LANGE NICHTS GEHÖRT VON


Das Duo um Fred Chichin und Catherine Ringer war Frankreichs wichtigster musikalischer Export der 80er-/90er-Jahre, hatte Hits wie „Marcia Baila“ und „C’est comme ça“, und besaß eine Fangemeinde, die aus Iggy Pop, Sparks und David Bowie bestand. Wir trafen Madame Ringer (56) in Paris.

Sieben Jahre nach dem Tod von Fred und dem Ende von Les Rita Mitsouko: Wie sehr vermissen Sie ihn und die Band? Das lässt sich gar nicht in Worte fassen, weil es 30 Jahre meines Lebens waren, also privat wie musikalisch. Und wenn der Mensch, mit dem du alles geteilt hast, plötzlich nicht mehr da ist, klafft da ein riesiges Loch, das nichts und niemand füllen kann. Ich habe lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Aber wie heißt es so schön: Das Leben geht weiter. Und ich kämpfe nicht dagegen an, sondern mache nach wie vor Musik.

Ihr aktuelles Projekt ist die Neo-Tango-Truppe Plaza Francia. Ein ziemlicher Sprung vom New Wave vergangener Tage. Schon. Aber in Frankreich ist Tango sehr populär. Und ganz anders als die argentinische Variante. Er gilt hier als eleganter und aufreizender Tanz: viel erotischer als im Original. Er fängt die Situation ein, wenn die Romantik zwischen zwei Menschen verflogen ist und sie auf Konfrontationskurs gehen.

Die Franzosen verehren Sie. Was haben Sie richtig oder falsch gemacht, um diesen Status zu erlangen? Ich hoffe, es liegt an dem, was ich als Künstlerin leiste und was ich zu sagen habe. Aber ich fürchte, es gibt noch andere Gründe. Wie die Klamotten, die ich in den 80er-und 90er-Jahren anhatte, und die sehr cutting edge waren.

Und die von Jean Paul Gaultier stammen, dessen Karriere 1985 beim Video zu „Marcia Baila“ begann Ja, er war unser Stylist und hatte dieses Outfit entworfen, das etwas von einem Korsett hatte. Das waren seine Anfänge. Und er stattet mich weiter aus. Er stellt mir Sachen für Fototermine und Konzerte zur Verfügung.

Dann wäre da noch Ihre Vergangenheit als Pornodarstellerin, die Sie nicht loslässt. Aber natürlich! Das ist nichts, für das ich mich schäme. In den 70er-Jahren herrschte diese Fantasie: Liebe machen statt Krieg. Und das mit möglichst vielen Leuten auf einmal.

Was Sie in zwanzig Hardcore-Produktionen ausgelebt haben. Darunter Klassiker wie Lasse Brauns „Body Love“. Er sagte: „Ich mache dich zum Pornostar.“ Ich entgegnete, dass ich lieber eigene, anspruchsvolle Filme drehen möchte. Darauf er: „Kein Problem. Wenn du nach Holland kommst und diesen Film mit mir machst, bringe ich dir bei, wie man die Kamera führt und was man sonst noch wissen muss.“ Natürlich hat er gelogen. Als Erstes hat er mir meinen Pass weggenommen, damit ich nicht fliehen konnte. Ich war 17 und habe während des ganzen Drehs geweint. Es war eine heftige Erfahrung für mich -aber auch eine aufregende

Die für einen Streit sorgte, bei der Serge Gainsbourg Sie als „Hure“ beschimpfte. Oh ja! Eine Tageszeitung wollte mit der Schlagzeile aufwarten: „Heiße Fotos von Rita Mitsouko“, wogegen ich eine Unterlassung erwirkt habe, weil Rita Mitsouko keine Einzelperson, sondern eine Band mit zwei Mitgliedern war. Weshalb ich in eine Fernsehshow eingeladen wurde, um darüber zu reden. Und dort hatte ich einen netten Disput mit Serge. Ein provokanter Typ, der es liebte, schlimme Dinge zu Frauen zu sagen.

Und wie war Jean-Luc Godard, der 1986 eine Dokumentation über die Sessions zu THE NO COMPRENDO gedreht hat? Ich weiß bis heute nicht, was ich von ihm halten soll. Er hat uns gefilmt wie Tiere im Zoo. Also sehr diskret, distanziert und halt ganz anders als bei einer typischen Rock’n’Roll-Dokumentation. Ein komischer Kauz, mit dem man nicht warm werden konnte.

Im Gegensatz zu Sparks? Ich liebe Ron und Russell. Sie sind wunderbare Menschen, hervorragende Musiker. Leider sehe ich sie viel zu selten. Vor ein paar Jahren waren sie in Paris und haben mich eingeladen, mit ihnen zu singen. Das war mein erster Auftritt nach dem Tod von Fred, und ich habe ihn sehr genossen. Es gibt nichts Wichtigeres als gute Freunde.