Kurt Cobains 20. Todestag in Bildern – So gedenken Seattle und Aberdeen des gemeinsamen Grunge-Sohnes
Autorin Kristina Baum bereist die Westküste der USA und bündelt wöchentlich ihre Eindrücke aus der lokalen Musikszene. Teil 4: Persönliche Verlustbewältigung in der Hauptstadt des Grunge.
„Heroin ist ein langsamer Tod. Kurt starb schon seit Längerem ganz langsam. Ich denke nicht darüber nach, wie er gestorben ist, sondern was er in seinem Leben erreicht hat. Wenn man seine Vergangenheit, sein Elternhaus, seine Kindheit betrachtet – dass er es geschafft hat, trotz aller Widrigkeiten so großartige Musik zu machen, ist ein Geschenk und einfach unglaublich.“
Bis aufs Mark erschütternder Szenenapplaus im EMP Museum, in dem am 6. April 2014 zu Ehren von Kurt Cobain Sub-Pop-Labelgründer Bruce Pavitt, Produzent Jack Endino, Fotograf Charles Peterson, Autor Charles R. Cross und der Kurator des Museums persönliche Geschichten, Sichtweisen und nie gesehene Fotos ihres verstorbenes Freundes mit 200 Gästen teilten. Es ist die einzige öffentliche Veranstaltung zum 20. Todestag von Kurt Cobain in Seattle und begleitet die laufende Ausstellung „Nirvana – Taking Punk to the Masses“. Zerstörte Gitarren, der beigefarbene Cardigan vom MTV-Unplugged-Konzert und zahlreiche weitere Memorabilien, Bilder und Videos wecken in emotional gesteuerten Besuchern aus aller Herren Ländern sowie abgeklärt wirkenden Seattlern erneut das revolutionäre Gefühl, mit dem Ende der Achtziger hier alles begann und die tiefe Erschütterung, die der Tod des Grunge mit sich zog.
Seattle schmückt sich nicht offensichtlich mit ihrem gefallenen Helden, der dank Medien, Label und natürlich zurecht zum prominentesten Vertreter einer einzigartigen Subkultur hochstilisiert wurde. Im Viretta-Park direkt neben seinem Haus, in dessen Garage man Kurt Cobain 1994 tot auffand, deutet lediglich eine von Fans bekritzelte Bank auf seine Existenz hin, eine Plakette, Statue oder sonstige Lobhudelei sucht man vergebens. Zum dortigen Gedenktreffen am 5. April 2014 zeigt sich, dass der Rest der Welt im Gegensatz zu den Einwohnern Seattles noch immer Traumabewältigung zu leisten hat. Spanier, Franzosen, Deutsche, Indonesier – alle um die 30 und extra für das traurige Jubiläum eingeflogen. Am Ende des Tages ist die kleine, schäbige Bank von Blumen, Briefen, Bieren und Camel-Zigaretten bedeckt und als ein Fan ein paar Songs mit dem iPod laufen lässt, überkommt an diesem Ort auch mich eine meterdicke Gänsehaut.
Cobains Heimat Aberdeen fährt im Gegensatz zu Seattle dick auf: Im Park um den Wishkah River mit der Brücke, unter der Kurt für kurze Zeit gelebt und gemeinsam mit Novoselic Nirvana gegründet haben soll, gedenkt man mit gleich mehreren, nicht gerade subtil arrangierten Stücken: Tafeln mit beliebig wirkenden Zitaten, ein Denkmal, wie es eine nachmittägliche Beschäftigungsgruppe im Community Center nicht schöner hätte meißeln können und anderer bunter bis zutiefst hässlicher Schnickschnack. Ehre, wem Ehre gebührt, besonders, wenn er Geld in die Kassen des noch immer runtergekommenen Städtchens spült. Vor lauter Kopfschütteln und ungläubigem Lachen vergisst man hier beinahe das Andächtigsein.
Kurt Cobains Spuren sind in der Hauptstadt des Grunge inzwischen so gut wie weggentrifiziert. Nur Bars wie Linda’s, in der der Sänger zuletzt in der Öffentlichkeit gesehen wurde oder das Crocodile, das letzte Venue, in dem Nirvana in Seattle spielten, können sich trotz gestiegener Mieten und gesunkenen Interesses am Grunge weiterhin behaupten. Und selbst in Aberdeen hätte man es vielleicht besser lassen sollen, den „drogenabhängigen Selbstmörder“ zum überkitschten Wochenendziel zu erklären, wenn man ihm wirklich posthum einen Gefallen tun möchte. Bilder sagen in diesem Fall mehr als Worte, in der Galerie oben seht ihr daher meine Eindrücke vom 20. Todestag von Kurt Cobain.