Entertainers erreichte der pfauengleich umherstolzierende Luftschiff-Kapitän Plant aber erst bei der allerletzten Nummer: Selbstironisch in einer a capella-Version stimmen die Vier von der meistkopierten Rock-Band der Welt ihren Klassiker „Stairway To Heaven“ an. Die hohen (und schwierigen) Gesangspassagen überläßt Plant mit einer großzügigen Geste dem Publikum -— das ist die wahre Würde des Alters.