Kraftwerk: It’s The Beat


Zum Tod des ehemaligen Kraftwerk- und Neu!-Schlagzeugers Klaus Dinger.

Er war Mitglied in zwei der international einflussreichsten deutschen Bands der 70er Jahre: Kraftwerk und Neu! Als Gitarrist, (Nicht-)Sänger, Keyboarder und vor allem als Schlagzeuger übte Klaus Dinger nachhaltigen Einfluss auf Generationen von fortschrittlich ausgerichteten Musikern aus. Nachdem Dinger und der Gitarrist Michael Rother zwischen Herbst 1970 und Ende 1971 mit Florian Schneider in einer Triobesetzung von Kraftwerk gespielt hatten, führte ein Streit über die musikalische Ausrichtung zur Trennung und zur Gründung von Neu! Ein Glücksfall für die Entwicklungsgeschichte der Popmusik. Die drei Alben NEU!, NEU!2 Und NEU!75, die auf Initiative von Herbert Grönemeyer im Frühjahr 2001 auf dem Grönland-Label wiederveröffentlicht wurden, bestanden aus einer abenteuerlustigen Mischung von minimalistischen Improvisationen, Soundflächen, Feedback, Gitarrenloops und Fieldrecordings. Neu!-Musik wies weit in die Zukunft, sie war gleichermaßen die Vorahnung von Punk, Ambient und Techno.

Dingers charakteristische Art des Schlagzeugspiels, der „Dinger Beat“, der von seinem Schöpfer „der Apache“ genannt wurde, war nicht nur zum Erkennungszeichen seiner eigenen Musik geworden, sondern auch zur Blaupause für jeden Schlagzeuger, der in den folgenden Jahren irgendetwas mit elektronischer und/oder experimenteller Musik zu tun haben würde. Dinger spielte einen minimalistischen, reduzierten, präzisen und wuchtigen Rhythmus – hypnotisch, repetetiv, geradeaus.

Der Geist von Neu! befruchtete zahllose Künstler in ihrer Kreativität – auch lange nachdem sich die Wege von Dinger und Rother 1975 getrennt hatten. David Bowies“Heroes“ war inspiriert vom Neu!-Song „Hero“. Ciccone Youth, das Madonna-Verehrungsprojekt von Sonic Youth, nannte einen seiner Songs „Two Cool Rock Chicks Listening To Neu!“. Damon Albarn, Thom Yorke und Brian Eno haben sich als Neu!-Fans zu erkennen gegeben. In der Musik von Bands wie Tortoise, The Sea And Cake und Stereolab hallte in den 90ern das Echo der hypnotischen Kompositionen aus Düsseldorf wider. 1976 knüpfte Dinger mit seinem Bruder Thomas mit La Düsseldorf da an, wo er bei Neu! aufgehört hatte. Die kommerziellen Erfolge der Nachfolgeband übertrafen bei weitem ihre künstlerische Bedeutung. In den 90ern gründete Dinger La! Neu?, mit deren Namen er die eigene musikalische Vergangenheit ironisierte. Ein kurzzeitiger Telefon- und Faxkontakt mit dem Autor Anfang des Jahrzehnts sowie ein Treffen mit Dinger in London bestätigten die Vorurteile, die über den „schwierigen Charakter“ in Umlauf waren. Dinger war scheu, misstrauisch, gleichermaßen ex- und egozentrisch, aber in der Summe ein liebenswerter Kauz. Klaus Dinger starb am 21. März in Düsseldorf an Herzversagen – drei Tage vor seinem 62. Geburtstag.