Lake – Von der Waterkant in die Rocky Mountains


Bei Lake in Hamburg klingelte in letzter Zeit häufig das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldeten sich sehr engagierte und wortgewandte Typen aus Amerika, die die Band mit Komplimenten überschütteten und ihre Dienste als Manager anboten. Doch sie alle kamen zu spät. Lake haben sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, das Angebot eines renommierten Mannes der US-Musikszene anzunehmen: James Walter Guercio, Produzent von Chicago und Repräsentant der gruppeneigenen Firma „Caribou“.

Schneller als alle anderen deutschen Bands schaffte Lake damit den Sprung über den großen Teich. Kein Wunder: das Debütalbum der Gruppe steht bereits in den US-Hitlisten. „Wir haben uns für Guercio entschieden, weil wir das meiste Vertrauen zu ihm hatten“, erklärt Detlev Petersen. Der Chicago-Produzent hatte bereits Kontakt zu den Hamburgern aufgenommen, als er zur Vorbereitung der Chicago-Tournee nach Deutschland gekommen war. Wie es aussieht, wird er die Gruppe in Zukunft weltweit betreuen. Anfang September reisen Lake in die Staaten, wo ihre erste LP im Juli, gut einen Monat nach der Veröffentlichung, auf Platz 175 in den Charts stand und eine der meistgespielten Platten im Rundfunk war. Knapp zwei Wochen werden sie drüben Zeit haben zum Akklimatisieren und Einarbeiten, dann geht es auf eine erste Test-Tournee. Mit wem, werden sie allerdings erst drüben erfahren. Auf jeden Fall sagten sie dafür ihre angekündigte BRD-Tour im Vorprogramm von Supertramp ab. Die geplanten Gigs mit Santana (siehe Tourneepläne) laufen jedoch so, wie es ursprünglich geplant war.

„Wir müssen erst einmal antesten, ob wir den Leuten dort unsere Steely Dan-Titel anbieten können“, meint Sänger Jim Hopkins. „Aber das Publikum in den USA soll, was Fremdtitel betrifft, ganz locker eingestellt sein.“ Witzig ist, daß die Amerikaner Lake-Musik als „typisch europäisch“ einstufen, während hierzulande vor einem halben Jahr jeder überrascht aufhorchte, weil es eine deutsche Gruppe fertigbrachte, locker amerikanisch in die Saiten zu greifen und einen perfekten, westcoastorientierten Harmoniegesang loszulassen. Nach einem Gig im Londoner „Marquee“ im Mai dieses Jahres ließen dann die Engländer der Fantasie vollends freien auf: „Mit wie vielen Gruppen die uns aber auch verglichen haben!“ erinnert sich Jim. „Das ging sogar bis Genesis oder Supertramp!“ Der Clubauftritt fand statt, während Lake in South Wales, im Rockfields-Studio, ihre zweite LP aufnahmen. Die sollte eigentlich im September auf dem Markt sein, wird jetzt jedoch frühestens Ende des Jahres veröffentlicht. „Es tut uns leid, daß wir alle, die auf unsere zweite LP warten, so lange hinhalten“, meint Jim, „aber es liegt daran, daß die Platte auch gleichzeitig auf dem amerikanischen Markt erscheinen soll, und dort will man sich das Geschäft nicht durch Importe kaputtmachen lassen.“ Da die erste Lake-LP erst vor relativ kurzer Zeit drüben herauskam, kann man natürlich nicht gleich die zweite hinterherjagen. Das ist höhere Firmenpolitik, mit der sich nun auch die Gewinner des deutschen Schallplattenpreises herumzuschlagen haben.

„Unsere zweite LP klingt auf jeden Fall schon erwachsener“, erklärt Detlev. „MitAbstand betrachtet, erscheint uns die erste noch recht steril. Was wir wollen, ist mehr Live-Charakter, mehr Spontaneität.“

Die dritte Lake-LP soll bereits auf Chicagos Studio-Ranch, der „Caribou-Ranch“ im Staat Colorado in den Rocky Mountains, aufgenommen werden – eine Chance, die Detlev ziemlich cool nimmt. Die Gefahr, daß Lake hier aufgrund riesiger Möglichkeiten ihre Produktion überladen, sieht er nicht. „Ich glaube nicht, daß die Studios in den USA heute noch so viel besser sind als in Europa. Und Studiomusiker brauchen wir nicht. Unsere Stärke liegt in der Teamarbeit der Gruppe.“

Lake haben immerhin schon bewiesen, daß LP-Produktionen nicht astronomische Summen kosten müssen. Knapp 30 000 Mark hat die erste Langspielplatte gekostet. Wie man die Produktionskosten so niedrig hält? Ganz einfach – indem man vorbereitet ins Studio geht. Detlev: „Es ist Unsinn, wenn Gruppen ins Studio gehen und sagen, sie lassen sich dort inspirieren. Es gibt doch nichts ungemütlicheres als Studioräume! Wir arbeiten unsere Titel durch, sodaß im Studio jeder weiß, was er zu spielen hat. Vorher haben wir die Titel immer schon live gebracht, wie zum Beispiel während der Tour mit Wishbone Ash.“

Einen solchen Zirkus wie die Wishbone Ash-Tour Ende vergangenen Jahres will die Band übrigens nicht noch einmal mitmachen. „Wir sind nicht so arrogant, daß wir nicht mehr als Vorgruppe spielen wollen“, sagt Detlev Petersen, „doch nicht mehr ohne Soundcheck; das können wir uns jetzt nicht mehr erlauben.“ Anfang nächsten Jahres wollen die Hamburger es eventuell selbst als „Headliner“ versuchen; zumindest im norddeutschen Raum, wo der Name Lake bereits genügend Zugkraft für größere Hallen besitzt. „Wir werden aber die Clubs, in denen wir angefangen haben, nicht vergessen“, versichert Jim. Sein Wort in Gottes Ohr!