Kurz & Klein
Welch drollig Spiel des Schicksals, das einen zu fortgeschrittener Stunde an das Füllen dieses Kastens bringt und einem auf die Spitze des Stapels mit den Rezensionsexemplaren eine Band namens zZz legt. Noch drolliger, dass einen Wikipedia nach Eingabe des Suchbegriffs „Zzz“ wahlweise zum Artikel über die hier gemeinte holländische Band und tatsächlich auch zum Schlaf weiterleitet. Nachdem man über diesen aber dank bereits erwähnter fortgeschrittener Stunde bestens Bescheid weiß, widmet man sich lieber running with the beast (Anti/SPV), dem dritten Album ebenfalls bereits erwähnter Gruppe. Süperber Dancerock, der an die guten Zeiten Fatboy Slims und New Orders erinnert und hörbar in Amsterdam beheimatet ist.
Ideales Vorprogramm für das französische Post-Punk-New-Wave-Psychobilly-Trio 1984 (in einer weiteren monströsen Buchstabenfolge: mil neuf Cent et quatre-vingt-quatre), die wiederum jüngst als Vorprogramm der Blood Red Shoes ideal gebucht war. Auch wenn man sich vorab ob der Unterschiedlichkeit der Musikstile beider Acts vielleicht noch gefragt hat, was 1984 da eigentlich verloren haben. Sie haben sicherlich mehr gewonnen als verloren. Die Songs ihres Debüts open jail (Weekender/Indigo) sorgten für derartige Begeisterung, dass sich die Band genötigt sah, die jeweilig austickende Menge minutenlang zu filmen. Nach dem Motto: „Das glaubt uns zu Hause wieder kein Mensch.'“ Was zu einer äußerst reizvollen Umkehrung der Verhältnisse im Club führte: Die Künstler als Fans, das Publikum im Scheinwerferlicht. Das Cover ziert übrigens ein männlicher Menschenoberkörper, aus dessen Hals ein Zebrakopf ragt. Keine Sorge, diese Notiz soll nun keine plumpe Überleitung zu einer Neuerscheinung der amerikanischen Rapcore-Gräuelband Zebrahead rechtfertigen.
Vielmehr dient sie einer plumpen Überleitung zum Robert-SrnithKniefall Perfect As Cats: A TributeToThe Cure. Die33 Coverversionen erscheinen namhch auf Manimal Vinyl Records, deren Logo konsequenterweise ein Mischwesen aus Ziege und Mann, ähnlich dem griechischen Hirtengott Pan, darstellt. Zur Musik: Die stammt u.a. von den Dandy Warhols, Kaki King, Bat For Lashes und den mittlerweile in The Soft Pack umbenannten The Muslims. Eigentlich stammt die Musik aber natürlich von The Cure und interessanterweise nur aus den ersten zehn Jahren ihrer Existenz, 1978-1989. Also keine fünf Neuinterpretationen von „Friday I’m In Love“. Aber auch kein einziges Remake von „Boys Don’t Cry“. Sonst natürlich alles: „The Walk“, „Close To Me“, „Kilüng An Arab“ etc. Das Ganze zu Großteilen erstaunlich spannend arrangiert, teils völlig dekonstruiert und durchgehend uneitel und unprätentiös. Also unschlecht. Also gut! Außerdem gehen alle Erlöse an die Kinderhilfsorganisation Invisible Children.
Zum Thema geläufiges Liedgut und deren gelungener Facettenzufügung: Elvis vs Spankox‘ re:versions (Starwatch/Warner) Das erste offizielle Album mit Remixen von Elvis-Presley-Songs gehört dieser Kategorie mitnichten an. Völlig unverständlich ist dabei, weshalb die Remix-Aufträge für alle Songs an den No-Name-Italo-DJ Agostino Carollo gingen. Gut: „A Little Less Conversation“ vertraute man damals auch einem Underdog an, DJ Tom Holkenburg alias J(unkie)XL. Doch der hatte zumindest ordentliche Referenzen wie sein großartiges BigBeat-Debüt saturday teenage kick. Carollo bzw. Spankox hatte sich bisher (k)einen Namen mit Remixen für Snap! und Roxette gemacht. Das Presseinfo weiß jedenfalls: „Die Remixe (…) präsentieren Elvis, wie man ihn nie zuvor gehört hat.“ Stimmt ja. Wenn ich nun aber meine aloha from Hawaii mit Schleifpapier behandle und dann dem CD-Spieler einverleibe, präsentiere ich doch auch „Elvis, wie man ihn nie zuvor gehört hat“.
Einer gewissen Entbehrlichkeit kann sich auch Niccokick nicht freisprechen, wobei the good times we shared, where they so bad? (Startracks/Indigo) weder stilistisch noch qualitativ mit den unsinnigen Elvis-Updates zu vergleichen ist. Doch die Notwendigkeit lässt sich auch hier anzweifeln. Solider Schwedenpop, den es so natürlich gar nicht gibt, weil Landesgrenzen nicht unsere Identität diktieren, aber dennoch so klingt wie das, was man unter Schwedenpop versteht und was man schon einfallsreicher im Plattenregal stehen hat, sofern man sich für Beatles-inspirierte Musik interessiert.
Nun zu hydraulic son (Richard-Mohlmann-Records/Indigo) von Miyagi. Und nein, dies ist kein Solowerk des einen von Fujiya & Miyagi. Denn Letztgenannte sind deren vier, und keiner von ihnen heißt Miyagi. Hier handelt es sich um eine fünfköpfige, zwischen Dark und New Wave pendelnde Band aus Münster, die noch etwas zu eindeutig einschlägigen Vorbildern nacheifert, der man großes Potenzial aber weder abschreiben kann noch will.
Ganz im Gegensatz zur österreichischen Poprockgruppe Zweitfrau und ihrem bereits vor Veröffentlichung abgestandenen Debüt Rückendeckung (Strange Cat/SPV) Hall-Effekte, wie man sie nur noch aus dem Schlager kennt, um Modernität heischende Drumloops, wie man sie nur noch von Guns N‘ Roses 2008 kennt. Dazu Texte, die wie Übersetzungen von Anastacia-Lyrics wirken: Immer „hackten“ alle anderen auf der Sängerin Diana Lueger „rum“, „doch jetzt“ ist sie „nicht mehr das Unschuldslämmchen“ jetzt braucht sie auch „kein Alibi“ mehr, jetzt will sie gar „mit den Haien schwimmen – Wahnsinn!“. Eine Krise zu überwinden, ist so unbedingt unterstützenswert, wie es die Plattheit der hier vorherrschenden Wortwahl nicht ist.
Gleiches Urteil ergeht für die ebenfalls aus Österreich kommenden Dauerpubertierer Julia. Auf ihrem dritten Album the sc Ars we hide (Monkey/Broken Silence) paaren sie wie gehabt Schema-F-Hardcorepop mit so banalen Texten wie „Ifyourgodis so great whydofanatics spread around in the name of their god who’s so great but not found“. Weshalb dann ein paar Songs später, im nicht minder originellen „Suicide Bombers“, doch wieder gebetet wird („Ipray togodyou care aboutyour lovely son and your lovely daughter“), wenn der liebe Gott doch „notfound“ ist? Man will die Antwort ebenso wenig hören wie diese unterentwickelte Musik.
Textlicher Einfallslosigkeit entgeht Clint Eastwood präventiv mit dem von ihm geschriebenen Instrumental-Score zu seinem neuen Film „Der fremde Sohn“, im Original: changeling (Varese Sarabande/ Colosseum/Al!ve). Zurückhaltend eingespielt vom Hollywood Studio Symphony Orchester, versammelt er hier sechzehn Kompositionen, die stimmungsvoll und eigenständig genug sind, um auch ohne die dazugehörigen Bewegtbilder des Kidnapping-Dramas mit Angelina Jolie wohlige Melancholie zu verbreiten.
Eine artverwandte Stimmunsglage vermag auch das Hamburger Folkpop-Trio Tenfold Loadstar seit Jahren mühelos auszustrahlen, it’s cold outside and the gnome is you (Normal/Indigo) ist ein weiterer, längst nicht mehr zu erbringender Beleg für die Souveränität dieser Band, ihr Talent für spannendes Songwriting und die Kraft Sängerin Caro Garskes, in jedem Titel erneut zu entzücken.
Von immergleich motivierter Temporärverzückung weiß auch Kollege Götz ein Lied zu singen: Es heißt „El Dorade“ und spielt Freirag für Freitag in seinem Kopf auf dem Weg zum In-Türken „Orient Express“, wo es nach alter Tradition am letzten Werktag der Woche exzellenten Fisch, genauer gesagt: exzellente Dorade gibt. Ein El Dorado für Doradenliebhaber. Ein El Dorado für Worldbeat-Liebhaber ist hingegen das neue Album der Berliner 17 Hippies EL dorado (Hipster/ Soulfood). Gefühlt kommt hier jede Kultur der Welt zu Wort, und das fühlt sich gut an. Und so schwelgen wir in Träumen von harmonischer Globalisierung und lassen die fortgeschrittene Stunde endlich Oberhand gewinnen. Zzz…