Kurz & Live


„This music is better than any medicine you can buy in the Apotheke“ – donnernder Applaus. Für James Last, den Großmeister der ganz leichten Muse, waren Konzerte in England immer so etwas wie Heimspiele. Für die Gala zu seinem 70. Geburtstag in der Londoner Royal Abert Hall hatte „Hansi“, wie sie ihn auch jenseits des Kanals nennen, ganz besondere Gäste eingeladen. „Fettes Brot, also Fat Bread, a german rap group“ hatte Last schon am Nachmittag wartenden Fans seine neuen Hamburger Freunde vorgestellt. Am Abend dann der historische Augenblick: die Albert Hall, das ehrwürdigste unter den englischen Auditorien (Schiffmeister: „Das ist ein bißchen größer als das Jugendzentrum in Pinneberg“), hörte erstmals deutschen Rap. „Hello London“, begrüßte Dr. Renz, hübsch in Schale geworfen,die vorwiegend älteren Herrschaften im roten Plüschpalast. Die dann artig mitklatschten, als König Boris die ersten Zeilen von „Ruf mich an“, der gemeinsamen Last/Brote-Single rapte. „Kann man dazu Jive tanzen?“ fragte eine Dame – sie sollte später auf ihre Kosten kommen, als „Hansi“ mit 38köpfigem Orchester und fünf Sängern auf sein angestammtes Terrain zurückkehrte.

Definitiv stärkerer Tobak war da der Deutschland-Import, mit dem sich das Publikum in der Londoner Queen Elizabeth Hall im Rahmen des von „Mute“-Labelchef Daniel Miller ausgerichteten Mini-Meldown-Festivals auseinanderzusetzen hatte. Beim „german evening“ gab’s zuerst verspielte, groovy bis charmant spröde Elektronik von den Kraftwerk-Söhnen im Geiste Console, Kreidler und To Rococo Rot. Nach dem Jungvolk ging’s dann ans Eingemachte: die Krautrock-Urtiere Faust verwandelten den Saal in eine qualmig-lärmige Fabrikhalle und gaben eine Lektion in hard listening. Der kompromißfreie Experimental-Notse, den die „German Industrial Rock Terrorists“ der ereten Stunde Jochen Irmler und Zappi Diermaier (Foto) mit ihrer fünf- bis siebenköpfigen Band ins Auditorium bliesen, tat denn auch, was er tun muß: er polarisierte. Während sich etwa ein erboster englischer Avantgardist von den hinteren Rängen immer wieder radebrechend mit „Hippie-Schaißa“-Rufen vernehmen ließ, schwelgten andere im Sturm der kakophonischen Klangkaskaden. Ebenfalls im Publikum: ex-Neubaute FM „Mufti“ Einheit. Zwischen ihm und Fäustling Diermaier bahnt sich, wie man hört, eine Kollaboration an.

Wider Erwarten relativ ausgelassen war die Stimmung beim „Linda McCartney Tribut“ in der – wiederum – Royal Albert Hall. Denn Chrissie Hynde, Pretenders-Frontfrau und Organisatorin des Events, hatte die 7.000 Zuhörer des Benefiz-Festes anfangs ausdrücklich darum gebeten, bloß keine Begräbnisstimmung aufkommen zu lassen. So brachten vor allem Tom Jones, George Michael und Paul McCartney höchstpersönlich den Saal zum Kochen. Lediglich Sinead O’Connor sorgte für Irritation: Zunächst outete sie sich als Medium, wähnte ihre verstorbene Mutter im Publikum, irrte dann während der Auftritte ihrer Kollegen auf der Bühne herum und brachte schließlich nicht nur Ex-Crowded House-Sänger Neil Finn aus der Fassung: „Ist Dir eigentlich klar“, fragte sie ihn, „daß Deine Frau es zu Hause in Neuseeland gerade mit anderen Männern treibt, während Du hier Gitarre spielst?“ Pietät ist eine Zier, doch es geht auch ohne ihr.

Tocotronic sind wieder da. Gerade aus dem Studio zurückgekehrt, wo sie die Aufnahmen zu ihrer neuen Platte abgeschlossen haben, hatten Dirk von Lotzow, ArneZankund Jan Müller beim Mini-Festival „Tombola 2000“ im Amsterdamer Paradiso nicht nur die aus Deutschland angereisten Fans vom ersten Akkord an auf ihrer Seite. Ab und zu unterbrochen von den bewährten Ansagen in Holper-Englisch testeten die Hamburger vor allem neues Material. Langsamer, bedächtiger, verfeinerter als die noch deutlich vom Punk geprägten letzten Alben kommen die neuen Songs daher. Man darf schon mal gespannt sein auf das neue Album: „K.O.O.K.“ erscheint am 26.7., die Single „Let There Be Rock“ schon am 7.6.