Kurz & Live
Two Gallants Berlin, White Trash
Heiliger St. Patrick, welch Inbrunst. Es müssen wohl etliche irische Generationen mit samt ihren Whiskey-Vorräten in den Adern dienen, um eine Stimme hervorzubringen wie die von Adam Stephens. Das ist höchste Schrei-Kunst, und wenn ich so mein Leid beklagen könnte, wenn mich mein Mädchen mal verläßt – wärsie bestimmt nullkommanix wieder da, in Tränen aufgelöst. Beneidenswert. Aber sie können auch dylanesk balladig, und sind überhaupt dylanesk griesgrämig. Hallo, wie geht’s, schön, daß ihr da seid, dieses Lied handelt von… Bin ich wirklich schon so alt, daß ich sowas vermisse?
The Streets Uebel & Gefährlich, Hamburg
Hamburg hat geschätzte zwölf Meter Neuschnee. Mike Skinner betritt die Bühne und singt „l’m dreaming of a white Hamburg“. Der Witzbold.“.Kennt ihr die Beatles?“ fragt er. Willst du uns verarschen? Und ein bißchen will der schmächtige Typ, der Wodka aus einem Plastikbechertrinkt, in dem ein Teebeutel hängt, genau das. Aber die Performance sitzt derart perfekt, daß man ihm alles verzeiht erst recht seine Liebe zu John, Paul. Ringo und George. Diese ist heute besonders ausgeprägt. Der Organist schmuggelt Live-Beatles-Samples in die Songs, das Publikum wird mit Kurzen aus der bühneneigenen Bar versorgt, wenn es Beatles-Zeilen ins Mikro grölt. Und zwischendurch die Hits der letzten beiden Streets-Alben und viel Neues. Und „Drive My Car“ komplett. Skinner betrinkt sich in Rekordzeit, alle grölen „Hey Jude“. Oder „Dry Your Eyes, Mate“, macht kaum mehr einen Unterschied. Als er zum Schluß rückwärts von der Baßtrommel auf seinen Drummer fällt, ist der Abend perfekt. Das ist also England. Ein Beatles-Themenabend und ein genialer Prall. Super.
Anna Ternheim München, Ampere
Beim reichen Angebot an Singer-Songwriterlnnen aus dem Skandinavischen ist leicht mal der Überblick verloren. Wer war zum Beispiel gleich noch Anna Ternheim?“.In ihrer Heimat Schweden ein Star wie es heißt, und unterwegs, mit ihrem zwei Jahre alten Album SOMEBODY OU-TSIDE Deutschland zu „breaken“. Eine aufgeweckte 27-Jährige tritt vor das recht volle Ampere und singt Lieder auf halbem Weg zwischen, sagen wir, Ani DiFranco und Dido. Welten werden nicht bewegt, aber Ternheims Band aus drei moneybrotheresken Herren, die sich auch als Harmonie-Dreigesang hervortun, ist durchaus zu subtilen Feinheiten fähig – mitunter flirrt es semisakral wie bei Jeff Buckley früher. Und als sie die letzte Zugabe acapella und ohne Mikro singt, ist es so andächtig still, daß das Fake-Klicken eines Fotohandys das moderne Equivalent der fallenden Stecknadel – ringsum zu hören ist. Ein gutes Zeichen für Frau Anna.