Krokus – Häwi-Mätel us d’r Schwyz
AJk ls der Bassist Chris von Rohr und Gitarrist Fernando von Arb die Band Krokus vor sechs Jahren ins Rollen brachten, hörten sie sich weiß Gott noch reichlich anders an. Sie tingelten durch kleine Clubs und Touristentreffs an der Costa Brava und spielten eher sowas Subtiles in Richtung Genesis oder Supertramp. Gesungen hat ursprünglich Chris. Bis inklusive PAIN KILLER. Als dann Marc Storace bei METAL RENDESZVOUS die Herrschaft über das Mikrophon ergriff, änderte sich die Richtung endgültig: Krokus hatten ihre Power entdeckt. Marc ist übrigens -— wie auch unser Londoner Korrespondent Ray Bonici -— auf Malta geboren and here they go…
Ray: Wie kommt es, daß ein Malteser, der in England lebt, bei einer Schweizer Band einsteigt?
Marc: Das ist eine komplizierte Geschichte. Ich meine, ich habe die Band nicht erst gestern getroffen. Ich habe die Jungs vor drei Jahren kennengelernt, als ich bei der Gruppe Tea gesungen habe. Ich habe nämlich sechs Jahre lang in der Schweiz verbracht. Ich kannte Krokus, wußte, welche Musik sie spielten. Nachdem ich wieder in London war, nahm Harry, der ehemalige Manager der Band, Kontakt zur mir auf und sagte, daß sie einen Sänger brauchten. Da mir die Musik eigentlich immer gefällten hatte, dachte ich mir, warum nicht? Endlich kannst du mal das machen, was dir Spaß macht. Und nach METAL RENDEZVOUS hatten wir plötzlich Erfolg. Alles nahm enorme Ausmaße an. Wir sind durch die halbe Welt getourt, in diesem Jahr werden wir um die ganze Welt reisen! Naja, vielleicht nicht nach Afghanistan, aber wer will da schon hingehen im Moment?
Ray: Soviel ich weiß, haben sich deine frühere Band, Tea, und Krokus immer mächtig bekämpft.
Marc: Yeah, natürlich! Wir spielten zusammen bei großen Festivals, und wir haben natürlich immer versucht, den besseren Sound zu haben. Wenn Krokus bei uns im Vorprogramm spielten, haben wir sie immer ganz schon fertig gemacht. Heute weiß ich. daß sie schwer dafür gearbeite! haben, um dort zu stehen, wo sie jetzt sind. Bei ihnen fühle ich mich heute sogar wohler. Wir haben jetzt dieselbe Taktik: wenn wir gemeinsam auf der Bühne stehen, geben wir eine ziemlich harte Nuß ab.
Ray: Viele Kritiker haben euch mit AC/DC verglichen.
Marc: Also Reggae-Bands klingen auch alle gleich, wenn du sie nicht im einzelnen kennst. Ebenso Ska-Bands. Sogar Beethoven und Tschaikowski sind für jemanden, der sich nicht gerade fanatisch mit dieser Musik beschäftigt, kaum auseinanderzuhalten.
Ray: Ihr habt jetzt euer neues Album, HARDWARE, hier in London fertiggestellt. Was habt ihr euch vorgestellt, als Ihr mit den Aufnahmen begonnen habt?
Marc: Zunächst einmal wollten wir etwas sehr Hartes, weil es in unserem Bereich doch einen ziemlichen Wettbewerb gibt. Wir sind mit dem Gedanken ins Studio gegangen, einen Rock’n’Roll voll roher Energie zu kreieren – dieselbe Art von Energie, die wir gern von der Bühne jagen.
Ray: Warum habt ihr die neue LP HARDWARE genannt? Ist es einfach nur ein Titel oder steckt da für euch mehr Bedeutung drin?
Maure: Der Grund, warum wir es HARDWARE nannten, ist der, daß wir sehr ehrlich sind. Darum wollten wir uns auch keinen gefälligen Namen für ein Album ausdenken, das nicht allzu gefällig ist. Da ist nichts Verspieltes, keine Schnörkel! Da ist Rock’n’Roll, der mit dein Kopf durch die Wand geht.
Ray: Was hat dir bei der Produktion am meisten Spaß bereitet?
Marc: Die Aufnahmen lür „Smelly Nelly“, weil die m ein einziges Gelächter ausarteten, besonders bei den hohen Passagen, in denen ich eine Opernsängerin parodiere. Die anderen haben sich jedesmal im Studio gewälzt, bis ich auch nicht mehr weiter konnte, deshalb hat es eine Ewigkeit gedauert, bis der Track fertig war.
Ray: Bedeutet HARDWARE für euch eine größere Herausforderung als METAL RENDEZVOUS damals?
Marc: Ich glaube, daß es auf HARDWARE einige Passagen gibt, die technisch komplizierter ausfielen. Für mich persönlich war das jetzt schon eine Herausforderung, zumal hier jede einzelne Nummer mehr Energie verlangte als die Melodien von RENDEZVOUS.
Ray: Wer schreibt die Texte in der Band? Oder variiert ihr das untereinander?
Marc: Das ist von Nummer zu Nummer verschieden. Ein guter Freund von uns – genau gesagt ist es der Onkel von Chris, der in Amerik a lebt hat ein paar wirklich gute Texte beigesteuert.
Ray: Zum Beispiel welche? Marc: „Smelly Nelly“ und „Mr. 69“.
Ray: Und was hat es mit dem Song auf sich, den du geschrieben hast, „Buming Bones“.? Marc: Was mich zu dem Song inspiriert hat, war die russische Invasion in Afghanistan. Die Zeitungen waren voll davon, das Thema lag in der Luft und hat mich so beeindruckt, daß ich irgendwann diesen Text im Kopf hatte.
Ray: Meinst du, daß du politisch bist, wenn du Songs über dieses Thema schreibst? Marc: Das ist kein politischer Song; ich beziehe mich da auch auf kein bestimmtes Land. Ich sage nur, was mich dazu inspiriert hat, aber das Endresultat war kein politischer Song. In der Geschichte des Menschen hat es immer Kriege gegeben, und es wird weiterhin Kriege geben, bis die Menschheit sich endgültig zerstört hat. Dieser Song greift sich nun ein Individuum heraus: einmal in seinem Privatleben, wo es sich amüsieren will, dann in einer konträren Situation, wo dieses Individuum aus seinem persönlichen und sozialen Umfeld herausgezerrt wurde und zwar in die Armee aufs Schlachtfeld, wo es jeden Tag sterben kann. Du kannst dazu die Parallele ziehen, daß, in dem Moment wo sich irgendjemand in einem Restaurant amüsiert, oder wobei auch immer, ein anderer in irgendeinem Krieg abgeknallt wird.
Ray: Du neigst aber auch dazu, sexistische Songs zu schreiben genau wie der Rest der Band.
Marc: Nun, sie sind nicht in dem Sinne sexistisch. Da befindet sich weitaus Schlimmeres in Umlauf, was du an jedem Kiosk kaufen kannst. . . (Marc hat offenbar im Moment nicht gemerkt, was Ray mit sexistisch meinte, deshalb überspringen wir ruhig die nächsten Zeilen. Anm. d. Übers.)… wenn du unsere Texte genau anhörst, findest du sie bestimmt ziemlich lustig, und das ist alles, was wir wollen. Wir lehnen es ab, das Leben so tierisch ernst zu nehmen, denn die Musik ist immerhin ein Zufluchtsort. Wenn wir auf die Bühne gehen, dann wollen wir die Leute schon von der totalen Wirklichkeit in ihrer frustrierenden Form ablenken. Wir hoffen, daß unsere Musik befreiend wirkt.
Ray: Okay, du sprichst von der Musik. Aber was ist mit den Texten? Was ist, wenn sich euer weibliches Publikum auf, sagen wir mal, „Mr. 69“ und „Smelly Nelly“ einschießt? Denn die enthalten durchaus einige chauvinistische Ansichten.
Marc: Du weißt, das es Frauen gibt, die genauso chauvinistisch sind. Ich wette, es gibt eine Menge Männer, die das glauben. Ich meine, dieses Women’s Lib Ding ist sowieso Krampf. (Räusper: d. Übers.) Ich glaube, daß keiner in der Band wirklich derart chauvinistisch ist, wie es immer gern dargestellt wird. Ich meine, wir sind schon Schweine, aber vielleicht keine chauvinistischen Schweine. Wer ist das nicht? Jeder ist tief in seinem Inneren ein Schwein. Es ist nur so, daß manche Leute dies besser verbergen können, als andere. Und wenn sie in unsere Konzerte kommen, wollen wir nicht, daß sie es verstecken. Wir wollen, daß sie alles so rauslassen, wie die Natur es will, und all ihre Hemmungen über Bord werfen. Wenn wir dann Songs wie „Smelly Nelly“oder „Mr. 69“ singen und irgendjemand den Humor darin nicht erkennen kann, dann würde ich vorschlagen, daß er einen Psychiater aufsucht.
Ray: Ich bleibe trotzdem dabei, daß ihr eine pornografische Band seid.
Marc: Wir wollten das Album ursprünglich PIN UPS nennen und Nacktfotos aufs Cover bringen; Titten, Arsche und Bauchnabel. Jeder steht auf einen schönen Bauchnabel! Ich meine, das ist die Wirklichkeit; Leute, die das nicht eingestehen, sollten Priester oder Nonnen werden und in Wahrhaftigkeit leben. Denen würde ich glauben, aber nicht den anderen, die nur hemmen und kastrieren wollen. Außerdem ist Sex doch toll. Sex macht Spaß, ist wundervoll und zusammen mit Liebe und gegenseitigem Verständnis das beste, was es gibt. Was ist eine Beziehung ohne Sex? Ich muß unsere Texte da wirklich verteidigen; es sind gute Texte, sie sind unterhaltsam, sexy, lustig und sie bleiben im Rahmen. Ich meine, wir hätten ja auch richtig pervers werden können, aber wir haben auch unsere Moral.
PS: Kurz nachdem dieses Interview aufgenommen war, wurde bei Krokus ein Gitarrist ausgewechselt. Für Tommie Kiefer, der sich den Strapazen dieser Mammut-Tournee nicht aussetzen wollte, kam Mandy Mayer zur Band. Auch der Manager ist neu: Die Gruppe wird jetzt betreut von Butch Stone, der früher mit Black Oak Arkansas gearbeitet hat.